Vielleicht, weil er Schwäche spürt oder seinen Verstand verloren hat, bringt Ihr Gegner einen riesigen Einsatz und fordert Sie zu einem Call auf. Hat er tatsächlich die Hand, die er vorgibt, sind Sie zerstört. Sie haben aber das Gefühl, irgendetwas stimme nicht und kommen zu dem Schluss, dass dies zutreffen muss. Sie werden Widerstand leisten. Direkt nachdem Sie Ihren Call angekündigt haben, schüttelt Ihr Gegner den Kopf, sagt, „Du hast gewonnen“ und schmeißt seine Karten weg.
Einen großen Bluff zu entlarven ist äußerst befriedigend und bei manchen Spielern geht das soweit, dass sie förmlich süchtig danach sind. Anstatt ihren Gegnern einen starke Hand zuzutrauen und zu folden, fangen sie nach einer großen Bet an nachzudenken. „Vielleicht ist dies auch ein Bluff. Vielleicht kann ich ihn entlarven. Das wäre doch großartig.“ Und dann überreden sie sich zu einem Call.
Gelegentlich entlarven diese Spieler einen Bluff, aber viel öfter rennen sie in die Hand, die ihr Gegner vermutlich haben muss. Auf Dauer gleichen die gewonnen Pots die verlorenen Einsätze nicht aus. Diese Spieler verwandeln sich in eine Kreditkarte für ihre Gegner, indem sie Hand um Hand ausbezahlen.
Sie müssen jedoch nicht das selbe Schicksal erleiden. Es gibt eine Technik, Bluffs zu erkennen. Sie müssen nicht zufällig Einsätze callen oder darauf warten, dass Sie ein sicheres Gefühl haben. Einen Großteil der verbreitetsten Bluffs können Sie entlarven, indem Sie deduktiv schlussfolgern.
Entscheidend beim Entlarven von Bluffs ist die Betrachtung der gegnerischen Einsätze während der gesamten Hand und die Berücksichtigung aller legitimen Blätter, die auf diese Weise gespielt werden konnten. Wenn eine bestimmte Anzahl von absolut plausiblen Händen für die gegnerische Spielweise Sinn ergibt, hat der Kontrahent vermutlich eines dieser Blätter und blufft folglich nicht.
Wenn er aber angeblich eine Hand hat, mit der die Einsätze auf Flop und Turn nachvollziehbar waren, aber auf dem River nicht mehr, ist eine Bet in der letzten Setzrunde eventuell ein Bluff. Ein Bluff kommt vor allem dann in Frage, wenn der Flop mehrere Draws ermöglichte und keiner davon auf dem River ankam. Wenn die Anzahl legitimer, starker Hände gering, aber die Anzahl schwacher Hände, die möglicherweise im Pot geblieben sind, groß ist, besteht eine recht große Wahrscheinlichkeit, dass Ihr Gegner genau eine solche schwache Hand hat.
Schauen wir uns zwei Beispiele an. Sie und Ihr Gegner beginnen jede Hand mit 500 $ bei Blinds von 2 $/5 $. Ich verrate Ihnen Ihre Hand nicht, da dies keine Rolle spielt. Nehmen wir an, Sie hätten zumindest ein Paar, und könnten darauf vertrauen, Ihren Gegner bei einem Bluff zu schlagen, wenn Sie callen.
Ihr Gegner raist vier Plätze vor dem Button auf 20 $. Der Button callt und Sie callen im Big Blind. Auf dem Flop kommen Q 8 6 . Sie checken, der Preflop-Raiser setzt 50 $ in den Pot mit 62 $, der Button foldet und Sie callen. Auf dem Turn kommt der J . Sie checken und Ihr Gegner setzt 80 $ in den Pot mit 162 $. Sie callen. Auf dem River kommt die 4 . Sie checken und Ihr Gegner setzt 140 $ in den Pot mit 322 $.
