Sicher haben Sie schon oft gehört, dass der Schlüssel zu erfolgreichem Poker darin besteht, nie zu callen. Raisen oder Folden heißt das Motto und wenn man nicht raisen kann, wirft man sein Blatt weg.
Dieser Ratschlag ist vielleicht für einen Gelegenheitsspieler hilfreich, der noch nicht erkannt hat, welche Wirkung Aggressivität haben kann. Meines Erachtens greift dieser Ratschlag aber zu kurz und gilt für viele Situationen überhaupt nicht.
Häufig ist ein Call gar nicht so schlecht. Dies gilt vor allem in Position, wenn Sie und Ihr Gegner noch viel Geld haben. Die Möglichkeit abzuwarten ist eine sehr schlagkräftige, positionelle Waffe, die Ihnen entgeht, wenn Sie allzu eifrig Ihr Geld in die Mitte bringen.
Nehmen wir zum Beispiel an, Sie haben in einer Partie mit Blinds von 2 $/5 $ im Cut-Off Qx Jx und 500 Dollar. Einige Spieler limpen und Sie raisen auf 25 $. Alle folden bis zum Big Blind, der genauso callt wie einer der Limper. Drei Spieler befinden sich in diesem Pot mit 82 $.
Auf dem Flop kommen Qx Tx 7x , davon zwei Karten in Kreuz. Der Big Blind checkt und der Limper setzt 45 $. Sie sind am Zug. Der Limper ist ein aggressiver, aber kein verrückter Spieler. Er setzt mit Flush Draws, Straight Draws, Top Pair und vielleicht sogar einem schwächeren Paar, aber auch mit Händen wie Two Pair oder einem Set. Was sollten Sie tun?
Ich würde stark einen Call in Betracht ziehen. Ihr ordentliches Top Pair reicht vermutlich nicht aus, um profitabel um einen ganzen Stack zu spielen und nach einem Raise wäre der Pot so groß, dass Sie nach der nächsten Bet Pot-Committed sind.
Wenn Sie callen, der Big Blind raist und der Limper All-In geht, können Sie problemlos folden. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass der Big Blind foldet und Sie auf dem Turn im Heads-Up spielen, was ebenfalls gut ist. Kommt auf dem Turn eine günstige Karte, wie etwa eine Vier in einer anderen Farbe als Kreuz, können Sie nach einem Check Ihres Gegners eine Value Bet bringen. Nach einer ungünstigen Karte, wie dem A , können Sie nach einer hohen Bet Ihres Gegners folden. Kommt eine günstige Karte und Ihr Gegner setzt trotzdem, müssen Sie eine Entscheidung treffen. Mit einem Call bleiben Sie in der Hand und können weitere Informationen sammeln, bevor Sie Ihren gesamten Stack riskieren. Das verdanken Sie der Position.
Immer wenn Sie Position haben und noch viel Geld zum Setzen übrig ist, befinden Sie sich in einer flexiblen Lage. Manchmal ist es gut, Ihre Gegner im Unklaren zu lassen
Bei Limit Hold’em steht im Zentrum der Strategie, Ihre Hand zu schützen. Mit Top Pair auf dem Flop sollten Sie fast immer raisen, wenn ein Gegner setzt. Ein Ziel besteht darin, den Pot mit der besten Hand aufzubauen, aber ein weiteres wichtiges Ziel ist, Ihre Hand bzw. den Pot zu schützen. Da der Pot (ca. 8 oder 10 Bets) in der Regel in Relation zum Raise (eine Bet) groß ist, lohnt sich in einer unklaren Situation häufig ein zusätzlicher Raise, um Ihre Gegner zum Folden zu verleiten und Ihre Gewinnchancen zu verbessern. Werden Sie gereraist, kostet Sie dies nur eine zusätzliche Bet, die in Relation zum Pot keinen besonders hohen Verlust darstellt.
