Der neue Entwurf des Glücksspielstaatsvertrages der 15 Bundesländer hat aus Brüssel eine schallende Ohrfeige bekommen. Die EU-Kommission hat den Entwurf in einem Brief scharf kritisiert, die geplanten Regelungen seien mit EU-Recht unvereinbar. Man habe die Kritik des vergangenen Jahres aus Brüssel unbeachtet gelassen. Sollte der Vertrag in der jetzigen Form in Kraft treten, hat die Kommission sogar ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland in Aussicht gestellt.
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Die Vorgeschichte
Bekanntlich hat Schleswig-Holstein Ende letzten Jahres im Alleingang eine Liberalisierung des Online-Glücksspielmarktes per Gesetz beschlossen, auch Online-Poker ist damit seit März 2012 mit entsprechender Lizenz legal. Derweil haben die anderen 15 Bundesländer unter der Regie von Kurt Beck einen neuen Glücksspielstaatsvertrag präsentiert, der aber nur unwesentlich von der vorherigen Rechtslage abweicht und Online-Glücksspiel – also auch Online-Poker – weiterhin verbietet.
Die Prüfung durch die EU
Der neue Glücksspielstaatsvertrag der übrigen 15 Bundesländer – kurz GlüStV – muss vor seinem Inkraftreten noch eine Art TÜV durch die EU bestehen. Die Länderchefs hatten sich selbst verpflichtet, dass der Vertrag nur dann Geltung erlangt, sollte die EU grünes Licht geben. Mit dem vorliegenden Brief ist dies mit Sicherheit nicht passiert, die renommierte Anwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer sprach in einer Stellungnahme von “dunkelorangen Licht”. Schon am 18. Juli 2011 hatte die Kommission den Vorgänger des neuen Vertragsentwurfs kritisiert.
Wie recht leicht vorherzusehen war, ist der Vertrag jetzt mit Pauken und Trompeten durchgefallen, in dem Brief bezeichnete die Kommission den Vertrag in seiner bestehenden Form als gescheitert. Der für Wirtschaft zuständige Kommissar äußerte sich dahingehend, dass damit “das Ende der Fahnenstange für die Glücksspielgesetzgebung in ihrer jetzigen Form” erreicht sei. Bemerkenswert scharf ist, dass die Kommission sogar die Möglichkeit, ein formelles Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland durchzuführen, betont.
Die Kritik im Einzelnen
Vor allem hat die Kommission herausgearbeitet, dass alle Restriktionen, die Online-Gambling betreffen, letztlich geeignet sein müssen, dem Zweck des Gesetzes zu dienen und verhältnismäßig sein müssen. Gerade die Erhöhung der geplanten Lizenzen von 7 auf 20 bleibe weiterhin willkürlich, die geplanten Besteuerungen der Spieleinsätze und die Begrenzung der Spieleinsätze auf 1.000 Euro pro Monat würden es international tätigen Unternehmen nicht erlauben, konkurrenzfähig zu sein.
Auch das umständliche Lizensierungsverfahren erschwere den privaten Anbietern gegenüber den staatlichen Anbietern wesentlich den Zugang zum Markt. Dies alles stehe zur Erreichung des Gesetzeszwecks – dem Schutz der Spieler vor den Gefahren des Glücksspiels, Schutz vor Betrug und Kontrolle des Marktes – in keinem Verhältnis.
Wieder besteht der Vertragsentwurf den so genannten “Scheinheiligkeitstest” nicht. Aus dem Brief kann man deutlich die Ansicht der Kommission herauslesen, dass es den Ländern in Wirklichkeit nur darum geht, das staatliche Monopol zugunsten der Staatskasse zu erhalten und den Markt künstlich abzuschirmen.
Online-Poker
Das absolute Verbot von Online-Glücksspielen bzw. Online-Poker war durch die Länder mit den Gefahren der Spielsucht, der leicht möglichen Geldwäsche und wegen der angeblich leichten Manipulation der Spiele gerechtfertigt worden. Hier bemängelte die Kommission, dass die Länder für diese Gefahren keinerlei Beweise erbracht hätten, hier hätten in Deutschland flächendeckend Daten erhoben werden müssen. Fraglich seien somit vor allem die Geeignetheit und die Verhältnismäßigkeit eines Totalverbots.
Ursprünglich war geplant, nur den Anbietern eine Online-Glücksspiellizenz zu gewähren, die über reale Casinos auf deutschen Boden verfügen. Diese Regelung wurde im neuen Entwurf zugunsten des Totalverbots gekippt.
Fazit
Das Ganze ist starker Tobak, insgeheim hatten die Länderchefs wohl nicht mit einer solch heftigen Schelle gerechnet. Bleibt zu hoffen, dass sich die Länder an ihre eigene Verpflichtung, den Vertrag nur bei grünem Licht aus Brüssel zu implementieren, halten werden. Der Brief aus Brüssel stärkt dem Land Schleswig-Holstein den Rücken und bringt Deutschland der flächendeckenden Legalisierung von Online-Poker ein gutes Stück näher.
Die 15 Länderchefs müssen sich dringendst zusammensetzen und über eine vernünftige Gesetzgebung im Bereich Online-Gambling nachdenken. Wieder einmal.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 20.03.2012.