Das Gaming Institute bietet seit inzwischen neun Jahren Seminare, Trainingscamps und Kurse zu verschiedenen Poker-Themen an. Unter der Leitung von Stephan Kalhamer ist das Gaming Institute seit langer Zeit die bedeutendste Anlaufstelle in Deutschland, wenn ein Pokerspieler Live-Coaching sucht.
Die Trainingscamps werden an Ferienorten, wie auf Mallorca oder Hinterglemm angeboten und verbinden Poker-Coaching und Urlaub. Aber es gibt auch Seminare ohne Urlaub und davon habe ich mir während der WSOPE in Berlin eines angesehen und gehe der Frage nach: Wie gut sind die Seminare vom Gaming Institute?
Eine exklusive Runde
Insgesamt sechs Teilnehmer hat das Seminar angezogen – eine zunächst klein scheinende Zahl, aber schnell stelle ich fest, dass es mit mehr Teilnehmern auch gar nicht funktioniert hätte. So hat das Seminar einen sehr direkten Charakter und für jeden Teilnehmer steht genügend Zeit zur Verfügung, so dass man auf alle Einzelfragen ausführlich eingehen kann.
Wir treffen uns alle in einer großen Suite im Scandic Hotel am Potsdamer Platz. Dort hat das Gaming Institute einen Pokertisch aufgebaut und für alle Spieler und Seminarleiter stehen Chips und Notizbücher bereit.
Es gibt also keinen Frontal-Unterricht, sondern praktisch orientierte Anleitungen zum besseren Pokerspiel. Neben Stephan Kalhamer nimmt Jan Heitmann teil, seines Zeichens Poker-Stars-Pro und einer der erfolgreichsten deutschen Pokerspieler.
Das Seminar beginnt damit, dass Karten gemischt und gegeben werden, dann wird gepokert. Genau eine Hand, dann wird diese von Stephan und Jan analysiert und die Teilnehmer stellen Fragen.
Alle Fragen sind erlaubt und dumme Fragen gibt es nicht, aber man muss hier für keinen Spieler bei Null anfangen. Die Teilnehmer sind fast alle in Berlin, da sie hier einige Turniere bei der WSOPE spielen und das Seminar ist das eintägige Coaching für Zwischendurch.
Niemandem müssen hier Outs und Odds erklärt werden, sondern wir können gleich tiefer einsteigen.
Lektion Nummer 1: Emotionen kontrollieren
Ein Großteil des Seminars besteht darin, konkrete Spielsituationen zu analysieren, aber gleich die erste Lektion, die Stephan Kalhamer den Teilnehmern einbläut, betrifft die Meta-Ebene: Tiltkontrolle ist, so Kalhamer eines der wichtigsten Hilfsmittel ist, um ein erfolgreicher Spieler zu werden.
“Ich investiere freiwillig in ein feindliches Umfeld”, so beschreibt Kalhamer das Mindset, mit dem man als Pokerspieler stets an ein Spiel herangehen sollte. Das “freiwillig” unterstreicht er dabei.
Später erklärt er, dass es normal ist, dass man als besserer Spieler häufiger Bad Beats bekommt als sie selbst verteilt. Denn wenn alle Chips in die Mitte gehen, liegt der bessere Spieler eben häufiger vorne als der schlechte.
Und mehr als das kann man beim Poker nicht machen und erwarten – alle Chips als Favorit in Mitte bekommen. Wer das häufig genug schafft, gewinnt langfristig Geld.
Sowohl Jan Heitmann als auch Stephan Kalhamer kommen mehrfach während des Seminars auf die Tiltkontrolle zurück und unterstreichen wie wichtig es ist, nicht ergebnisorientiert, sondern entscheidungsorientiert zu denken.
Drei Dutzend Handbesprechungen in sechs Stunden
Das Seminar dauert mehr als sechs Stunden, dazu kommen einige Pausen zwischendurch. Innerhalb dieser sechs Stunden spielen wir insgesamt rund drei dutzend Hände.