Gute Limit Hold’em-Spieler haben einen Raise-Reflex auf dem Flop entwickelt. Sie haben gelernt, mit Top Pair, Draws, Middle Pair, manchmal Overcards und sogar noch schlechteren Händen zu raisen. Da der Pot im Verhältnis zum Raise so groß ist, handelt es sich um die richtige Spielweise.
Bei No-Limit müssen Sie sich diesen Reflex jedoch abgewöhnen und einige aggressive Spielzüge überdenken. Manchmal ist der Pot auch dort in Relation zu den Einsätzen groß (in der Regel wenn mit kleinen Stacks gespielt wird oder schon vor dem Flop viel Geld in die Mitte wanderte), wonach es meist am besten ist, All-In zu gehen und auf einen günstigen Ausgang zu hoffen. Aber wenn der Pot klein ist (insbesondere wenn vor dem Flop nur gelimpt wurde) und die Stacks groß sind, empfiehlt sich aufgrund des Chance-Risiko-Verhältnisses nicht mehr, mit zügelloser Aggressivität vorzugehen. Floppen Sie Top Pair und stürzen sich kopfüber in eine Schlacht mit Raises und Reraises, können Sie gut und gerne einen Haufen Geld in einem Pot verlieren, der sich zu Beginn nur auf einige Chips belief. Das ist nicht gut.
In einem kleinen Pot lohnt es sich nicht sonderlich, Ihre Hand (eigentlich den Pot) zu schützen, da es nicht viel zu schützen gibt. Verpassen Sie einen Raise und jemand überholt Sie noch, ist dies nicht sonderlich schlimm – zumindest nicht, wenn Sie folden, bevor Sie einen großen Teil Ihres Stacks einbüßen. Mit anderen Worten haben Sie zwei Hauptziele, wenn Sie in einem kleinen Pot Top Pair floppen: Sie wollen Geld von schlechteren Händen gewinnen und den Verlust eines großen Pots vermeiden. Der Verlust eines kleinen Pots ist nicht schlimm und der Schutz Ihrer Hand nur von untergeordneter Bedeutung.
Häufig besteht die beste Methode, beide Ziele zu erreichen, darin, auf dem Flop mit einem Call behutsam vorzugehen. Mit Position haben Sie immer die letzte Option, noch eine Value Bet zu bringen und den Pot zu vergrößern. Außerdem verhindern Sie mit einem Call eine exzessive Setzfolge und halten den Pot in einer Größe, die der Stärke Ihrer Hand entspricht.
Selbst wenn noch mehrere Spieler nach Ihnen am Zug sind, kann ein Call der beste Spielzug sein. Noch einmal: Der Schutz Ihrer Hand ist nicht annähernd so dringend wie bei Limit Hold’em. Überholt Sie jemand, ist dies nicht sonderlich schlimm, solange der Pot klein ist. Sie wollen keine großen Pots verlieren und die Wahrscheinlichkeit steigt enorm, wenn Sie durch einen Raise einen großen Pot aufbauen.
Natürlich sollten Sie mit Top Pair auch gelegentlich raisen. Gegen einen loose-aggressiven Spieler oder einen loosen und durchschaubaren Spieler ist die Gefahr, einen großen Pot zu verlieren, nicht so groß (weil der aggressive Spieler mit schlechteren Händen einen großen Pot aufbaut und weil der loose und durchschaubare Spieler ohne ein Monster keinen Angriff auf den Pot wagt). Aber ein Raise ist keinesfalls zwingend und häufig ist es am besten, zu callen und danach weiterzusehen. Folden alle anderen Gegner und Ihr letzter Kontrahent checkt auf dem Turn, können Sie Ihre Value Bets auf Turn und River bringen. Kommt es jedoch zu einer Raise-Schlacht können Sie beruhigt im Wissen folden, dass Ihre Position Ihnen gemeinsam mit Ihrer Abwartehaltung eine größere Summe gespart hat.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 24.06.2009.