In dieser neuen Serie werden typische Fehler beleuchtet, die vor allem Anfänger regelmäßig machen und Tipps gegeben, wie man diese vermeidet.
Der erste typische Fehler, der hier besprochen werden soll, ist sind die unnötigen Calls, wenn die eigene, im Grund sehr stark aussehende Hand fast sicher geschlagen ist.
Beispiel 1: Der unerwartete River-Raise
Ein Beispiel soll diese Art von Calls demonstrieren:
Gespielt wird NL50 online und der Button ist ein eher passiver Spieler, der etwas zu viele Hände spielt.
MP: Protagonist ($50): A A
BU: ($44,50)
Preflop: Der Protagonist raist auf $1,50, BU callt .
Flop ($3,75): J 8 4
Der Protagonist setzt $3,00, BU callt.
Turn ($9,75) 2
Der Protagonist setzt $7,00, BU callt.
River ($23,75) 5
Der Protagonist setzt $13,00, BU raist auf $33 (all-in), der Protagonist callt $20.
In dieser Hand macht der Protagonist bis inklusive der Bet auf dem River alles richtig. Doch nachdem der ansonsten passive Spieler die Bet raist, ist der Protagonist fast immer geschlagen und muss folden.
Natürlich sieht es zunächst unwahrscheinlich aus, dass der Button mit dem River eine sonderlich große Hilfe bekommen haben kann. Der einzige Draw, der dort ankam, wäre ein Gutshot mit 76 gewesen oder eine Runner-Runner-Straight mit A3.
Bevor der Button seinen Raise bringt, sind seine wahrscheinlichsten Hände Top-Pair oder ein Flush-Draw. Doch mit dem Raise auf dem River fallen diese Hände praktisch komplett aus dem Spektrum des Gegners. Es gibt keine sinnvolle Hand, die der Protagonist noch schlägt, die diesen River raist.
Es kommt häufig vor, dass mit einem Spieler, der in der Situation des Protagonisten ist, die Pferde durchgehen. Er kann sich nicht ausmalen, wie er hier realistisch geschlagen sein kann und zahlt den Raise des Gegners.
Aber der Call auf dem River kommt insbesondere gegen einen passiven Spieler einer Geldvernichtung gleich. Praktisch immer wird der Gegner eine Hand wie A 3 , 76s, ein langsam gespieltes Set oder 54s umdrehen.
Zwar bekommt der Protagonist auf den River-Raise enorme Pot-Odds und muss nur in rund 22 Prozent der Fälle die bessere Hand halten, doch tatsächlich dürfte die Wahrscheinlichkeit, hier den Showdown zu gewinnen, deutlich unter 10 Prozent liegen.
Beispiel 2: Two-Pair auf wackligen Füßen
Wieder wird NL50 (6-max) online gespielt und der Gegner in dieser Hand ist ein sehr tighter, nicht sonderlich einfallsreicher Spieler, der Marke Beton-Spieler.
UTG: ($65,50)
BU: Protagonist ($78): 7 6
Preflop: HJ raist auf $1,50, der Protagonist callt .
Flop ($3,75): J 7 6
HJ setzt $3,50, der Protagonist raist auf $11,00, HJ callt.
Turn ($25,75) K
HJ checkt, der Protagonist setzt $15,00, HJ raist auf $53 (all-in), der Protagonist callt $38.
Wieder macht der Protagonist bis zum Turn keinen größeren Fehler. Doch der Call des All-Ins auf dem Turn ist gegen diesen Gegner eine eher fatale Angelegenheit.
Auf den ersten Blick scheinen die Two-Pair des Protagonisten noch sehr stark zu wirken. Die einzigen Hände, die diese auf dem Turn schlagen sind KK, JJ, 77, 66 und KJ. Die Sets sind unwahrscheinlich, schließlich hat der Protagonist schon eine 7 und eine 6 in der Hand und der tighte Gegner wird wahrscheinlich nicht mit KJo preflop erhöhen.
Doch befindet sich ansonsten in dem Spektrum des Gegners praktisch keine Hand, mit der er freiwillig auf dem Turn seinen Stack (immerhin 131 Big Blinds) investiert, die der Protagonist noch schlägt. Auf dem Flop waren die wahrscheinlichsten Hände des Gegners ein Overpair (QQ, KK, AA) oder Top-Pair, doch wird er weder mit QQ, noch mit AJ oder QJ den Turn check-raisen. Es ist auch sehr unwahrscheinlich, dass der Gegner Asse auf dem Turn check-raist, da er sich ausmalen kann, dass er nach dem bisherigen Handverlauf gegen eine bessere Hand spielt.
Ein Bluff ist ohnehin fast ganz auszuschließen, so hart wie der Protagonist gespielt hat und gemessen an der Stärke, die er demonstriert hat.
Am Ende bleiben im Spektrum des Gegners nur 11 realistische Kombinationen übrig: KK (3 Kombos), JJ (3), 77 (1), 66 (1) und KJs (3). Dann und wann mag sich ein Draw (etwa 9 8 ) oder ein übermäßig optimistisch gespieltes Paar Asse in das Spektrum des Gegners einschleichen, doch der Protagonist benötigt in der obigen Hand auf dem Turn mindestens 29% Gewinnwahrscheinlichkeit und die hat er gegen diesen tighten Gegner mit Sicherheit nicht.
Im Eifer des Gefechts
In Situationen wie in den obigen Beispielen Calls zu bringen, ist auf lange Sicht ein sehr teures Unterfangen. Dennoch machen viele Spieler regelmäßig ebenjenen Fehler: Man hält eine überdurchschnittlich starke Hand, sieht sich eigentlich weit vorne, doch auf einmal packt der Gegner den Hammer aus und signalisiert, dass er eine noch stärkere Hand hat.
Im Eifer des Gefechts passiert es Spielern häufig, dass sie während des Spiels gar nicht realisieren oder nicht realisieren wollen, dass die eigne, eben noch bärenstark aussehende Hand keine Chance mehr gegen das Spektrum des Gegners hat.
Bis eben war man noch mit dem Gedanken befasst, wie man aus der eigenen Hand den größtmöglichen Gewinn rausholt und im nächsten Moment ist man damit konfrontiert, den ganzen Stack zu verlieren. Wer in solchen Situationen einen kühlen Kopf bewahren kann und in der Lage ist, eine gute Hand gegen ein deutlich stärkeres Spektrum zu entsorgen, macht auf Lange Sicht signifikant höhere Gewinne.
Natürlich kommt es beim Hold’em regelmäßig zu Cooler-Situationen, also Händen in denen man gar nichts anderes machen kann, als seinen Stack einzustellen. Etwa mit Königen gegen Asse preflop oder beim Set-Over-Set. Doch ist es ein Fehler, jede Situation als Cooler abzutun, in der man mit einer überdurchschnittlich starken Hand gegen eine bessere Hand verliert.
Wenn der Gegner einem in aller Deutlichkeit signalisiert, dass er eine Hand aus dem obersten Ende des Spektrums hat, muss man gewillt sein, dies einzusehen und nicht sturköpfig darauf beharren, dass man selbst ebenfalls eine gute Hand hat.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 11.04.2016.