Alle großen und teilweise auch kleinen Entscheidungen jeder Hand werden von Stephan und Jan ausführlich analysiert, wobei einzelne Hände teilweise weit mehr als 15 Minuten besprochen werden.
Eine Hand sei hier als Beispiel gezeigt:
UTG: 6♣ 6♦
UTG+1: A♥ Q♦
UTG+2: J♣ J♦
UTG raist, UTG+1 callt, UTG+2 reraist, alle anderen Spieler folden und UTG und UTG+1 callen.
Flop: T♣ 5♠ 3♣ : Check, check, bet, fold, fold.
Ein Pot mit Reraise vor dem Flop, Conti-Bet und zwei anschließenden Folds. Das mag auf den ersten Blick ganz gradlinig aussehen, aber diese Hand wird fast eine halbe Stunde besprochen.
Dabei geht Stephan darauf ein, welche Range der Spieler in erster Position hier raist, Jan erklärt, mit welcher Range er in darauffolgender Position reraisen würde, warum der Call von UTG+1 eine sehr dünne Range repräsentiert und wie überaus stark deswegen der erfolgte Reraise von UTG+2 ist.
Es werden mehrere Was-Wäre-Wenn-Szenarien durchgespielt, wie es auf verschiedenen Boards weitergehen könnte und dabei wird auf potentielle Reads eingegangen.
Am Ende hat der Spieler mit den Jacks fast schon Angst, dass er seine Hand überspielt hat. Aber Jan und Stephan können ihn beruhigen, hat er nicht. Aber seine Aktionen waren schon eher dünn.
Konzepte anstatt Einzellösungen
Den Teilnehmern werden allerdings in den besprochenen Situationen nur selten ganz konkrete Lösungen angeboten (etwa: “Du musst auf diesem River mit dieser und jener Hand setzen”).
Vielmehr geht es Stephan Kalhamer darum, dass man den Teilnehmern Mittel an die Hand gibt, beim Spiel selbst Lösungen zu finden. Entsprechend versucht er ihnen beizubringen, über welche Dinge sie in verschiedenen Situationen nachdenken müssen, wie man in Ranges denkt, wie Fold-Equity funktioniert und welche Konzepte im Allgemeinen beim Spiel wichtig sind.
Zwischendrin malt Kalhamer immer mal am Whiteboard ein paar Diagramme auf und gibt dann doch den einen oder anderen ganz konkreten Spielhinweis, etwa wie man auf ganz einfache Art und Weise halbwegs akkurat die Gewinnwahrscheinlichkeit von Händen vor dem Flop berechnet. Dazu wird das rechts abgebildete Diagramm skizziert.
Da die Erklärungen der Konzepte jeweils anhand der konkreten gespielten Hände erfolgen, ist es sehr offen, welche Themen wann gestreift werden, aber Stephan Kalhamer und Jan Heitmann stellen sicher, dass alles, was ihnen wichtig ist, auch zur Sprache kommt.
Thematisiert werden dabei unter anderem, welche Raise-Größen welche Auswirkungen haben (“Welchen Unterschied macht es, auf 2 oder 2,5 Big Blinds zu raisen?”), welche Ranges sich zum Bluffen lohnen, wie viel wichtiger Spielbarkeit gegenüber den ganz konkreten Odds ist, wie man sich auf verschiedene Gegnertypen einstellt oder warum Showdowns in Turnieren tendenziell schlecht sind.
Einige Teilnehmer haben sehr konkrete Nachfragen, etwa wie man gegen viel zu loose Italiener in Untergrund-Cash-Runden spielt. Darauf hat Jan Heitmann prompt eine ebenfalls sehr konkrete Antwort: “Adaptieren und mehr Value-Betten.”
