Schon wieder erreicht uns eine Horrornachricht aus dem Klüngel um den neuen Glücksspielstaatsvertrag. Internet-Aktivisten warnen vor den unangenehmen Folgen, die der neue Entwurf des Vertrages, der Anfang 2012 in Kraft treten soll, haben könnte. Sie leiten aus bestimmten Passagen ab, dass der Staat den Zugang zu vielen Online-Glücksspiel- und Wettseiten sperren könnte.
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Konkret geht es um folgenden Passus aus dem Entwurf des Vertrages, der der dpa vorliegt:
“§9 Die zuständige Behörde des jeweiligen Landes kann… Dienstanbietern im Sinne des Telemediengesetzes, insbesondere Zugangsprovidern und Registraren, nach vorheriger Bekanntgabe unerlaubter Glücksspielangebote die Mitwirkung am Zugang zu den unerlaubten Glücksspielangeboten untersagen. Das Grundrecht des Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt. Hierdurch sind Telekommunikationsvorgänge im Sinne des § 88 Abs. 3 Satz 3 des Telekommunikationsgesetzes betroffen.”
Nach Informationen von stern.de hat der Chaos Computer Club (CCC) und der Internetrechts-Experte Udo Vetter moniert, dass der Staat bei Inkrafttreten dieser Passage das Recht hätte, Glücksspielangebote – und dazu gehört auch Online-Poker – weitgehend zu sperren. Dies werde durch entsprechende Anweisungen der staatlichen Stellen an die Provider realisiert.
Bereits vor einigen Monaten gab es deutschlandweit eine heftige Diskussion um Netzsperren im Bereich der Kinderpornographie. Auch hier wurde der Bundesregierung von vielen Experten vorgeworfen, eine staatliche Internet-Zensur zu betreiben, die so nicht zulässig ist. Zudem seien die geplanten Sperren technisch nur sehr schwer zu realisieren.
Sollte das Thema breit in der Öffentlichkeit diskutiert werden, ist zu erwarten, dass die Stimmung gereizt wird und die Ministerpräsidenten viel Gegenwind erfahren werden. Viele haben nach dem gescheiterten Vorstoss von Ursula von der Leyen, die in Hackerkreisen den Spitznamen “Zensursula” trägt, bereits jetzt schon genug von den planlosen Versuchen, die Freiheit des Internets zu beschränken. Dass der Staat jetzt auch noch im Online-Glücksspiel-Bereich derartige Massnahmen plant, zeugt nach Ansicht vieler Experten zudem von einem völligen Unverständnis der Materie und der Internet-User.
Sollte der Entwurf wie geplant in Kraft treten, gibt es auch keine schnelle Abhilfe dagegen. Wie Udo Vetter im Lawblog korrekt anmerkt, haben “Widerspruch und Klage gegen diese Anordnungen keine aufschiebende Wirkung”. Das heisst, dass die Sperren sofort wirksam werden und erst dann wieder aufgehoben werden, wenn ein Gericht sie für unzulässig erklärt und die Aufhebung anordnet. Und das kann dauern.
Udo Vettel schreibt weiter, dass der Vertrag nicht nur die Zuständigkeit auf die 16 (!) Bundesländer verteilt, sondern auch vorsieht, den Banken die Auszahlung von Gewinnen im Glücksspiel- und Wettbereich zu untersagen. Bleibt zu hoffen, dass die Ministerpräsidenten zur Besinnung kommen und Änderungen noch am geplanten Entwurf vornehmen werden.
Bereits letzte Woche wurde bekannt, dass es bezüglich der Sportwetten eine Einigung gibt und die soll so aussehen, dass sieben Lizenzen für die nächsten fünf Jahre an private Sportwettenanbieter vergeben werden. Allerdings soll – und das ist die bittere Pille – die Konzessionsabgabe satte 16,66 Prozent des Spieleinsatzes betragen.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 12.04.2011.