Trotz jahrelanger Meditation am Pokertisch und mühsam anerzogener Dickfelligkeit kommt es immer wieder zu grausamen Situationen, in denen mitteilungsbedürftige Zeitgenossen versuchen, mich an den Rand des Wahnsinns bringen. Die Einleitung ist weitgehend ritualisiert und hört sich meistens ungefähr so an: „Stell dir vor, was mir gerade passiert ist ….“ Sie haben’s erraten – Die Bad Beat Story!
Unsäglich langweilig, da schon 1000000000000000000000000000000000 mal gehört, und unvorstellbar anstrengend, da der Erzähler ungeteilte Aufmerksamkeit, gefolgt von pflichtschuldiger Anteilnahme, erwartet.
SCHLUSS DAMIT
Ich werde Ihnen die beste Pokerhand / Bad Beat Story aller Zeiten erzählen. Und dann will ich nichts mehr hören. Nie mehr! Klar?
Außer, Sie haben eine bessere Geschichte. Da bin ich dann ganz Ohr.
Aber ich glaube nicht, dass das möglich ist. Völlig ausgeschlossen. Dessen bin ich mir so sicher, dass ich demjenigen der hier auf PokerOlymp eine Pokerhand innerhalb der nächsten 14 Tage veröffentlicht, die mir besser gefällt als die untenstehende
1 Million Euroschenke!
Falls das keinem gelingt, darf der Autor der besten (also praktisch der zweitbesten je auf PokerOlymp veröffentlichten) Hand, über 2 Stunden meiner Zeit verfügen. Kaffeeklatsch, Kneipenbesuch oder vielleicht sogar Pokerunterricht. Alles geht.
Also hier kommt sie: Die beste Pokerhand aller Zeiten
Während der Turnierfestivals im Victoria Casino in London, kurz “The Vic”, wird in den Cashgames nicht nur höher gespielt als sonst, die höhere Spieleranzahl erlaubt es auch, Pokerarten anzubieten, die normal nicht gespielt werden. So spielten wir £1000 Buy-in Dealers-Choice. Dabei wählt der Inhaber des Dealer-Buttons aus circa 8 Varianten diejenige aus, die er spielen will. Wir spielten mit Ante, was bedeutet, dass jeder Spieler der Karten wollte, £10 Einsatz bringen musste. Nach der Ausgabe musste, beginnend mit Position 1, jeder seine Karten entsorgen oder für das Minimum von £25 eröffnen. Der Maximaleinsatz war die Pothöhe.
Wir hatten bereits eine Weile gespielt, als der Button 4-Card Irish annoncierte. Diese Variante, auch als Crazy Pineapple bekannt, ist eine Hold’em Variante, bei der man 4 Karten bekommt, nach der Setzrunde am Flop 2 davon abgeben muss und dann die Hand mit den verbliebenen 2 Karten, wie normales Hold’em, fertig spielt. Die Partie war recht lebhaft (sonst hätte ich wohl den Tisch schon verlassen)und 8-händig. Hier nun der Spielablauf
Position 1 – eröffnet mit £ 25
Position 2 – call£ 25
Position 3– raise Pot£ 180
Position 3 spielt einen recht offenen Stil, er kann also alles mögliche haben
Position 4 – ichfold
Position 5 – reraise Pot£ 670
Position 5 ist Ali Sarkeshik, ein Londoner Stammspieler, mit dem mich ein freundschaftliches Verhältnis verbindet. Ich bin mir sicher, dass er in den Jahren 1998 – 2002 mehr Zeit mit mir am Pokertisch verbracht hat, als mit seiner Frau zuhause. Sohn aus begütertem iranischem Haus, kam er nach England, um Physik zu studieren. Nach abgeschlossenem Studium versuchte er sich im Immobilienhandel, um schließlich beim Pokern zu landen. Unbestätigt ist die Aussage seines Vaters, der den Karrierewechsel von Ali begrüßte, da er beim Pokern deutlich weniger als im Immobilienhandel verlöre.Der Reraise hier muss eine solide Hand bedeuten. Tatsächlich hat Ali hier K – K – 4 – 5 zweifarbig.
Position 6 – fold
Position 7 – fold
Position 8 – rereraise All-in£ 850
Position 8 ist Mel Judah, ein weitgereister Weltklassespieler, 2 WSOP Bracelets und insgesamt über $3.000.000 Turnier-Gewinnsumme. In Turnieren ist er zu jedem extravagantem Spielzug fähig, im Cashgame fehlt ihm jegliche Phantasie und mir leider die Worte, um seinen Stil zu beschreiben. Granit, Stahlbeton, Titanium, Diamant, meine Ex-Frau, na ja auf jeden Fall extrem hart und trocken.
Der Rereraise hier kann nur eine Hand bedeuten: ASSE. Tatsächlich wäre ich zu diesem Zeitpunkt bereit gewesen 20 Jahre meines Lebens gegen einen Monat zu wetten, dass Mel hier Asse hält.
Position 1 – fold
Position 2 – fold
Position 3 – fold
Zurück zu Ali. Er muss nur noch £180 nachbezahlen für die Chance, einen £2.010 Pot zu gewinnen. Also klare Sache:
Position 5 – call
Nun kommt der Flop:A – K – 2 dreifarbig
An diesem Punkt zeigt mir Ali seine Hand. Er muss nun 2 Karten ablegen und nach kurzem Geziere trennt er sich von den Königen. Eine korrekte Entscheidung, denn nun kann er mit 4 Dreiern gewinnen, anderenfalls hat er nur einen König als Gewinnkarte.
Mel trennt sich locker von 2 Karten. Sein Gesichtsausdruck ähnelt dem eines Katers, nachdem er die Maus gefangen hat.
Jetzt sind alle Entscheidungen getroffen, alle relevanten Denkprozesse eingeflossen. Beachten Sie bitte, dass Ali und Mel hier absolut fehlerfrei gespielt haben.
Nun kommt der Turn:3
Straße!!! Es gibt für mich als Pokerpro nur wenige Dinge, die schöner sind, als die Belohnung der guten Tat. Durch intelligentes Spiel am Flop hat Ali seine Gewinnprozente von 4,5 auf 15 angehoben. Wie viele von Ihnen, seien Sie ruhig mal ehrlich, hätten Drilling König zu Gunsten von 5 hoch weggeschmissen. Das fällt schwer, doch es hat sich ausgezahlt.
Ich genieße die Gerechtigkeit dieses Ablaufs und freue mich mit Ali.
Nun kommt der River:K
Mel gewinnt mit Full-House Ass gegen Alis Straße. Hätte er die Könige behalten, dann würde er mit Poker König gewonnen haben.
Es gibt für mich als Pokerpro nur wenige Dinge, die schöner sind, als der kompromisslose Ablauf einer Abfolge, die an Spannung, Ästhetik und Drama kaum zu überbieten ist. Das kommt im Leben oft vor, ist, in dieser Reinheit, am Pokertisch leider nur selten zu sehen.
Und jetzt kommen Sie! Erzählen Sie Ihre Story!
Phillip Marmorstein
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Einsendeschluss ist der 26. November 2007, 23:59 Uhr;Der Rechtsweg ist ausgeschlossen\'
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 12.11.2007.