Im dritten Teil unserer Pokerbraimstorm-Reihe gehen wir Turnier-Situationen durch. Neben der Auflösung der ersten Hand präsentieren wir die nächste Hand, in welcher der Protagonist in einer häufig vorkommenden Situation einem Reraise vor dem dem Flop ausgesetzt ist.
Ausgangslage
Der Protagonist spielt ein reguläres $55-Turnier online. Die Blinds steigen alle 10 Minuten und noch sind 60 von 200 Spielern dabei. Die Top 27 werden ausgezahlt. Der Startstack liegt bei 5.000 Chips und der Protagonist konnte einmal seinen Stack verdoppeln. In den letzten Orbits bekam er an seinem Tisch kaum spielbare Hände und war verhältnismäßig unauffällig. Die meisten seiner Gegner sind solide Regs, die regelmäßig viele Turniere spielen und wissen, was sie machen.
Hand 1 – Auflösung
Die Blinds liegen bei 500/1.000 und 100 Ante.
Protagonist, Small Blind (t11.000 Stack): Q 5
Big Blind (t17.000)
9 Spieler posten t100 Ante, der Small Blind postet t500, der Big Blind postet t1.000.
Alle folden zu den Blinds. Der Protagonist … ?
So wollten unsere Leser weiterspielen:
Fold | 8% |
Call | 5% |
Normaler Raise | 2% |
All-In | 85% |
Das Votum ist eindeutig und so ist so ist auch die Begründung. Mehr dazu weiter unten. So ging diese Hand aus:
Der Protagonist raist auf t10.900 (all-in), der Big Blind callt.
Showdown: Der Big Blind zeigt A J , das Board fällt 7 9 K 5 2 und der Protagonist gewinnt mit einem Paar Fünfen.
Der Protagonist hatte Pech, dass der Big Blind eine starke Hand hatte, aber im Gegenzug Glück beim Showdown. So kann er mit doppeltem Stack weiterspielen.
Hand 2 – Neue Situation, neue Frage
Die nächste interessante Hand ereilt den Protagonisten im Cut-Off:
Die Blinds liegen bei 500/1.000 und 100 Ante.
Protagonist, Cut Off (t22.600 Stack): A 7
Button (t3.900)
Small Blind (t.43.300)
Big Blind (t12.400)
9 Spieler posten t100 Ante, der Small Blind postet t500, der Big Blind postet t1.000.
Alle folden zum Protagonisten. Dieser raist auf t2.200, der Button foldet, der Small Blind foldet, der Big Blind raist auf t12.300 (all-in). Der Protagonist … ?
Wie spielt Ihr weiter?
Informationen zum Big Blind: Der Big Blind ist ein sehr aggressiver Spieler, der online sehr viele Turniere spielt und überaus erfolgreich ist. Er dürfte den Protagonisten als soliden Spieler einschätzen.
Lasst uns via Abstimmungstool (sollte rechts zu finden sein) oder via Kommentar wissen, wie Ihr hier warum spielt.
Zum Spiel in Hand 1
Von den vier möglichen Optionen (Fold, Limp, normaler Raise und All-In) fallen zwei direkt aus.
Ein Limp ist fast schon eine Straftat. Q5s ist keine Hand mit der wir eine Falle stellen können und auf einen eventuellen Raise des Big Blinds müssen wir folden. Sollte der Big Blind checken und uns einen günstigen Flop sehen lassen, stehen wir mir einer marginalen Hand ohne Position gegen einen starken Gegner da. Das ist im Allgemeinen einen Rezept für ein Desaster. Wir werden nur in rund 15 Prozent der Fälle Top-Pair oder besser treffen und in rund 60 Prozent der Fälle absolut gar nichts. Das kann man so nicht profitabel spielen.
Ein kleiner Raise ist ebenfalls eine schlechte Option. Spielt man Raise/Call, wäre ein All-In immer der bessere Spielzug, da man mehr Hände zum Folden bringt und man den Gegner wohl kaum zu einer 3-Bet mit dominierten Händen animiert. Plant man Raise/Fold zu spielen, lädt man den Gegner unnötig ein, mit Händen, die er sonst womöglich folden würde, all-in zu gehen. Ein starker Gegner wird so etwas gnadenlos ausnutzen. Und callt der Big Blind den Raise, steht man wie beim Limp mit einer marginalen Hand ohne Position gegen einen starken Gegner da.
Es ist also ganz klar: Wir wollen hier keinen Flop spielen, damit bleiben nur noch die Optionen All-In oder Fold.
