Es besteht kein Zweifel, dass zwischen Live- und Online-Poker erhebliche Unterschiede existieren. Selbst wenn die Regeln exakt die selben sind, ist das Spielempfinden für jeden einzelnen Spieler oft ein ganz Anderes. Dabei kennen viele Spieler überhaupt nur eine der beiden Varianten. Denn nicht selten wirkt die jeweils andere Variante fremd und bedrohlich.
Auf der einen Seite ist die Unsicherheit, die einen Online-Spieler beim ersten Besuch in einem Casino befällt: Erfülle die Kleiderordnung? Wo melde ich mich an? Wo bekomme ich die Spielchips? Wie verhalte ich mich am Tisch? Können die anderen Spieler mir in die Seele schauen? Und wo ist denn hier der Fold-Button?Auf der anderen Seite steht die Angst des Live-Spielers im Internet betrogen und abgezockt zu werden.Ich will ein paar der Ängste nehmen und im folgenden Artikel die Unterschiede zwischen den Spielarten herausstellen.
Der wichtigste Unterschied zuerst:Online Poker kann man zu jeder Zeit an jedem Ort spielen, vorausgesetzt man hat einen funktionierenden Internetanschluss natürlich. Live-Poker ist hingegen immer an bestimmte Orte (Casinos, Cardrooms etc…) gebunden und oft gibt es, wie in den staatlichen Spielbanken Deutschlands, feste Öffnungszeiten, die nur wenige als großzügig bezeichnen würden. Dabei ist man beim Online-Spielen alleine vor seinem Rechner, während man sich am Live-Poker-Tisch Auge in Auge mit seinen Kontrahenten gegenüber sitzt.
Ein weiterer großer Unterschied, den viele erfahrene Spieler als Erstes nennen würden, liegt in der Anzahl der gespielten Hände. An einem Live-Poker-Tisch werden oftmals nicht mehr als 30 Hände pro Stunde gespielt. Online können es durchaus über 60 werden – an Tischen mit weniger als 10 Spielern auch noch mehr. Dazu kommt, dass man online sehr einfach mehrere Tische gleichzeitig spielen kann. Das kann soweit gehen, dass Spieler über tausend Hände pro Stunde zu sehen bekommen.
Für Umsteiger von einer Poker-Art auf die andere kann dies in beide Richtungen Probleme bereiten. Online-Spieler die in ein Live-Casino gehen, verlieren oftmals schnell die Geduld und beginnen Hände zu spielen, die sie normalerweise snap-folden würden. Live-Spieler hingegen sind oftmals schnell überfordert mit der hohen Geschwindigkeit von Online-Spielen. Neben der Geschwindigkeit unterscheiden sich auch die Kosten der beiden Poker-Arten stark.
Sowohl live als auch online wird dem Pot nach jeder Hand ein Hausanteil (Rake) entnommen. Online haben sich etwa 5% des Pots bis zu einem Maximum von 3$ für die meisten Pokerräume als der übliche Standard etabliert. In den Live-Cardrooms dieser Welt gibt es einen solchen Standard noch nicht. Von 10% ohne Begrenzung bis zu “5€ bei 100€ im Pot, mehr nicht” gibt es alles. Manche Casinos verzichten sogar ganz auf die Rake und nehmen stattdessen eine zeitbasierte Gebühr, z.B. 5$ pro 30 Minuten.
Während man Online bedenkenlos bezüglich der Rake auf allen renommierten Seiten spielen kann, sollte man sich Live vorher genau informieren und die Angebote vergleichen. Dazu kommt, dass in Live-Cardrooms üblicherweise erwartet wird, das man nach einem gewonnenen Pot dem Dealer ein Trinkgeld (Tip) zukommen lässt. Für die meisten Pötte durchschnittlicher Größe empfiehlt es sich einen Betrag in Höhe des Small Blinds direkt aus den Chips im Pot zu geben.
Rechnet man nun noch die Anfahrt und die Verpflegung vor Ort zu den Kosten des Live-Pokerspiels hinzu, dann muss man zu dem Schluss kommen, dass Live-Poker deutlich teurer ist als Online-Poker. Warum spielen die Leute dann überhaupt noch Live? Nun, Live sind einfach deutlich mehr “Fische im Wasser”. Die durchschnittliche Spielstärke ist Online spürbar höher. Oft wird gesagt, dass ein Live-Poker-Spiel mit Blinds von 5€/10€ sich ähnlich spielt wie eine Online Partie mit 0,25$/0,50$.
Ein Hauptgrund dafür sind mangelnde Geduld und Disziplin der meisten Menschen. Zwei Eigenschaften, die ein guter Pokerspieler unbedingt braucht, um auf Dauer erfolgreich sein zu können. Live kommen beide noch viel Stärker zum Tragen, da wie bereits erwähnt, die Geduld durch den langsamen Spielverlauf strapaziert wird und die Spieler in der Regel sehr viel Disziplin brauchen, um zum Beispiel eine aussichtslose Session zu beenden. Während man online mit einem Klick das Fenster schließen kann, fällt es vielen schwer, das Casino schon nach kurzer Zeit zu verlassen und den Heimweg anzutreten. Insbesondere wenn der Weg zur Kasse bzw. zum EC-Automaten doch soviel kürzer ist und man ja auch grade erst ein Getränk bestellt hat.
Ein weiterer Grund, warum Live Spiele so profitabel sein können, sind körperliche Tells, die von vielen schlechten Spielern ausgesandt werden, die aufmerksamen Spielern dabei helfen, bessere Entscheidungen zu treffen und ihren Gewinn dadurch zu erhöhen.
Auch sind Online die Buy-In Beträge in der Regel auf 100 Big-Blinds pro Tisch “gecappt”. Live gibt es oft kein Maximum für das Buy-In und so kann man richtiges Deep-Stack-Poker spielen, was wiederum den guten Spielern einen Vorteil verschafft.
Auch wenn man Live also sehr viel weniger Hände spielt und diese in der Regel auch noch teurer bezahlt als online, ist in vielen Fällen die Gewinnerwartung pro Hand so viel höher, dass diese Nachteile zumindest teilweise, wenn nicht gar vollständig ausgeglichen werden.
Als Fazit lässt sich schließen, dass Online Poker häufig vor allem wegen der Verfügbarkeit praktischer ist als Live-Poker, während letzteres durchaus profitabler sein kann und zumindest dem Autor dieses Artikels aufgrund der zwischenmenschlichen Interaktion auch deutlich mehr Spaß macht. Denn nicht Vieles ist schöner als dem Gegner mit breitem Grinsen einen geglückten Bluff zu zeigen und dabei genüsslich mit beiden Händen seinen frisch gewonnen Chips-Haufen zu einzustreichen, oder?
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 14.04.2009.