Der nächste typische Fehler in unserer Poker-Strategie-Serie kann unter dem Namen planloser Check zusammengefasst werden und ist ein auf den niedrigen Limits weit verbreitetes und reichlich unprofitables Fehlverhalten.
Vergleichsweise häufig passiert es, dass ein Spieler mit einer passablen Hand, wie etwa einem besseren Paar nach einem Preflop-Raise und einer Continuation-Bet auf dem Turn in Schockstarre verfällt, wenn eine Scarecard (eine Karte, die einem selbst nicht hilft, dem Gegner aber sehr wohl helfen könnte) ankommt. Weil man unsicher ist, ob man noch die beste Hand hält, wird einfach gecheckt. Sollte der Gegner dann setzen, beginnt das große Rätselraten und häufig werden am Ende teure Fehler gemacht. Werfen wir zunächst einen Blick auf ein paar Beispiele:
Beispiel 1: Degradiertes und planloses Top-Pair
Ein Beispiel, um den planlosen Check zu demonstrieren: Gespielt wird NL50 6-max und der Gegner ist komplett unbekannt.
MP: Protagonist ($50): A Q
BU: ($50)
Preflop: Der Protagonist raist auf $1,50, BU callt .
Flop ($3,75): Q 8 7
Der Protagonist setzt $2,50, BU callt.
Turn ($8,75) K
Der Protagonist checkt, BU setzt $5, der Protagonist callt.
River ($18,50) 6
Der Protagonist checkt, BU setzt $12, der Protagonist foldet.
BU gewinnt $18,50.
Diese Hand ist aus Sicht des Protagonisten unschön verlaufen – er hat 18 Big Blinds verloren und nicht einmal den Showdown gesehen. Möglicherweise wurde er von seinem Gegner aus dem Pot geblufft, möglicherweise hat er aber auch schon auf dem Turn eine bessere Hand ausgezahlt. Was ist schief gelaufen?
Der Fehler
Der glasklare Fehler in dieser Hand ist der Check auf dem Turn. Es fällt eine Overcard und auf einmal scheint die Hand nicht mehr stark genug, um zu setzen. Dafür wird gecheckt, aber ein Plan für den weiteren Verlauf ist nicht zu erkennen. Fast ohne Not gibt der Protagonist mit dem Check die Initiative auf und gibt so seinem Gegner die Möglichkeit, ihm den Preis für das Weiterspielen zu diktieren.
Natürlich ist der König auf dem Turn für die Hand des Protagonisten keine besonders schöne Karte, schließlich wurde sein Top-Pair degradiert. Betrachtet man jedoch das Spektrum des Gegners, stellt man fest, dass dieser König ihm nur in recht wenigen Fällen überhaupt geholfen haben kann. Im Grunde hilft ihm der König nur dann, wenn er genau KQ oder einen Flush-Draw mit einem König hält. Andere Hände mit einem König sind in dem Spektrum des Gegners praktisch nicht vertreten. Sehr wohl sind jedoch eine Menge anderer Hände möglich: Schlechtere Damen, etwa QJ und QTs, Paare wie JJ, TT oder 99, Flush-Draws, Straight-Draws und einige andere Kombinationen mit einem Paar, wie 98s.
Mit einem Check gibt der Protagonist dem Gegner die Möglichkeit, seine schlechteren Ein-Paar-Hände ebenfalls zu checken und offeriert dem Gegner eine gute Möglichkeit, ihn bis zum River aus dem Pot zu bluffen.
Wie man es besser macht
Eine Bet seitens des Protagonisten ist auf diesem Turn wesentlich besser. Damit würde er die Initiative und die Kontrolle über die Hand behalten und würde dem Gegner die Möglichkeit nehmen, einen kostenlosen River zu sehen.
Sollte der Gegner einen Raise bringen, kann sich der Protagonist leichten Herzens von seiner Hand trennen, dann ist er fast sicher deutlich hinten.
