In der Diktion der Pokergeschichte gibt es eine zentrale Figur, die eigenhändig den gesamten Pokerboom ausgelöst haben soll: Chris Moneymaker. Der amerikanische Buchmacher, der 2003 zunächst ein 39-Dollar-Satellite zum Main-Event der WSOP gewann, sich dann gegen hunderte Spieler durchsetzte und 2,5 Millionen Dollar Preisgeld einsackte, gilt als der Katalysator des darauf folgenden Booms.
Hätte 2003 Sam Farha und nicht der Mann mit dem allzu passenden Namen das Main-Event gewonnen, wäre es wohl nie zu dem Pokerboom gekommen, den es danach zu sehen gab.
So zumindest die Geschichtsbücher.
Steve Ruddock widerspricht dieser Diktion in einem sehr guten Artikel über seine 15 Jahre in der Pokerwelt, englisch auf 4flush.com.
Er merkt an, was es alles schon vor Chris Moneymaker und 2003 gab:
– Seit 1998 gibt es Online-Poker
– 1998 kam der Pokerfilm Rounders raus
– Seit Ende der 90’er Jahre gibt es Hole-Card-Kameras
– Im Jahr 2000 schaffte es der Schriftsteller James McManus an den Final-Table des Main-Events und schrieb das hochgelobte Buch Positively fifth street
– Seit 2002 gibt es die 2+2-Foren
Chris Moneymakers Sieg 2003 habe der Lawine nur den letzten Stoß gegeben.
Der Pokerboom und was danach kam und kommen wird
Werfen wir einmal einen kleinen Blick auf die Teilnehmerzahlen des Main-Events der WSOP. Dies die Liste seit 1993:
Jahr | Teilnehmer | Veränderung | Siegprämie | Sieger |
1994 | 268 | – | $1.000.000 | Russ Hamilton (US) |
1995 | 273 | +2% | $1.000.000 | Dan Harrington (US) |
1996 | 295 | +8% | $1.000.000 | Huck Seed (US) |
1997 | 312 | +6% | $1.000.000 | Stu Ungar (US) |
1998 | 350 | +12% | $1.000.000 | Scotty Nguyen (US) |
1999 | 393 | +12% | $1.000.000 | Noel Furlong (IRL) |
2000 | 512 | +30% | $1.500.000 | Chris Ferguson (US) |
2001 | 613 | +20% | $1.500.000 | Juan Carlos Mortensen (ES) |
2002 | 631 | +3% | $2.000.000 | Robert Varkonyi (US) |
2003 | 839 | +33% | $2.500.000 | Chris Moneymaker (US) |
2004 | 2.576 | +207% | $5.000.000 | Greg Raymer (US) |
2005 | 5.619 | +118% | $7.500.000 | Joe Hachem (AU) |
2006 | 8.773 | +56% | $12.000.000 | Jamie Gold (US) |
2007 | 6.358 | -28% | $8.250.000 | Jerry Yang (US) |
2008 | 6.844 | +8% | $9.152.416 | Peter Eastgate (DK) |
2009 | 6.494 | -5% | $8.547.042 | Joe Cada (US) |
2010 | 7.319 | +13% | $8.944.310 | Jonathan Duhamel (CA) |
2011 | 6.865 | -6% | $8.715.638 | Pius Heinz (DE) |
2012 | 6.598 | -4% | $8.531.853 | Greg Merson (US) |
2013 | 6.352 | -4% | $8.361.570 | Ryan Riess (US) |
Tatsächlich hat sich die Teilnehmerzahl im Jahr 2004 mehr als verdreifacht und im Folgejahr nochmals mehr als verdoppelt. In etwa auf diesem Niveau ist die Teilnehmerzahl seit 2007 konstant.
Die Spitze ist allerdings durchschritten und es scheint mehr als fraglich, ob die Rekordteilnehmerzahl von 8.773 Spielern im Jahr 2006 noch einmal übertroffen wird.
Die Seite PokerHistory.eu sammelte von 2002 bis 2013 Daten zum Online-Poker-Spieler-Aufkommen und hier wurde 2010 die Spitze erreicht:
Online-Poker-Traffic seit 2002, Quelle: pokerhistory.euTiefe Einschnitte wie der UIGEA 2006, der Schwarze Freitag 2011 und die Zahlungsunfähigkeit von Full Tilt 2011 haben dem Online-Poker-Business hart gesetzt.
Aber auch das allgemeine Interesse an Poker ist in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen. Google Trends attestiert, dass 2007 die meisten Leute nach “Poker” gesucht haben – inzwischen ist das Suchvolumen zu diesem Begriff um 66 Prozent zurückgegangen:
Wie geht es weiter mit Poker und Online-Poker?
Im Moment konsolidiert sich der Markt noch – die kleinen Anbieter werden von größeren geschluckt, die ganz kleinen ziehen sich zurück und an der Spitze saugt PokerStars knapp zwei Drittel des Online-Poker-Traffics auf.
In der Live-Szene professionalisieren sich die Events und mit den Superhighroller-Turnieren werden die Buy-Ins nach oben inflationsbereinigt.
Poker lebt davon, dass es Spieler gibt, die spielen wollen und es auch können. Nach dem Schwarzen Freitag wurde der gesamte amerikanische Markt (der mit Abstand größte im Online-Poker-Business) vorerst ausgelöscht. Gemessen daran geht es der Branche noch sehr gut. Dieser Markt wird in den nächsten 10 Jahren zwar reguliert zurückkehren, doch wird er auf einer sehr viel kleineren Flamme kochen als zuvor.
Ultimativ steht allerdings zu befürchten, dass zumindest Online-Poker an dem Voranschreiten der Spielqualität von Poker-Bots irgendwann scheitern wird.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 21.02.2014.