Ist Poker rigged, weil ein bekannter Spieler mehrere Turniere gewinnt, weil ein anderer Spieler den medienwirksamsten Upswing seit Monaten hat oder man selbst gefühlt ausschließlich Bad-Beats bekommt?
Mein kurze, aber dafür sehr deutliche Antwort auf die Frage, ob Poker rigged ist, ob krasse Ergebnisse fabriziert sind, ist eindeutig: Nein. Und “Nein” nicht weil ich in diesem Business arbeite und es allein deswegen gegen Rigged-Attacken verteidigen müsste, sondern schlicht weil ich vor längerer Zeit in der Schule Stochastik hatte. Krasse und unwahrscheinliche Ergebnisse sind beim Poker absolut natürlich. Der Grund hierfür ist ein einfacher: Bei der großen Anzahl der aktiven Pokerspieler fallen schon rein statistisch einige Ergebnisse in den Bereich dessen, was nur mit einer verschwindend geringen Wahrscheinlichkeit passieren kann.
Einige Beispiele für irre Ereignisse sollen dies erhellen:
Ist Lotto rigged?
Zuerst ein Beispiel außerhalb der Pokerwelt: Die Wahrscheinlichkeit, den Jackpot beim deutschen 6 aus 49 Lotto zu knacken, liegt bei knapp 1:150.000.000 – dass einem bestimmten Spieler dies gelingt, ist also fast ausgeschlossen. Nichtsdestominder gelingt es beinahe wöchentlich mindestens einem Spieler, 6 Richtige samt Superzahl korrekt zu tippen. Der Grund dafür ist, dass wöchentlich circa 50 Millionen Lottoscheine abgegeben werden und bei dieser Masse an Tipps regelmäßig ein richtiger dabei ist.
Auch beim Lotto gab es schon Mehrfach-Sieger. So schaffte es beispielsweise ein Franzose zunächst 1996 den Jackpot mit umgerechnet knapp 2,9 Millionen Euro zu knacken und wiederholte dieses Ergebnis 2011 und gewann weitere 3 Millionen Euro.
Einige weitere statistische Kuriositäten: In Israel wurden 2012 beim 6 aus 37 Lotto exakt die selben Zahlen innerhalb eines Monats zweimal gezogen. Im Juni 1977 wurden im deutschen Lotto exakt die selben Zahlen gezogen wie in der Vorwoche in den Niederlanden.
Lotto wird von Millionen Spielern in fast allen Ländern der Welt gespielt. Dass sich dabei statistische Ausreißer einstellen, ist über einen längeren Zeitraum praktisch sicher. Und beim Lotto spricht niemand davon, dass es rigged sein könnte.
Ein Spieler gewinnt mehrere Pokerturniere in kurzer Zeit – Rigged?
Viktor BlomViktor “Isildur1” Blom gewann zum Auftakt der diesjährigen Online-Turnier-Serie SCOOP zwei Turniere. Sogleich ging bei einigen ein Aufschrei los – eines der Aushängeschilder von PokerStars hat doppelt gewonnen, das ist doch eine Marketing-Masche!
Aber auch hier ist Blom einfach nur ein statistischer Ausreißer. An den SCOOP- oder auch WCOOP-Turnieren nehmen über 50 namhafte Pros teil und spielen praktisch jedes Turnier mit. Selbst wenn man außen vor lässt, dass viele dieser Pros eine signifikante Edge auf das Feld haben, ist es sehr wahrscheinlich, dass einige dieser Pros eines der über 100 Turniere gewinnen. Mehrfach-Siege und mehrere Final-Tables bekannter Spielers sind ebenfalls aufgrund der Masse an Turnieren und der hohen Zahl namhafter Spieler bei diesen keineswegs unwahrscheinlich.
Das Muster der Mehrfach-Sieger zeigt sich auch bei der WSOP alljährlich. Die letzte WSOP ohne einen mehrfachen Bracelet-Sieger war vor 13 Jahren, 1999. Einen Artikel, der das statistisch analysiert haben wir letztes Jahr gebracht: » Doppelte Bracelet-Sieger: Können oder Glück?