Sollte der Gegner abermals callen, kann der Protagonist auf dem River die Situation neu evaluieren. Wird auf dem River einer der möglichen Draws vervollständigt, drängt sich die Spielweise check/fold auf. Setzt der Gegner, hat er oft genug genau den angekommenen Draw, den er repräsentiert. Hält der Gegner jedoch eine Hand mit Showdown-Value, wie etwa QJ, wird er sehr häufig ebenfalls checken und der Protagonist gewinnt den Showdown. Kommt auf dem River eine harmlose Karte, etwa die 2 , kann der Protagonist sogar eine weitere kleine Value-Bet bringen, denn er liegt mit sehr großer Wahrscheinlichkeit vorne und der Gegner könnte ihn aufgrund des draw-lastigen Boards mit einer schlechteren Hand auszahlen.
Eine Alternative wäre, sowohl auf Turn als auch River check/call zu spielen, wenn der Gegner ein bekannter Bluffer ist. Solange das Board nicht zu gefährlich aussieht, kann diese Spielweise auch praktikabel sein. Gegen einen unbekannten Gegner ist eine Bet auf dem Turn aber die deutlich bessere Spielweise. Am Ende ist fast jede Spielweise besser als die vom Protagonisten im Beispiel gewählte: check/call auf dem Turn, check/fold auf dem River.
Beispiel 2: Asse auf einem monotonen Board
Wieder wird NL50 6-max gespielt und wieder ist der Gegner völlig unbekannt.
UTG: Protagonist ($50): A A
CO: ($50)
Preflop: Der Protagonist raist auf $1,75, CO callt.
Flop ($4,25): Q 9 7
Der Protagonist setzt $3, CO callt.
Turn ($10,25) 4
Der Protagonist checkt, CO checkt.
River ($10,25) 7
Der Protagonist checkt, CO setzt $6, der Protagonist foldet.
CO gewinnt $10,25.
Sehr ähnlich wie in Beispiel 1, hat der Protagonist mit dem Check auf dem Turn einen substantiellen Fehler gemacht. Seine Hand ist trotz des drohenden Flushes immer noch deutlich stärker als das Spektrum seines Gegners und er würde von schlechteren Händen bezahlt werden. Die meisten Damen und jedes Paar mit einem Pik würden eine Bet auf dem Turn zahlen und gegen diese Hände sind die Asse deutlich vorne.
So gibt der Protagonist dem Gegner einen kostenlosen River und muss auf diesem mit einem vierten Pik folden, kann sich dabei aber noch nicht einmal ganz sicher sein, nicht von einer Hand wie J 10 aus dem Pot geblufft worden zu sein.
Bet/Fold auf dem Turn und Check/Fold auf dem River wäre eine wesentlich bessere Spielsequenz gewesen. Damit holt man aus den schlechteren Händen des gegnerischen Spektrums das Maximum raus und sichert sich auf diesen Limits noch sehr effektiv gegen mögliche Bluffs ab.
Beispiel 3: Damen gegen ein Ass im Flop
Auch in diesem Beispiel ist der Gegner ein Unbekannter.
BU: ($50)
BB: Protagonist ($50): Q Q
Preflop: BU raist auf $0,60, der Protagonist reraist auf $2, BU callt.
Flop ($4,25): A 10 4
Der Protagonist checkt, BU setzt $3, der Protagonist callt.
Turn ($10,25) 10
Der Protagonist checkt, BU setzt $6,50, der Protagonist callt.
River ($23,25) 6
Der Protagonist checkt, BU setzt $15, der Protagonist foldet.
BU gewinnt $23,25.
Auch hier verfällt der Protagonist in Schockstarre, nachdem sein Damenpaar auf dem Flop degradiert wurde und spielt gleich zweimal check/call, nur um dann auf die sich andeutende dritte Salve zu folden.
