Pokerspieler hassen es, geblufft zu werden. Wird man geblufft, dann hat man einen Fehler gemacht, und niemand macht gerne Fehler. Es ist aber mehr als das: Viele Spieler hassen schon den Gedanken daran, geblufft zu werden. Sie nehmen es persönlich, als Angriff auf ihr Ego. Sie ärgern sich viel mehr darüber, geblufft zu werden, als über eine schlechte Bet, einen schlechten Call oder einen schlechten Check ihrerseits, die die gleiche Equity kosten wie der schlechte Fold.
Das macht nüchtern betrachtet keinen Sinn. Denken wir einmal darüber nach, was es bedeutet, geblufft zu werden, und was es wirklich kostet. Außerdem kann man sein Spiel verbessern, indem man ganzheitlich über seine Strategie nachdenkt, und wie sie durch Bluffs ausgenutzt werden könnte.
Wieviel kosten Bluffs?
Bluffs scheinen einen den Pot zu kosten, den man andernfalls gewonnen hätte. Ganz so einfach ist es aber nicht.
Nehmen wir an, Sie halten QJo auf einem Flop Jc8c7h. Ihr Gegner setzt $6 in den Pot von $8, Sie raisen auf $20 und er geht mit $100 all-in. Nach langem Überlegen folden Sie, und er zeigt Ac6c, während er Ihre Chips einsammelt. Sie wurden geblufft. Es hat Sie aber nicht den gesamten Pot gekostet. Ein Call wäre $80 teuer gewesen bei einer Wahrscheinlichkeit von 53%, den Pot von $208 zu gewinnen. Der Profit hätte bei durchschnittlich $31,25 gelegen. Der Bluff kostete Sie also $31,25, nicht annähernd die gesamten $128, die sich schon im Pot befanden.
Das ist aber nicht alles. Ohne besonderen Tell gab es keine Möglichkeit zu wissen, dass Ihr Gegner einen Flushdraw hielt. Sets, Overpairs oder Top Pairs mit besserem Kicker hätte er vermutlich genauso gespielt. Gegen eine Range {JJ+,88, 77,AJs,Ac6c,KJs,QJs,JTs,AJo,KJo,QJo,JTo} besitzt QJ eine Equity von weniger als 27%. Ihr Fold sparte in Wahrheit fast $25.
Diese Betrachtungsweise gilt auch auf dem River. Wenn man die gesamte Range des Gegners in betracht zieht statt nur die zwei Karten, die er nach Ihrem Fold zeigt, dann erkennt man, dass ein Fold auf einen gelegentlichen Bluff nicht den gesamten Pot kostet. In Wirklichkeit spart der Fold sogar Geld.
Um bei Poker Gewinn zu machen, muss man die Tatsache akzeptieren, dass man hin und wieder geblufft wird. Foldet man nie, dann wird man nie einen Gewinner folden, aber selbst auch nie ein Gewinner sein. Der Trick dabei ist es, den Gegner nicht völlig vom Bluffen abzuhalten, aber Situationen zu vermeiden, in denen man zu leicht aus dem Pot geblufft werden kann oder die Drohung eines Bluffs dazu führt, dass Sie schlecht spielen.
Schlechte Verteidigungen
Die offensichtliche Verteidigung gegen einen Bluff ist ein Call. Das funktioniert gegen Gegner, die zu oft bluffen, ist aber leicht auszunutzen. Ihr Gegner muss bloß aufhören zu bluffen.
Calls sind besonders vor dem River eine schlechte Verteidigung, da man auf späteren Straßen mit weiteren Bets konfrontiert werden kann. Selbst wenn man einen Bluff auf dem Flop korrekt gecallt hat, wird man möglicherweise auf dem Turn oder River aus dem Pot geblufft. Oder, der Gegner trifft seinen Draw und Sie zahlen seine Valuebet aus. Selbst wenn der Bluff die Hand nicht sofort gewinnt, kann er dabei helfen, den Gegner später in der Hand in eine ungünstige Lage zu bringen.
Eine andere relativ schwache Verteidigung ist eine Blocking Bet, d. h. eine kleine Bet in der Hoffnung, Ihren Gegner davon abzuhalten, eine große Bet zu machen. Auch das ist leicht auszunutzen. Ein Gegner, der die Blocking Bet als solche erkennt, kann als Bluff raisen. Da er auch die meisten seiner besseren Hände raist, können Sie nicht viel dagegen tun. Der Bluff hat Sie eine weitere Bet gekostet.
Selbst wenn Ihr Gegner nicht als Bluff raist, wird Ihre Blocking Bet Sie normalerweise den Betrag der Bet kosten. Sie wird nur von besseren Händen gecallt. Das mag weniger teuer sein, als geblufft zu werden. Wäre es nicht aber besser, eine günstigere und effektivere Verteidigung zu finden?
Die Range ausbalancieren
Um die wahren Kosten eines Folds festzustellen, müssen Sie die gesamte gegnerische Range berücksichtigen. Und Sie müssen über Ihre Range nachdenken. Ihr Gegner weiß nicht, dass Sie bloß Top Pair mit schwachem Kicker halten. Auch er muss seine Entscheidung auf Basis einer Range von Händen treffen, die Sie halten könnten. Fragen Sie sich, wie Ihre eigene Range aussieht. Halten Sie eine der stärksten oder eine der schwächsten Hände, die Sie so spielen würden? Es ist in Ordnung, von den schwächsten Händen aus seiner Range geblufft zu werden. Kompensiert werden Sie, wenn Sie beim nächsten mal eine stärkere Hand halten und Ihr Gegner den gleichen Bluff versucht.
