Sowohl live als auch online spiele ich regelmäßig No-Limit-Cashgames. Live spiele ich allerdings wesentlich lieber, weil die Spieler dort meistens leichter zu durchschauen sind. Es ist allerdings nicht so, dass ich mit magischen Kräften jedes gegnerische Zwinkern und Zucken entschlüsseln könnte. Physische Tells sind bisweilen hilfreich, aber viel wichtiger sind die Setzmuster. Live-Spieler neigen dazu, sich regelmäßig einer bestimmten Palette von Spielzügen zu bedienen, durch die sie wesentlich leichter zu durchschauen sind. Diese Spieler sind nicht zwangsläufig schlecht, sondern einfach zu durchsichtig, solange sie niemand auf ihr Problem hinweist. Dazu zwei Beispiele von verbreiteten Spielzügen, mit denen meine Gegner mir die Möglichkeit geben, in Vorteil zu kommen.
Call mit AK
Viele Live-Spieler, vor allem in Partien mit niedrigen Einsätzen wie 1 $/2 $ und 2 $/5 $ callen vor dem Flop mit AK lieber, anstatt zu raisen. Manche callen fast immer mit AK und manche wechseln mit Reraises und Call ab. Calls mit AK haben einige Vorteile. Zunächst hält man den Pot klein und kann manchmal auf Flops wie Qx Tx 5x profitabler fortsetzen. Auf diesen Flop können Sie sich in Bezug auf die Qualität Ihrer Hand im Niemandsland befinden, weil die Hand zu gut für einen Fold, aber zu schlecht für ein All-In ist.
In einem kleineren Pot haben Sie mit AK mehr Flexibilität und außerdem verschleiern Sie Ihr Spiel zusätzlich, wenn Sie nur callen. Ein Spieler mit AT, AJ oder AQ wird wesentlich bereitwilliger auf einem Flop mit einem Ass um den gesamten Stack spielen, wenn sein Gegner nur gecallt und nicht geraist hat.
Dennoch gibt es einen großen Nachteil, wenn man mit AK ständig callt. Ihr Spektrum für einen Reraise vor dem Flop wird völlig unausgewogen. Reraisen Sie mit AK nicht (und vermutlich auch nicht mit AQ und noch schwächeren Händen), kann Ihr Gegner bei einem Reraise von Ihnen immer davon ausgehen, dass Sie ein hohes Paar haben. Sie geben also viel zu viele Informationen über Ihre Hand preis. Weiß ich, dass ein Spieler mit AK callt, und zudem, dass er so gut wie nie mit 87s als Bluff reraist, kann ich gegen seine Preflop-Reraises nahezu perfekt spielen und seinen Assen und Königen immer aus dem Weg gehen. Das ist ein riesiges Problem für ihn, da AA und KK normalerweise die mit Abstand profitabelsten Hände sind.
Das andere Problem bei Calls mit AK ist, dass Reraisen auf lange Sicht deutlich profitabler ist. Man landet zwar in vielen unerfreulich großen Pots mit einem Ass als höchste Karte, doch wird man mit Top Pair auch häufig mit einem ganzen Stack ausbezahlt. Im Durchschnitt gewinnen Sie mehr Geld, wenn Sie mit AK vor dem Flop reraisen, und als Bonus verschleiern Sie Ihre Reraises mit AA und KK.
Gelegentlich ist ein Call mit AK ein guter Spielzug, aber meistens nicht. Sofern Sie keinen sehr guten Grund haben, anders zu handeln, sollten Sie reraisen.
Call auf dem Flop mit einem Draw
Vielleicht fragen Sie sich, was daran falsch sein soll, mit einem Draw auf dem Flop zu callen. Nichts ist daran falsch, solange Ihre Gesamtstrategie ausgewogen ist. Viele Spieler machen sich über die ausgewogene Gestaltung ihres Spiels aber keine Gedanken und sind letzten Endes sehr leicht durchschaubar. Dazu ein Beispiel, wie ich die Spielweise von Draw-Callern ausnutze:
Eine Partie mit Blinds von 2 $/5 $ und Stacks mit 500 $. Ein looser Spieler limpt und ich raise vom Cut-Off mit 2 2 auf 25 $. Die Blinds folden und der Limper callt. Auf dem Flop kommen J 9 5 . Mein Gegner checkt und ich setze 40 $. Er callt. Auf dem Turn kommt die 4 und mein Gegner checkt wieder.
In dieser Situation kann ich 80 bis 100 $ setzen und davon ausgehen, dass mein Gegner fast immer folden wird. Warum?
Loose Spieler limpen mit allen möglichen Händen. Mein Gegner kann Hände wie Q8, T7 und 86 haben, mit denen er auf diesem Flop Gutshots getroffen hat. Oder er hat eine Hand wie 85 und 97, mit denen er ein schwaches Paar bekommen hat. Da so viele Hände irgendetwas vom Flop erwischt haben können, spricht nach seinem Call viel mehr dafür, dass er einen Draw oder ein schwaches Paar hat, als einen Buben oder eine richtig starke Hand. Die Karte auf dem Turn vervollständigt nur wenige Draws und daher kann ich bei einer Bet darauf vertrauen, dass mein Gegner in der Regel aufgeben wird.Wie sollte mein Gegner sein Spiel umstellen, um zu verhindern, dass ich Pots wie diese auf dem Turn so leicht gewinnen kann? Er sollte drei Anpassungen vornehmen:
1. Er sollte seine schwächsten Draws folden. Einige Spieler callen auf dem Flop ohne Position, obwohl sie nur einen Backdoor Draw haben. Es ist besser, diese Hände direkt zu folden.
2. Manchmal sollte er mit Draws auf dem Flop aggressiv vorgehen. Mit einer Hand wie KT sollte mein Gegner auf einem Flop wie J95 gelegentlich setzen oder checkraisen. Mit Aggressivität kann er den Pot eventuell direkt gewinnen und er verschleiert die Fälle, in denen er mit J9 oder 55 eine sehr starke Hand gefloppt hat.
3. Er sollte auf dem Flop gelegentlich mit der Absicht callen, auf dem Turn mit starken Händen und Draws zu checkraisen. Diese Setzfolge sollte man zwar nicht übertreiben, aber wenn sie funktioniert, führt sie zu maximalem Gewinn.
Mit Draws auf dem Flop zu checken und zu callen, ist absolut in Ordnung. Diese Spielweise ist sogar in Ordnung, wenn man auf dem Turn ohne Verbesserung der Hand foldet. Doch wenn Sie auf keinen Fall leicht zu durchschauen sein wollen, müssen Sie Ihre passiven Spielzüge mit aggressiven verteidigen. Wechseln Sie bei Ihren Draws mit Bets, Calls und Check-Raises auf Flop und Turn ab, werden Sie ein wesentlich gefährlicherer Gegner sein.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 20.03.2010.