Hand 3 in unserer Turnier-Reihe führt uns auf Wunsch der Spieler auf einen Flop und damit in eine möglicherweise verwirrende Situation. Wie kommen wir aus dem Schlamassel wieder raus?
Ausgangslage
Der Protagonist spielt ein reguläres $55-Turnier online. Die Blinds steigen alle 10 Minuten und noch sind rund 55 von 200 Spielern dabei. Die Top 27 werden ausgezahlt. Der Startstack liegt bei 5.000 Chips und der Protagonist konnte seinen Stack auf über 35.000 Chips ausbauen und ist einer der Big-Stacks im Turnier.
Hand 1 & 2
Die Frage zu Hand 1 und die Auflösung von Hand 1 wurde in den vorigen Artikeln abgehandelt.
» Frage und Auswertung zu Hand 2
Hand 3 – Vor dem Flop
Die Blinds liegen bei 600/1.200 und 100 Ante.
Cut Off (t15.200 Stack)
Button (t10.900)
Small Blind (t22.100)
Protagonist, Big Blind (t35.800): K 10
9 Spieler posten t100 Ante, der Small Blind postet t600, der Big Blind postet t1.200.
Alle folden zum Cut-Off. Dieser raist auf t2.500, der Button und Small Blind folden, der Protagonist … ?
So wollten unsere Leser weiterspielen:
Fold | 21% |
Call | 51% |
Kleiner Raise | 4% |
All-In | 24% |
Die Mehrheit wollte hier callen, also schauen wir mal, was dabei rauskommt:
Hand 3 – Ein Flop, ein Flop!
Der Protagonist callt.
Flop: A 10 9 (6.500 Chips im Pot)
Der Protagonist …?
Wie spielt Ihr weiter? Lasst uns dabei bitte auch wissen, wie ihr auf eine eventuelle Bet des Cut-Offs reagiert.
Informationen zum Cut-Off: Der Spieler scheint äußerst aggressiv zu sein, spielt recht viele Turniere, ist aber – zumindest nach Daten mehrerer Tracking-Seiten – kein Gewinner (-4% ROI nach den letzten 1.500 Turnieren).
Lasst uns via Abstimmungstool (sollte rechts zu finden sein) oder via Kommentar wissen, wie Ihr hier warum spielt.
Zum Spiel in Hand 3 vor dem Flop
Die meisten Leser favorisierten einen Call. Man kann hier callen, aber diese Spielweise kann nur dann profitabel sein, wenn man für das Spiel nach dem Flop einen klaren Plan hat. “Einen Klaren Plan haben”, meint in erster Linie, dass man nach dem Flop nicht Fit-oder-Fold spielen sollte. Denn in der überwältigenden Mehrheit der Fälle trifft man gar nichts:
Wahrscheinlichkeiten, bestimmte Hände auf dem Flop mit K 10 zu treffen:
Flop-Kategorie | Wahrscheinlichkeit |
Besser als Top-Pair | 3% |
Top-Pair | 20% |
2nd- oder 3rd-Pair | 10% |
Kein Paar | 67% |
8-Outs-Draw | 4% |
4-Outs-Draw | 13% |
Selbst wenn man etwas trifft, wird man sich nicht immer wohl mit seiner Hand fühlen, wie die obige Fortsetzung von Hand 3 eventuell andeutet. Auf dem A 10 9 -Flop haben wir unsere Hand schon überdurchschnittlich gut getroffen, aber fühlen wir uns bei einem Stack-zu-Pot-Verhältnis von 2:1 wirklich gut mit unserem 2nd-Pair?
Pro Fold
Umgehen kann man diese Probleme, wenn man vor dem Flop einfach foldet. Der kleine Raise des CO ist in Anbetracht seiner Stack-Größe etwas verdächtig, wie schon Sauce123 in den Kommentaren anmerkte. Mit einem Stack von unter 13 Big Blinds spielen hier die wenigsten guten Spieler Raise/Fold, so dass sein kleiner Raise eine Hand andeutet, gegen die KTo meilenweit hinten liegt.
Pro All-In
Nun wurde der CO in in der Hand aber als äußerst aggressiver Spieler beschrieben, der zwar viele Turniere spielt, aber womöglich kein überragender Spieler ist. Einem solchen Spieler ist es durchaus noch zuzutrauen, dass er in dieser Situation ohne viel Nachzudenken mit 13 Big Blinds aus dieser Position einen Raise bringt, sich aber dennoch zu einem Fold durchringt, wenn er all-in gestellt wird. Sprich: es kann sein, dass seine Range nicht ganz so stark ist und dass wir uns ein wenig Fold-Equity ausrechnen können.