Einzelgespräche und Telefonberatung
Während des Seminars greifen sich Stephan und Jan alle Teilnehmer je einmal zu Einzelgesprächen raus, um auf deren persönliche Spiel-Entwicklung einzugehen.
Für diese Art von Exklusivität zahlen die Spieler auch 600 Euro Teilnahmegebühr, dafür bekommen sie von einem sehr erfahrenen und bekannten Poker-Gespann direktes und persönliches Feedback.
Stephan fordert von den Teilnehmern sogar ein, sich nach dem Seminar bei ihm telefonisch zu melden, wenn es Fragen gibt.
Während des Seminars streuen Jan und Stephan Anekdoten aus ihrer Vergangenheit im Poker-Business ein. Stephan erzählt von seiner Zeit mit Pius Heinz und was dieser nach dem Sieg im Main-Event so machte (einmal pro Tag Sport und was Gesundes kochen) und Jan berichtete von seinem Deep-Run beim beim Main-Event 2012, als er Platz 26 erreichte. Er erzählte u.a., wie er dort mit 4-hoch einen (erfolglosen) 3-Bet-Bluff vor dem Flop brachte.
Solche Geschichten interessieren die Teilnehmer fast genauso wie die Konzepte zum Spiel, bekommen sie hier doch auch das Gefühl vermittelt, bei der ganz großen Pokerwelt mit dabei zu sein und nicht nur, wie sonst Turniere in Mainz, Rozvadov oder online zu spielen.
Am Ende des Tages gehen wir alle zusammen Essen, es werden noch ein paar Anekdoten aus dem Pokerbusiness und der Raabschen Pokernacht (bei der Jan Heitmann fast alle Promis trainiert) ausgetauscht und den Seminarteilnehmern raucht nach fast sieben Stunden Poker-Analyse augenscheinlich erst einmal ein wenig der Kopf.
Lohnt sich das Seminar nun?
Ob sich ein solches Seminar des Gaming Institute lohnt, hängt sehr von dem einzelnen Spieler ab. Die Teilnehmer in Berlin erweckten allesamt den Eindruck, dass sie mit den dargebotenen Inhalten was anfangen konnten und das Seminar hat ihnen mit Sicherheit auch geholfen.
Zielgruppe dieser Seminare sind Spieler, die schon ein solides Basiswissen haben, aber dieses aber verfestigen wollen. Stephan Kalhamer vermittelt in erster Linie, wie man Situationen beim Poker analysiert und einschätzt, es gibt nur sehr wenige konkrete Handlungsanweisungen.
Die Hinweise und Einschätzungen, die Stephan Kalhamer und Jan Heitmann während des Seminars geben, sind auf jeden Fall allesamt fundiert und durchdacht und bringen die Spieler auf den richtigen Weg. Allerdings muss jeder Spieler diesen Weg am Ende alleine gehen und an seinem Spiel arbeiten wollen, ansonsten hat er 600 Euro für einen schönen Nachmittag mit Poker-Anekdoten ausgegeben.
Derjenige Spieler, der jedoch gewillt ist, Zeit und Energie in die Verbesserung seines Spiels zu stecken, wird aus diesen Seminaren wesentlich mehr mitnehmen. Denn Stephan Kalhamer schafft es, den Spielern eine analytische Denkweise zu vermitteln, so dass sie zukünftig wesentlich strukturierter an Probleme herangehen können.
Poker-Strategie ist eben keineswegs gleichbedeutend zu Fragen der Art: „Soll man in dieser und jener Situation mit Ass-Bube raisen?“ Strukturierte Poker-Strategie ist viel mehr.
Und dieses Mehr vermittelt das Gaming-Institute ausgezeichnet. Die Seminare allein machen einen sicherlich noch nicht zu einem herausragenden Spieler, allerdings geben sie einem eine Menge sinnvoller Hilfsmittel an die Hand, um darauf hinzuarbeiten, ein herausragender Spieler zu werden.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 05.11.2015.