Warum ein All-In in dieser Hand profitabel ist
Um es gleich deutlich zu sagen: Ein All-In ist in dieser Situation mit Q5s ein Spielzug, der niemals und unter keinen Umständen einen negativen Chip-Erwartungswert1 haben kann. Wir können all-in gehen, unsere Hand umdrehen bevor der Big Blind überhaupt entschieden hat und hätten immer noch einen profitablen Push. Mathematisch erklären das die Sklansky-Chubokov Rankings2.
Eine mögliche Calling-Range des Big-Blinds ist etwa 22 oder besser, Ass-x und König-Zehn oder besser. Das sind 252 von den 1225 möglichen Kombinationen, die der Big Blind halten kann. Heißt: 973 seiner 1225 Kombos, oder in 79% der Fälle, foldet der Big Blind auf das All-In. Callt er, haben wir mit Q5s gegen seine Range immer noch 36% Equity. Rechnerisch ergibt sich daraus, dass ein All-In gegen diese Calling-Range einen Chip-Erwartungswert von rund t11.800 hat. Das ist deutlich mehr als der Chip-Erwartungswert eines Folds, der bei 10.400 Chips liegt.
Tatsächlich ist der Chip-Erwartungswert eines All-Ins immer deutlich über dem eines Folds, völlig egal, mit welcher Range der Big Blind zum Call bereit ist.
Folgendes Diagramm zeigt unseren Chip-Erwartungswert je nach der Calling-Range des Big Blind. Der EV für einen Push ist die grüne Linie, der EV für einen Fold ist konstant bei 10.400 (lila Linie).
Ergo: egal, wie der Big Blind spielt, ein All-In ist immer profitabel. Das liegt daran, dass die Blinds einen signifikanten Anteil unseres Stacks ausmachen, daran, dass wir eine gute Portion Fold-Equity haben und auch daran dass Q5s bei einem Preflop-All-In eine nicht völlig hoffnungslose Hand ist.
Warum ein Fold keine bessere Option ist
Wir haben schon gesehen, dass ein All-In in jedem Fall den höheren Chip-Erwartungswert hat. Nun mag man argumentieren, dass es eventuell besser wäre, auf einen noch besseren Spot zu warten. Folden und Warten ist in diesem Fall jedoch aus 3 Grünen keine gute Idee.
1. Ein Push in der Hand selbst einen drastisch höheren Chip-Erwartungswert als ein Fold – gegen eine Calling-Range von 20% ist ein Push langfristig 1.200 Chips besser als ein Fold. Das sind über 10% unseres Stacks.
2. Das Turnier ist noch recht weit von den Geldrängen weg und eine Vergrößerung des Stacks um im Schnitt 10%, entspricht auch einer fast um 10% erhöhten erwarteten Auszahlung.
3. Es handelt sich schon um eine sehr profitable Situation. Dass sich in den nächsten Händen eine noch profitablere Situation einstellt, ist eher unwahrscheinlich. So liegt zum Beispiel die Wahrscheinlichkeit über die nächsten sieben Hände keine Hand aus den Top-15% zu bekommen bei fast 35%. Und selbst wenn man eine bessere Hand bekommt, ist keineswegs sicher, dass man damit automatisch vor einer deutlich profitableren Situation steht. Die Wahrscheinlichkeit ein Monster (AQ+, 99+) im nächsten Orbit zu bekommen liegt nur bei rund 30%. Dass man dann damit überhaupt gewinnt, ist auch nicht gesagt – mit der Range hat man gegen die Top-20% auch nur 65% Equity. Und sollte man keine spielbare Hand bekommen, steht man am Ende des Orbits mit 9.700 Chips da und muss mit einem M von 4 durch die Blinds.
Heißt zusammenfassend: Ein Fold ist eine wesentlich schlechtere Option als ein All-In.
Wenn Ihr Anmerkungen oder Kritik an der Auflösung habt, lasst uns einen Kommentar zukommen. Ansonsten freuen wir uns auf die Stimmen zu nächsten Hand.
1 Chip-Erwartungswert meint den Erwartungswert in reinen Chip-Gewinnen oder Verlusten ohne Berücksichtigung von ICM oder ähnlichen Faktoren, wie möglichen Gewinnen oder Verlusten in späteren Händen.
2 Das Sklansky-Chubokov-Rankings für Q5s liegt bei 10,2. In der gegeben Hand hat der Protagonist einen Stack von 11 Big Blinds und liegt damit knapp über dem nötigen Maximalwert. Allerdings wird dies mehr als ausgeglichen durch den Fakt, dass in der Hand Antes im Spiel sind.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 11.04.2016.