Abgesehen von dem Reraise vor dem Flop hat der Protagonist hier fast alles falsch gemacht. Natürlich ist das Ass auf dem Flop keine gute Nachricht, aber das sollte ihn nie und nimmer dazu bringen, gleich zweimal passiv zu checken und zu callen, nur um dem Gegner auf dem River den riesigen Pot zu schenken.
Spielt man in so einer Situation gegen einen unbekannten Gegner, ist es in den meisten Fällen besser, auf dem Flop selbst eine Bet zu bringen. Es ist zwar nicht sonderlich attraktiv, die eigene Hand halb in einen Bluff zu verwandeln, aber es bewahrt einen vor schwerwiegenden Fehlern auf den späteren Setzrunden. Hat der Button vor dem Flop mit einer spekulativen Hand wie 98s gecallt, dürfte er auf eine Bet auf dem Flop einfach folden. Callt er die Bet, ist sein Spektrum sehr stark in Richtung eines Asses oder eines mittleren Paares gewichtet. Auf diesem Limit kommen die meisten Spieler noch nicht auf die Idee, eine Hand wie JJ oder 99 in einen Bluff zu verwandeln und checken Turn und River artig runter nachdem sie damit eine Bet auf dem Flop gecallt haben. So kommt man häufig zum Showdown gegen eine schlechtere Hand und kann auf einen Raise oder signifikante Bets auf Turn oder River getrost folden. Denn nur in den wenigsten Fällen dürften Gegner auf diesem Limit einen elaborierte Bluff fahren. Sprich: Wenn der Gegner nach einer Bet auf dem Flop raist oder setzt, hat er fast immer tatsächlich mindestens ein Ass.
Spielt man schon auf dem Flop check/call, dann sollte man in jedem Fall auf dem Turn check/fold spielen. Denn auf diesem Limit haben die Gegner in der Regel eine Hand, wenn sie die größeren Bets auspacken.
Charakteristika des planlosen Checks
Der planlose Check ist fast immer ein Angst-Check ohne Position auf niedrigen Limits. Eine eben noch stark aussehende Hand wurde durch Flop, Turn oder River degradiert und der Spieler ist sich nicht mehr sicher, ob er noch vorne ist.
Nun ist es ein natürlicher Instinkt, in Situationen, in denen man sich nicht mehr deutlich vorne sieht, Pot-Kontrolle zu betreiben, um nicht unnötig viel Geld zu verlieren.
Spielt man aber ohne Position, ist Pot-Kontrolle gar nicht so einfach. Denn wenn man checkt, überlässt man es dem Gegner, den Preis für das Weiterspielen zu bestimmen. Natürlich kann einem der Gegner den Gefallen tun zu checken, aber dann ist es ohnehin sehr wahrscheinlich, dass die eigene Hand die des Gegners schlägt und man mit einer Bet mehr Geld rausgeschlagen hätte.
Verweigert einem der Gegner jedoch den Check, steckt man in der unangenehmen Lage, abschätzen zu müssen, ob der Gegner nun blufft – das Konzept des Floats ist schließlich inzwischen auf allen Limits angekommen – oder ob er tatsächlich eine bessere Hand hat. Das Ziel Pot-Kontrolle geht natürlich auch flöten, wenn der Gegner sich nicht daran hält.
Sehr häufig wird beim planlosen Check nach dem Check/Call auf dem Turn dann Check/Fold auf dem River gespielt. Dieser schwach-passive Ansatz ist langfristig ein sicheres Rezept, keine Gewinne einzufahren.
Wesentlich besser ist in solchen Situationen fast immer die Spielweise Bet/Fold. Damit zwingt man den Gegner sehr viel eher, Farbe zu bekennen und holt aus schwächeren Händen deutlich mehr Geld raus. Es gehört am Ende nur der nötige Mut dazu, auch mit einer degradierten Hand, die angemessene Aggressivität beizubehalten.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 11.04.2016.