Ihr Gegner raiste vor dem Flop, setzte auf dem Flop in zwei Spieler hinein und setzte auf dem Turn und River erneut. Auf dem Flop begann er mit einer Bet, die fast Potgröße betrug und ließ auf dem Turn einen Einsatz in halber Potgröße folgen. Auf dem River setzte er schließlich etwas weniger als halbe Potgröße. Auf dem River gibt es keinen möglichen Flush, aber zwei Straights sind denkbar: Tx 9x und 7x 5x . Unterm Strich ist das Board jedoch recht ungefährlich für eine Hand wie ein Paar Asse, Two Pair oder ein Set.
Offensichtlich versucht Ihr Gegner, mit einer fertigen Hand ausbezahlt zu werden. Auf dem Turn und River hat er nicht sonderlich viel gesetzt, um Sie nicht zu vertreiben. Mit welchen Händen spielt man so? Nun, je nach Spielstil würde Ihr Gegner vermutlich mit einer Hand wie Ax Qx oder stärker so spielen. Könige oder Asse passen genauso zu seiner Spielweise wie Damen, Achten oder Sechsen, mit denen er ein Set gefloppt hätte. Ebenfalls möglich sind Buben (Set auf dem Turn) oder Qx Jx (Two Pair auf dem Turn). Selbst Tx 9x ergäbe bei einem aggressiven Gegner Sinn. Alle diese Hände sind plausibel und passen perfekt zur gegnerischen Spielweise. Vermutlich hat er eine dieser Hände. Seien Sie kein Held, sondern folden Sie.
Schauen wir uns nun eine weitere Hand an. Zwei Spieler limpen und Sie raisen im Big Blind auf 30 $. Der erste Limper callt und der zweite foldet. Auf dem Flop kommen T♥ 7 4 . Sie setzten 45 $ in den Pot mit 67 $ und Ihr Gegner callt. Auf dem Turn kommt die 8 . Sie checken und Ihr Gegner checkt ebenfalls. Auf dem River kommt die 2 . Sie checken und Ihr Gegner setzt 140 $ in den Pot mit 157 $.
Mit welcher Hand bringt Ihr Gegner eine solch hohe Bet auf dem River? In der Regel weist eine hohe Bet wie diese auf eine Hand hin, die mindestens die Qualität von Two Pair aufweist. Vermutlich würde Ihr Gegner mit Tx 8x , jedem Set und den Straights mit Jx 9x , 9x 6x und 6x 5x eine solch hohe Bet bringen.
Wie aber passt der gegnerische Check auf dem Turn ins Bild? Alle starken Hände wurden bereits auf dem Turn vervollständigt und sind gegen zwei mögliche Flush Draws auf dem Board anfällig. Außerdem sind alle Sets und Two Pairs verwundbar, wenn ein Bube, eine Neun, eine Sechs oder eine Fünf kommt, da diese Karten allesamt vier Karten zu einer Straight auf das Board bringen. Man kann also davon ausgehen, dass die meisten Spieler mit einer der genannten Hände auf dem Turn setzen und nicht checken würden.
Es gibt deshalb einen Widerspruch. Ihr Gegner repräsentiert auf dem River eine starke Hand, mit der er aber auf dem Turn vermutlich gesetzt hätte. Außerdem ergibt es durchaus Sinn, dass Ihr Gegner mit einer schwachen Hand setzt. Ein geplatzter Flush Draw ist möglich oder sogar eine Hand wie Ax Jx . Die Hand, die Ihr Gegner repräsentiert, passt also nicht zu all seinen Aktionen und er könnte eine Vielzahl von schwachen Händen haben, mit denen er sich zu einem Bluff entschlossen hat. Dies ist eine vernünftige Gelegenheit, um einen Bluff zu entlarven.
Es gibt allerdings keine Garantie. Manchmal callen Sie und Ihr Gegner zeigt ein Set Zweien. Ein anderes Mal stellen Sie fest, dass Ihr Gegner aus unerfindlichen Gründen eine der genannten starken Hände auf dem Turn gecheckt hat. Wenn Sie aber annehmen, dass Ihr Gegner gerne blufft und ihn dabei erwischen wollen, stehen Ihre Chancen in der zweiten Hand deutlich besser als in der ersten. Falls Sie diesen deduktiven Prozess verstehen und anwenden, werden Sie langfristig ein deutlich besseres Gespür für gegnerische Bluffs bekommen.