Kürzlich spielte ich in einer ziemlich loosen Live-Partie No-Limit Hold’em mit Blinds von 2 $/5 $. Ein Spieler in erster Position mit einem Stack von 300 $ limpte. Zwei Plätze vor dem Button erhöhte ich auf 20 $ mit A K . Der Button, der einen Stack von 325 $ hatte, reraiste auf 75 $. Er war ein unscheinbarer, aber etwas looser Spieler. Der Limper dachte einen Moment nach und callte dann. Ich hatte mehr Geld vor mir als diese beiden Spieler.
1. Wie sollte ich reagieren? Sollte ich folden, callen, ein wenig erhöhen oder All-In gehen?2. Wie sieht mein Plan für die restliche Hand aus (falls ich einen benötige)?
Versuchen Sie, diese Fragen selbst zu beantworten, bevor Sie mit der Lektüre fortfahren.
Nun erzähle ich Ihnen, was ich gemacht habe.
Ich ging mit meinen gesamten 325 $ All-In, brachte also einen Raise in Potgröße von 250 $. Der Reraiser foldete recht rasch, während sich der Limper/Cold-Caller etwas zierte, aber schlussendlich ein Paar Damen offen wegwarf.
Warum ging ich All-In? Wegen der Fold Equity. Ich habe meine Hand in einen Semi-Bluff verwandelt. Wenn meine Gegner Phil Gordons „Little Green Book“ gelesen haben, mussten Sie in der Tat annehmen, dass ich fast sicher ein Paar Asse hatte. Aus diesem Grund kann ich davon ausgehen, dass viele Spieler sehr gute Hände folden, inklusive ein Paar Damen.
Normalerweise callt jemand mit einem Paar Damen oder einer noch schwächeren Hand. Dann kommt der Aspekt des Semi-Bluffs ins Spiel, da man gegen diese Hände weiterhin solide Equity hat. (In Wirklichkeit würde ich sogar ein All-In callen, sofern ich wüsste, dass mein Gegner ein Paar Damen oder etwas Schlechteres hat, weil meine Equity gegen diese Hände so groß ist.)
Als ich am Zug war, befanden sich etwa 177 $ im Pot. Mit meinem All-In riskierte ich weitere 280 $ gegen den Spieler mit 300 $, und weitere 300 $ gegen den Spieler mit 325 $.
Meines Erachtens ist es ziemlich unwahrscheinlich, dass der ursprüngliche Limper Asse oder Könige hat. Er hat zwei Gelegenheiten für einen Raise verstreichen lassen und nach meiner Erfahrung raist solch ein Spieler entweder direkt oder er bringt einen Limp-Reraise. Die Art, wie er über seinen Cold-Call nachdachte, verstärkte meinen Verdacht, da es so aussah, als sei er wegen der Action beunruhigt, während ich kein Anzeichen erkennen konnte, dass er Stärke verbergen wollte. Meiner Meinung nach hatte er am wahrscheinlichsten ein Paar Damen oder ein niedrigeres Paar. Vielleicht hatte er auch ungepaarte Karten wie J 10 und brachte einfach einen Call.
Natürlich konnte der Reraiser Asse oder Könige haben, aber selbst wenn ich ihm ein recht tightes Handspektrum von 9x 9x bis Ax Ax und Ax Kx attestiere, werde ich nur in recht wenigen Fällen dominiert (in diesem Fall in 15 Prozent). Reraist er looser (und das war zu diesem Zeitpunkt mein Eindruck), sinkt die Wahrscheinlichkeit weiter, dass ich in Schwierigkeiten bin.
Aus diesem Grund glaube ich, dass ich meistens (zumindest in etwa 75 Prozent der Fälle) nicht mit Assen oder Königen konfrontiert bin. Mein Semi-Bluff ist sehr profitabel, da ich 280 $ riskiere, um 177 $ zu gewinnen, und gleichzeitig etwa 50 Prozent Equity habe, wenn ich gecallt werde. Gegen ein Paar Könige ist meine Lage immer noch brauchbar, da ich ungefähr 30 Prozent Equity und Pot Odds von 1,5 zu 1 habe. Das ist kein ausgeglichenes Verhältnis, federt die Katastrophe aber ein wenig ab.
Ein Call ergibt in dieser Situation aufgrund der Stackgrößen wenig Sinn. Nach einem Call von mir wäre nur noch eine Bet in Potgröße möglich und ich müsste als Erster nach dem Flop agieren. Kommt auf dem Flop ein Ass oder ein König, liege ich zwar vermutlich vorne, aber niedrigere Paare werden vermutlich verscheucht. Kommt auf dem Flop weder ein Ass noch ein König, sind meine Chancen schlechter, aber ich laufe Gefahr, von einer schlechteren Hand aus dem Pot geblufft zu werden. In jedem Fall profitieren meine Gegner mehr davon, den Flop zu sehen, als ich.
Die natürlichste Alternative zu einem All-In ist ein Fold. Hätte der Reraiser ein extrem tightes Handspektrum, wäre ein Fold die optimale Spielweise. Im konkreten Fall erschien mir der Reraiser jedoch recht loose, daher verwarf ich einen Fold.
Die Stackgrößen waren in dieser Hand für ein All-In geradezu ideal. Da nur eine Bet in Potgröße nach dem Flop möglich gewesen wäre, war ein Semi-Bluff mit einem All-In vor dem Flop der natürliche Spielzug. Bei etwas größeren Stacks hätte ich aber vielleicht gefoldet, weil das Risiko bei einem All-In zu groß gewesen wäre. Bei noch größeren Stacks hätte ich allerdings vermutlich gecallt und darauf gehofft, den Flop zu treffen und einen großen Pot zu gewinnen.
Außerdem könnte es sein, dass meine Gegner meine All-Ins vor dem Flop zukünftig häufiger mit niedrigen und mittleren Paaren callen, nachdem Sie gesehen haben, wie ich mit Ax Kx All-In gegangen bin, und ich deshalb mit Assen oder Königen mehr Geld gewinne.
Diese Hand kann man nicht isoliert betrachten, sondern sie beinhaltet ein wichtiges Konzept. Da Ax Kx gegen viele potenzielle Call-Hände gute Equity besitzt, ermöglicht diese Hand vor dem Flop oft einen kraftvollen Semi-Bluff. Haben ein oder zwei Spieler vor dem Flop einen Raise (oder einen Reraise wie in diesem Fall) nur gecallt, sind sie im Allgemeinen geeignete Ziele für einen Semi-Bluff. Wenn Sie das nächste Mal Ax Kx haben, sollten Sie deshalb ein All-In in Betracht ziehen, wenn einige Spieler einen Raise gecallt haben und die Stacks nicht zu groß sind. Von Ihren Ergebnissen könnten Sie durchaus positiv überrascht sein.
Weitere Beispiele zu diesem Konzept finden Sie in meinem (gemeinsam mit David Sklansky verfassten) Buch No-Limit Hold’em: Theorie und Praxis, ab Seite 262.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 09.01.2009.