Nachdem ich letzte Woche die beste Pokerhand aller Zeiten preisgegeben habe, möchte ich Ihnen heute meinen Lieblingswitz erzählen.
Ende der 20er Jahre war die SA bereits formiert und uniformiert, aber nur selten kam es zu öffentlichen Gewalttätigkeiten. Ein SA-Mann stellt sich auf der Straße einem bekannten jüdischen Schriftsteller in den Weg und spuckt ihm mit den Worten: „Der Auswurf des Aufwurfs!“ vor die Füße. Der Jude spuckt seinerseits dem SA-Mann vor die Füße und sagt: „Den Auswurf dem Auswurf!“
Wer den Witz verstanden hat- bitte weiterlesen
Wer den Witz nicht verstanden hat- bitte noch mal lesen
Wer den Witz nicht verstehen will- bitte lieber die Bild Zeitung lesen
JUHUH! Das macht dem jüdischen Autor Spaß, auch mal eine Selektion durchführen zu können.
Zu Recht fragen Sie Sich nun, was das in aller Welt mit Poker zu tun hat?
Moooment, es kommt noch schlimmer!
Die Aufmerksameren unter Ihnen haben sicher den literarischen Hintergrund schon erkannt, aus dem ich meine, manchmal zugegebenermaßen sehr plakative, Sprache schöpfe. Richtig. Es sind Comics. Die Micky Maus Zeiten sind schon lange vergessen, denn heute darf’s ein bisschen provokanter sein. Gern lese ich auch heute noch manchmal Sachen wie Mad, U-Comix oder Werner.
Die Geschichten der Werner Comics sind in Schleswig-Holstein angesiedelt. Der Protagonist schafft es, durch geniale Sprachkondensation, oft auch komplizierte Sachverhalte, schlüssig und einprägsam zu vermitteln. Der Ausdruck unterster Geringschätzung, mit dem ein männlicher Gegenpart belegt werden kann, ist FLACHWICHSER.
Hier wird nicht auf die Topographie Norddeutschlands angespielt. Auch nicht auf den Bodenabstand oder den Winkel in Relation zu besagter Tätigkeit. Nein, es geht hier um die Intensität und Hingabe mit der man sich den Dingen, die einen interessieren, widmet. Wer das nicht schafft, dessen Leben bleibt flach.
Der SA-Mann, der seine rassische Überlegenheit demonstrieren will, aber seine Muttersprache nicht beherrscht, ist ein FLACHDENKER. Wer sich um die Materie nicht bemüht, die einem am Herzen liegt, dem fehlt Durchdringung, Tiefe und letztlich auch Erkenntnis.
So, und schon sind wir beim Thema: Flachdenken beim Pokern.
Oft sehe ich Spielzüge, die ich nicht nachvollziehen kann. Ich frage mich dann: Was hat der sich dabei gedacht? Welche abstruse Überlegung kann dahinterstecken? Wie kann man denn all diese offensichtlichen Informationen so falsch verarbeiten?
Die Antwort ist meist erschreckend einfach. Hier ist ein Flachdenker am Werk. Autopilot einschalten und ab geht die wilde Fahrt. Dagegen ist auch nichts zu sagen, wenn der Betreffende Unterhaltungsspieler ist, der keinen Gewinnanspruch erhebt. Nur meistens sind diese Leute auch noch von der Qualität ihres Spiels überzeugt.
Tappen Sie nicht in diese Falle. Wer gut Pokern will, muss konsistent gute Entscheidungen treffen. Sich am Tisch zu behaupten, öfter richtig als falsch zu liegen, gelingt nur, wenn man jede Situation so gut wie möglich erfassen kann. Das erfordert nicht nur Übung, sondern auch die Bereitschaft, sich zurückzunehmen und eigene Spielzüge kühl zu analysieren. Das sollte man in der Nachbetrachtung tun. Machen Sie es sich zur Gewohnheit, alle Hände, die Ihnen in der Sitzung Probleme bereitet haben, noch mal, zuhause in Ruhe, im Kopf nachzuspielen. Haben Sie das Gefühl, da hat Sie ein Gegner ausgespielt? Warum? Denken Sie darüber nach! Nehmen Sie nichts als gegeben hin. Erst wenn Sie ein Problem verarbeitet haben sind Sie für die nächste Denkstufe bereit. Nur der stetige Wechsel zwischen Theorie, Praxis und Analyse wird Sie zu einem besseren Pokerspieler machen.
Wer flach denkt, kann nicht hoch gewinnen.
Phillip Marmorstein
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Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 19.11.2007.