Diese Nacht schied der letzte verbliebene Europäer im Main-Event, der Tscheche Vojtech Ruzicka, auf spektakuläre Art und Weise aus dem Main-Event aus. Mit Ass-König und ohne Treffer versenkte er seinen Stack, immerhin 54 Big Blinds, in einem immensen Bluff und verlor gegen ein Set fast all seine Chips und schied in der folgenden Hand aus.
Wir wollen uns hier die Hand aus strategischer Sicht anschauen und bewerten, wie gut oder schlecht der Tscheche diese konkrete Hand gespielt hat.
So ist die Hand abgelaufen:
Blinds: 500k / 1.000k, 150k Ante Gordon Vayo (Button, 53.700k): 8s 8cVojtech Ruzicka (SB, 54.650k): As Kd Preflop: Vayo raist auf 2.300k, Ruzicka reraist auf 8.150k, Vayo callt. Flop (18.050k): Qc 8d 3c Ruzicka setzt 6.150k, Vayo callt Turn (30.350k): 7h Ruzicka setzt 11.400k, Vayo callt River (53.150k): 5s Ruzicka geht all-in (27.850k effektiv), Vayo callt Showdown: Vayo gewinnt 108.850k mit einem Set Achten
Preflop
Das Spiel vor dem Flop ergibt sich zwangsläufig aus Karten, die beide Spieler halten. Gordon Vayo hat einen klaren Raise mit Achten vom Button, Vojtech Ruzicka mit Ass-König einen ebenso klaren Reraise.
Die Größe des Reraises des Tschechen kann man diskutieren, sie liegt mit 8 BB definitiv am oberen Ende der Skala. Aber etwas höhere Raises und Reraises als die in den letzten Jahren üblichen Minraises waren Standard an dem Finaltisch dieser WSOP und so ist auch dieser Reraise und der folgende Call zu werten: Standard.
Flop – Ist die C-Bet zu klein?
Vojtech Ruzicka verpasst den Flop, so wie man es mit Ass-König in zwei Dritteln aller Fälle eben tut. Aber das Board ist abgesehen von dem Flush-Draw unkoordiniert und die einzigen Hände, die ihm gefährlich werden können, sind Top-Pair mit Ass-Dame oder König-Dame oder ein Set. Ansonsten hat Ruzicka hier ein herausragendes Bluff-Potential gegen viele Pocket-Pairs und zufällige Kombinationen Vayos, die den Flop verpasst haben.
Ruzicka entscheidet sich, eine vergleichsweise kleine C-Bet abzufeuern und setzt nur rund ein Drittel des Pots. Die Stacks sind vergleichsweise klein (rund 54 BB vor der Hand), der Pot ist groß (18 BB auf dem Flop) und da sind kleine Bets die deutlich bessere Wahl als große Manöver in halber Pot-Größe oder noch mehr.
Ruzicka wählt die kleine Größe in dem Wissen, dass sein Gegenspieler hier mit einer recht weiten Range callen wird. Gordon Vayo hatte in den vorigen Händen dieses Final-Tables aber bereits gezeigt, dass er überaus tight und ein wenig zu passiv agiert. Ruzicka hat hier also keinen verrückten Bluff-Raise zu fürchten. Die kleine Größe der C-Bet wird hier keinen unbegründeten Raise induzieren – Vayo wird callen, wenn er irgendwie mit dem Board verbunden ist, ansonsten seine Hand aufgeben.
Turn – Verpflichtet zur zweiten Salve
Nach Vayos Call fällt eine unbedeutende Sieben auf dem Turn und Vojtech Ruzicka schickt die zweite Drittel-Pot-Salve hinterher.
Der Tscheche hatte sich bereits mit seiner C-Bet auf dem Flop zu der nächsten Salve verpflichtet, denn erst jetzt, da die Bet noch einmal größer wird, kann er bei seinem Gegner die Spreu vom Weizen trennen.
Ruzicka erwartet von dieser Bet, dass sein Gegner all seine schwachen Paar-Hände, eventuelle Floats mit Gutshots oder Backdoor-Draws aufgibt und nur mit starken Paaren weiter callt. Es sind nur sehr wenige Flush-Draws in der Range Gordon Vayos, aber diese würden die Bet auf dem Turn natürlich auch callen.
River – Ein völlig verfehlter Bluff?