Der Fall !P0krparty¡ – Kann ein Spieler einen so irren Lauf haben?
!P0krparty¡Der Spieler !P0krparty¡ hat innerhalb kurzer Zeit wiederholt aus einer kleinen Bankroll ein kleines Vermögen gemacht. Kann das mit rechten Dingen zugehen? Die Antwort hier ist ebenso: Ja, es kann mit rechten Dingen zugehen und statistisch gesehen, sind solche abenteuerlichen Serien sogar zu erwarten.
Viele Beobachter schauen sich den Lauf von !P0krparty¡ an und stellen fest, dass so krasse Ergebnisse äußerst unwahrscheinlich sind und schließen daraus, dass die Ergebnisse aus Marketing-Gründen fabriziert sein müssen. Bollocks! Während die Annahme, dass so ein Lauf äußerst unwahrscheinlich ist, korrekt ist, ist der Schluss, dies müsse fabriziert sein, aus der Luft gegriffen.
Denn nur weil so ein Lauf für einen einzelnen Spieler unwahrscheinlich ist, heißt das nicht, dass er nicht auftreten kann. Täglich versuchen sich hunderte Spieler online daran, durch aggressives Bankroll-Management in kurzer Zeit die Limits aufzusteigen. Fast alle scheitern über kurz oder lang, weil sie schlicht zu 99% Pleite sind, bevor sie die höheren Limits erreichen. Aber es bleibt eben dieses eine Prozent übrig, welches genügend Glück hat, den Aufstieg in die Highstakes zu schaffen. Dass es nun den spezifischen Spieler !P0krparty¡ erwischt hat, der so viel Glück hatte, ist völlig zufällig. Genauso gut hätte es einen beliebigen anderen Spieler treffen können. Doch deren zahlreiche weniger spannende Geschichten vom gescheiterten Aufstieg bleiben natürlich ungehört.
Wie (un)wahrscheinlich es genau ist, über einen kürzeren Zeitraum absurde Gewinne (oder auch Verluste) einzufahren, kann man sich übrigens mit unserem Varianz-Rechner ansehen. Da sieht man zum Beispiel, dass ein 4 BB-Gewinner über einen Zeitraum von 10.000 Händen auf $5/$10 mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 2,5% einen Gewinn von über $19.000 einfährt (obwohl sein Erwartungswert nur bei $4.000 liegt). Klar, das ist sehr unwahrscheinlich, aber lässt man 40 Spieler antreten, wird es im Schnitt einem gelingen, einen solchen Lauf hinzulegen.
Ist Poker nun rigged oder nicht?
Die Beispiele von krassen Ergebnissen beim Poker zeigen in erster Linie eines auf: statistisch müssen diese mit einer gewissen Regelmäßigkeit vorkommen. Allein auf PokerStars wurden über 80 Milliarden Echtgeld-Hände gespielt und dabei ist mit Sicherheit jede noch so unwahrscheinliche Situation schon aufgetreten. Aus einer wahllosen Anhäufung von Händen oder Ergebnissen, die für sich genommen unwahrscheinlich sein, kann gar nichts geschlossen werden. Die Seite ispokerigged.com hat letztes Jahr mehrere Millionen Hände statistisch untersucht und festgestellt, dass auch bei einer großen Anzahl von Händen keine statistischen Unregelmäßigkeiten auftreten.
Die Schlussfolgerung “unwahrscheinliches Ergebnisse” impliziert “rigged” ist nicht zulässig, da diese unwahrscheinlichen Ergebnisse bislang alle in den statistisch erwartbaren Rahmen fielen (abgesehen vom UB-Superuser-Skandal ). Das heißt nicht, dass Online-Poker nicht doch geriggt sein kann, doch es zeigt, dass es eines anderen Arguments bedarf, um dies nachzuweisen.
Doch bislang konnte ich bei sämtlichen Pokerseiten, die im Moment am Markt sind, keine Indizien finden, die dafür sprechen, dass die Ergebnisse manipuliert werden.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 11.05.2012.