Wie viel Fold-Equity benötigen wir wohl, um ein All-In profitabel spielen zu können? Erstaunlicherweise nicht sonderlich viel. Folgende Tabelle zeigt den Chip-Erwartungswert eines All-Ins mit KTo in Abhängig von der Range (jeweils in Top-X-Prozent), mit der der CO den Raise bringt und mit welcher er ein All-In callt:
Open Call | 5% | 10% | 15% | 20% | 25% | 30% |
5% | -4989 | – | – | – | – | – |
10% | 106 | -3346 | – | – | – | – |
15% | 1804 | -497 | -2556 | – | – | – |
20% | 2653 | 927 | -617 | -1134 | – | – |
25% | 3162 | 1782 | 547 | 133 | 130 | – |
30% | 3502 | 2351 | 1322 | 978 | 975 | 478 |
Lies: sollte der CO zum Beispiel mit seinen Top-15% einen Raise bringen, aber nur mit den Top-5% das All-In callen, hätte ein All-In einen Chip-Erwartungswert von +1.804.
Im Schnitt reichen 50% Fold-Equity locker aus, um den Push profitabel zu machen. Je weiter die Range des CO ist, desto weniger Fold-Equity benötigen wir und sobald der CO 25 bis 30% seiner Range raisen sollte, könnten wir gar ganz ohne Fold-Equity all-in stellen.
Ob der CO in der gegeben Hand nun tatsächlich so loose Ranges hat, ist ohne genauere Reads nicht zu beurteilen. Insofern wäre ein Fold die sicherere Spielweise. Doch gegen einen Gegner, der schon einmal gezeigt hat, dass er mit 13,5 Big Blinds noch Raise/Fold spielt, kann ein All-In hier ein langfristig massiv profitabler Zug sein.
Parallelen zur vorigen Hand
Die vorige Hand war spiegelbildlich zu dieser Hand. Was war dort passiert? Der Protagonist raiste aus dem CO mit A7o auf etwas über 2 BB und wurde vom Big Blind für effektiv 12,5 Big Blinds All-In gestellt.
Gleich 73% aller Leser wollten in dieser Hand auf das All-In folden. Zwar hätten Viele die Hand gar nicht erst geraist, aber dennoch deutet diese Zahl darauf hin, dass sich der Big Blind in der vorigen Hand realistische Hoffnungen auf Fold-Equity machen konnte.
Hätten wir in der Hand dem Protagonisten in der vorigen Hand eine etwas besser aussehende Hand gegeben – zum Beispiel A 10 – hätten sicherlich fast alle für einen Open-Raise plädiert. Aber mit Sicherheit hätten sich immer noch 40 bis 50 Prozent dafür ausgesprochen, auf das All-In zu folden.
Nehmen wir nun die aktuelle Hand und besetzen die Rolle des Cut-Offs mit einem dieser 40 bis 50 Prozent – Könnte sich dann der Protagonist im Big Blind in der aktuellen Hand nicht tatsächlich eine Menge Fold-Equity ausrechnen?
Das Phänomen, dass Spieler in der Situation des Cut-Offs Raise/Fold spielen ist enorm verbreitet und fast immer ein krasser Fehler. Der Fehler geht bei einigen Spielern sogar soweit, dass sie in späteren Turnier-Phasen astronomische Open-Raises – 3 oder noch mehr BB – bringen, dadurch ein gutes Drittel ihres Stacks in die Mitte stellen und dann auf ein All-In folden obwohl die Odds zu einem Call verpflichten.
Wenn man solche Spieler am Tisch findet, sollte man ohne zu zögern so oft wie möglich den Hammer rausholen und die von diesen Spielern zur Verfügung gestellten Chips einsammeln. Klar ist dieses Spiel mit etwas Varianz verbunden – hin und wieder hat der Gegner eben ein Monster – aber langfristig ist es extrem profitabel.
Nun haben wir in Hand 3 aber auf einmal einen Flop und sind gespannt, wir Ihr diesen spielen würdet. Habt Ihr Anmerkungen dazu, freuen wir uns auf Kommentare und Diskussionen.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 11.04.2016.