Kehren wir zum obigen Beispiel zurück, in dem Sie an einem Call mit QJ auf einem Board Jc8c7h überlegten. Betrachten Sie die Situation aus der Perspektive Ihres Gegners. Hat er Grund zur Annahme, dass Sie folden werden? Solange er Sie nicht für einen chronischen Slowplayer hält, muss er davon ausgehen, dass Sie eine Straße, zwei Paare, ein Set oder ein Overpair halten können. QJ ist wahrscheinlich eine der schwächsten Hände, die Sie halten können. Ein Fold von QJ ist nicht auszunutzen. Geht Ihr Gegner oft ohne gute Hand all-in, dann wird er früher oder später dafür bezahlen. Ihr Raise auf dem Flop weist oft genug auf eine starke Hand hin, die gerne ein All-in callt.
Betrachten wir eine andere Situation, in der mehrere Spieler aus Furcht davor geblufft zu werden, schlecht spielen. Der Button eröffnet mit einem Raise in Höhe des Pots auf $7, Sie reraisen aus dem SB mit KK auf $23, und er callt. „Jedesmal“ seufzen Sie, als der Flop AQ9 bringt.
Einige Spieler werden an dieser Stelle ausbetten, auch wenn Sie nicht davon ausgehen können, dass bessere Hände folden oder schlechtere Hände callen werden. Sie fürchten, ein Check läd zu seiner Reihe von Bluffs ein, die sie nicht callen können.
Das sieht nach einer Situation aus, in der Sie nicht viel gewinnen können. Sie werden kaum einen großen Pot gewinnen, wenn Sie mit KK 3-betten und ein Ass floppt.
Andererseits ist das die falsche Frage. Man sollte sich nicht fragen: „Wie spiele ich KK in einem 3-Bet-Pot, wenn ein Ass floppt?“ Man sollte sich stattdessen fragen: “Wie spiele ich meine Range, wenn in einem 3-Bet-Pot ein Ass floppt?“ Die Frage nach der Spielweise mit KK ist nur ein Teil des großen Ganzen. Betrachten Sie Ihre Strategie ganzheitlich.
Nehmen wir an, Ihre Range für eine 3-Bet ist AT+, TT+ und einige schwächere Hände wie Suited Connectors. Sie müssen eine balancierte Strategie entwickeln, alle diese Hände zu spielen.
Da Sie auf dem Flop als erster an der Reihe sind, haben Sie folgende Optionen: Bet, Check und Call oder Raise, oder Check und Fold. Haben Sie nichts, also z. B. Suited Connectors, die den Flop nicht getroffen haben, dann werden Sie betten wollen, um ein Ass zu repräsentieren und mit einem Bluff den Pot zu gewinnen. Daraus folgt, dass Sie auch mit einigen starken Händen betten müssen, damit Ihr Bluff glaubwürdig ist. AK, AQ und QQ sind alle stark genug, um gute Kandidaten dafür darzustellen. Eine Bet mit diesen Händen baut einen Pot auf und schützt Ihre Bluffs.
Auch AA ist natürlich eine sehr starke Hand, aber vielleicht etwas zu stark. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Ihr Gegner eine Hand hält, mit der er auf diesem Flop weiterspielen kann. Mit Top Set sollten Sie also vielleicht slowspielen und checken.
Mit welchen anderen Händen sollten Sie checken? AT, AJ und KK sind starke Hände, wenn Sie aber damit betten, dann werden Sie kaum Action von schlechteren Händen bekommen. Es sind gute Kandidaten für einen Check, um einen Bluff zu provozieren. Ihr Gegner wird aber nicht bluffen, solange Sie nicht auch mit schwächeren Händen checken. Checken Sie also auch mit TT und JJ in der Absicht, auf eine Bet zu folden. Bei zwei Overcards sind diese beiden Hände nicht mehr viel wert. Das beste, worauf Sie hoffen können, ist dass bis zum River gecheckt wird und Sie einen günstigen Showdown sehen.
So weit, so gut. Es gibt aber noch ein anderes Problem. Auf dem Flop checken und callen Sie eine Bet mit KK, da sich KK in der Mitte Ihrer Range befindet. Was aber machen Sie auf dem Turn? Jetzt ist KK die schwächste Hand in Ihrer Range. Bettet Ihr Gegner erneut, können Sie folden. Es kann sein, dass er blufft. Das würde er aber in den Fällen bereuen, in denen Sie AT oder AJ halten oder mit AA checkraisen.
Eine solche Strategie schützt nicht nur Ihre schwächeren Hände, sondern bringt auch Ihren stärkeren Händen Action. Wenn Sie nichts halten, betten Sie als Bluff. Das kann Ihr Gegner aber nicht durch einen Call oder einen Raise mit Nichts ausnutzen, da Sie auch mit sehr starken Händen betten. Sie checken mit KK in der Absicht, die Hand später zu folden. Ihr Gegner kann das aber nicht durch einen Bluff über mehrere Straßen ausnutzen, da Sie manchmal Top Pair oder sogar Top Set halten, und ihn weiter callen oder raisen werden.
Schlussbemerkung
Wichtig hierbei ist nicht, die Details dieser konkreten Strategie in 3-Bet-Pots auswendig zu lernen. Stattdessen sollten Sie verstehen, wie diese Strategie entwickelt wurde, wie sie balanciert ist und wie sie davor schützt, durch Bluffs ausgenutzt zu werden. Sie werden weiterhin hin und wieder geblufft werden. Es sollte Sie aber trösten, dass es Sie nicht viel kostet. Und beim nächsten Mal werden Sie eine gute Hand halten, mit der Sie zuletzt lachen.
Andrew Brokos
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 27.08.2008.