Auf dem River liegen 53 BB in der Mitte, die Fünf ist ein völlig unbedeutende Karte und Voytech Ruzicka schiebt für effektiv 28 BB all-in.
Bevor wir der Frage nach der Güte dieses All-Ins auf den Grund gehen, eine kurze ICM-Rechnung.
So verteilten sich die Chipstände und dazugehörigen ICM-Wertigkeiten der Chips im Falle, dass Gordon Vayo auf das All-In foldet:
Spieler | Chips | ICM-Wert |
Qui Nguyen | 96.725.000 | $4.626.000 |
Cliff Josephy | 82.650.000 | $4.325.000 |
Vojtech Ruzicka | 81.850.000 | $4.307.000 |
Michael Ruane | 48.900.000 | $3.374.000 |
Gordon Vayo | 27.850.000 | $2.437.000 |
Und so für den Fall, dass Ruzicka auf dem River aufgibt und die Hand verliert:
Spieler | Chips | ICM-Wert |
Qui Nguyen | 96.725.000 | $4.626.000 |
Cliff Josephy | 82.650.000 | $4.325.000 |
Gordon Vayo | 81.700.000 | $4.303.000 |
Michael Ruane | 48.900.000 | $3.373.000 |
Vojtech Ruzicka | 28.000.000 | $2.445.000 |
Für den (am Ende eingetretenen) Fall, dass Ruzicka all-in geht und verliert beträgt sein ICM-Wert rund $1.935.000 – das Preisgeld für den fünften Platz. Denn Ruzicka bleiben in diesem Fall nur noch ein paar Antes übrig.
Mehr über den Sinn und Unsinn von ICM kann man hier nachlesen: » ICM bei Pokerturnieren für Anfänger erklärt
Fold-Equity und glaubhafte Repräsentation einer starken Hand
Wie oft muss das All-In auf dem River also überhaupt funktionieren, um nach ICM erfolgreich zu sein?
Würfelt man die Zahlen aus den obigen Tabellen zusammen, kommt man auf eine nötige Fold-Equity von rund 21,5 Prozent. Sprich: Wenn Vojtech Ruzicka davon ausgehen kann, dass sein Gegenspieler hier in etwas mehr als einem Fünftel aller Fälle seine Hand entsorgt, ist sein All-In korrekt.
So tight und zurückhaltend wie Godon Vayo in den rund 100 Händen zuvor am Finaltisch gespielt hatte, scheint es nicht unwahrscheinlich, dass er hier eine Menge Hände halten könnte, die er auf das All-In auf dem River foldet. Störrische Paare wie Zehnen oder Buben dürfte er erst jetzt entsorgen, ab und zu landet ein Flush-Draw im Muck und gegeben die Spielweise Vayos und den Fakt, dass auch Ruzicka bislang nicht als irrer Bluffer aufgefallen ist, dürfte Vayo hier wohl auch mit einer Menge Top-Pair-Kombinationen große Bauchschmerzen haben und diese unter Umständen entsorgen.
Ruzicka repräsentiert sehr glaubhaft unter anderem ein Overpair (Asse, Könige) oder ein Set mit Damen oder Achten. Auch wäre es völlig korrekt, mit Händen dieser Stärke die Spielweise Bet-Bet-Push zu wählen, denn sowohl Ruzicka als auch Vayo wissen, dass Vayo zu tight-passiv ist, um auf dem River mit irgendwelchen verpassten Draws Fisimatenten zu machen. Deswegen kann Ruzicka sein All-In sehr gut als Value-All-In verkaufen und sich sicherlich deutlich mehr als die nötigen 21,5 Prozent Fold-Equity ausrechnen.
Ein All-In mit Herz, aber ohne Fortuna
Für den Tschechen war es am Ende nur dumm gelaufen, dass der junge Amerikaner genau eine der wenigen Hände hielt, die dieses All-In ganz ohne Bauchschmerzen callen konnte.
Sieht man die Karten Vayos, mag das All-In nach Selbstmord aussehen, aber den Luxus, die Karten der Spieler zu kennen, hat man eben nur als Zuschauer und aus Ruzickas Perspektive war das All-In auf dem River der richtige Zug – der Zug mit dem man am Ende verdient Weltmeister werden kann. Er hat Herzblut und Mut gezeigt, Gordon Vayo hat gezeigt, dass er Sets treffen kann. Auch das kann am Ende einen Weltmeister ausmachen.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 01.11.2016.