In Teil 1 der wichtigsten Pokertheoreme stellten wir vor einem guten Monat drei Merksätze der Poker-Strategie vor. Hier lassen wir zwei weitere, etwas abseitigere, Theoreme folgen:
Clarkmeister Theorem
Satz: Ist man auf dem River Heads-Up und es kommt es kommt eine vierte gleichfarbige Karte, sollte man immer setzen.
Das Clarkmeister Theorem ist sehr viel weniger ein Theorem als ein konkrete Handlungsanweisung. Der Autor dieser Anweisung, Clarkmeister, beschrieb diese wie folgt:
1. Du hast keine Position
2. Du bist Heads-Up
3. Eine vierte Flush-Karte kommt auf dem River
Sind alle drei Kriterien erfüllt solltest du in 100% der Fälle setzen.
Die Überlegung dahinter ist folgende: Entweder man hat einen guten Flush und bringt eine Value-Bet oder (und das ist wesentlich häufiger der Fall) man hat keinen Flush und blufft, wobei ein Bluff eine außerordentlich hohe Erfolgswahrscheinlichkeit hat.
Ursprünglich galt dies bei Limit-Hold'em, wo eine River-Bet nur einen kleinen Bruchteil des Pots ausmacht und ein Bluff entsprechend auch nur sehr selten funktionieren muss. Allerdings hat die Clarkmeister Anweisung auch bei No-Limit noch bestand. Ein Beispiel:
Wir haben Q♥ J♥ und callen einen Preflop-Raise vom eher tighten Button im Big Blind. Auf dem A♠ T♥ 9♠ 7♠ Bord check-callen wir zwei moderate Bets auf Flop und Turn. River: 3♠ . Wenn wir auf diese Art und Weise auf diesem River ankommen, sollten wir auf jeden Fall bluffen.
Wir repräsentieren extrem glaubhaft einen guten bis sehr Flush (etwa könnten wir [Ax]Q♠ oder K♠ T♠ halten) und wenn unser tighter Gegner nicht selbst einen Flush hat, wird er fast sicher folden. Seine wahrscheinlichsten Hände sind Ass-König oder Ass-Dame – die Wahrscheinlichkeit, dass er damit einen Flush hat, liegt bei unter 30% – ein Bluff in Höhe von zwei Dritteln des Pottes wäre langfristig also auf jeden Fall profitabel.
Am besten funktioniert die Clarkmeister Anweisung gegen halbwegs tighte, nicht über alle Maßen kreativen Gegner. Massen-Multitablende Regs sind ein hervorragendes Ziel. Es dürfte zwar eher selten sein, dass man überhaupt ohne Position und ohne Initiative auf einem 4-Flush-River ankommt, aber wenn dies denn mal passiert, sollte man immer prüfen, ob ein Bluff nicht ein sehr glaubhafter Spielzug ist und langfristig mehr bringt als verschüchterter Check.
Aejones Theorem
» Aejones Thereom
Satz: Niemand hat jemals eine starke Hand.
Dieses Theorem klingt jetzt erst einmal ein wenig absurd und diesen Satz Poker Theorem zu nennen, wird der Definition des Wortes Theorem auch überhaupt nicht gerecht, aber im mindesten im übertragenen Sinne (und ein paar Einschränkungen) ist diese Aussage korrekt und hilfreich.
Das "Theorem" stammt von Aaron "Aejones" Jones aus dem Jahre 2007 – einer Zeit als im Online-Poker super-aggressives Spiel langsam massentauglich wurde und viele Spieler einsahen, dass LAG-Spiel (also loose-aggressives Spiel) deutlich profitabler ist, als 08/15-TAG-genitte.
Was allerdings die meisten Spieler damals nicht verstanden hatten und viele heute auch noch nicht begreifen, ist, dass es einen fundamentalen Unterschied zwischen gutem und schlechtem LAG-Spiel gibt.
Intelligentes loose-aggressives Spiel ist etwas anderes als Bet-Bet-Bet und der vagen Hoffnung, der Gegner wird schon irgendwann auf dem Weg zum River folden, wenn man die Knöpfe nur fest genug drückt oder die Chips hart genug in die Mitte schleudert.
Genau dies greift das Aejones Theorem ab. Wieder ein Beispiel: Ein Spieler, der auf einem J♥ 5♠ 3♠ K♦ 8♠ –Board drei große Salven abfeuert, hat sehr wahrscheinlich nicht das, was er repräsentiert. Er repräsentiert ja ohnehin verschiedene Hände: Auf dem Flop und Turn eine Hand der Kategorie Top-Pair / Overpair, auf dem River einen Flush. Weit wahrscheinlicher ist es, dass er eine Hand wie 7♥ 6♥ hat, also einen nackten Bluff. Dies gilt umso mehr wenn der Gegner aggressiv ist und noch deutlicher, wenn es ein schlechter aggressiver Spieler ist.
Das Aejones Theorem ist die überspitzte Folgerung daraus, dass in einer loose-aggressiven Spielumgebung die relative Stärke von Händen anders bewertet werden muss als in einer tight-konservativen Umgebung.
Um beim obigen Beispiel zu bleiben: Gegen einen schlechten, aggressiven Spieler sind 10 10 (schwächer als Second-Pair) und T♠ 9♠ (mäßiger Flush) fast gleichwertig. So ein Spieler kommt nicht auf die Idee, mit Top-Pair eine dünne Value-Bet zu bringen und es fällt ihm wahrscheinlich auch nicht ein, eine Hand wie Ass-Bube in einen Bluff zu verwandeln. Nein, wenn so ein Spieler hier drei Salven bis zum River abfeuert, hat dieser entweder ein Monster oder heiße Luft.
Und die Monster sind beim (aggressiven) Poker so selten, dass das Aejones Theorem eben zu dem Schluss kommt: Niemand hat jemals eine starke Hand.
Tauscht man hier nun das Wort Niemand gegen schlechte, aggressive Spieler aus, dann stimmt dieses Theorem sogar – wenn man weiß, dass jemals heißt: in 70 bis 90 Prozent aller Fälle.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 11.04.2016.