Im September 2015 entschied das oberste deutsche Finanzgericht im Fall Eddy Scharf, dass Gewinne aus Pokerspiel im Einzelfall besteuerbar sind. Ein Grundsatzurteil, das für Pokerspieler in Deutschland verheerende Auswirkungen hat, auf dieser Grundlage könnten sie unter Umständen sogar wegen Steuerhinterziehung belangt werden.
Verfassungsbeschwerde könnte Rechtskraft durchbrechen
Eigentlich ist der Rechtsweg nach dem Urteil des Bundesfinanzhofes in München erschöpft, gegen das ursprüngliche Urteil des Finanzgerichts Köln war nur die Revision möglich. Eine Berufung, bei der auch neue bzw. andere Tatsachen festgestellt werden können, ist bei Urteilen von Finanzgerichten grundsätzlich nicht möglich.
Es gibt aber noch eine allerletzte Möglichkeit, die das unangenehme Urteil des Bundesfinanzhofes aus der Welt schaffen könnte:
Die Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
Die Verfassungsbeschwerde ist ein außerordentlicher Rechtsbehelf, mit dem Personen die Verletzung ihrer Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte durch Akte der Staatsgewalt geltend machen können. Eine erfolgreiche Verfassungsbeschwerde – und eben nur diese – könnte die Rechtskraft des Urteils des Bundesfinanzgerichtshofes durchbrechen.
Nur durchschnittlich 1,9 % der Verfassungsbeschwerden erfolgreich
Allerdings ist die Verfassungsbeschwerde an enge Voraussetzungen geknüpft und hat nur selten Erfolg. Laut Wikipedia hatten beispielsweise im Jahr 2009 nur 1,9 Prozent der Beschwerden in Karlsruhe Erfolg – eine ernüchternde Zahl.
Allzu große Hoffnungen darf sich Eddy Scharf also nicht machen, auch wenn wohlhabende Geschäftsleute wie beispielsweise Leon Tsoukernik, der Boss des King's Casino in Rozvadov, ihm bereits finanzielle Hilfe zugesichert haben.
Voraussetzungen der Verfassungsbeschwerde
Die Verfassungsbeschwerde muss zunächst zulässig sein, sie kann grundsätzlich von jedem in Deutschland lebenden Menschen erhoben werden, der sich in seinen Grundrechten selbst, gegenwärtig und unmittelbar verletzt fühlt.
Die Verfassungsbeschwerde dient nur dem Schutz der im Grundgesetz enthaltenen Grundrechte sowie der die in Artikel 93 Absatz 1 Nr. 4a GG genannten Rechte aus den Artikel 20 Absatz 4, Art. 33, Art. 38 GG und der sogenannten Prozessgrundrechte der Artikel 101, 103 und 104 GG. Scharf müsste also geltend machen, in einem solchen Grundrecht verletzt zu sein.
Weiter gilt der Grundsatz der Subsidiarität, also die Erschöpfung des Rechtswegs. Dies ist im Fall Scharf zu bejahen, da der – im Bereich Steuern ohnehin recht kurze – Weg durch die Instanzen ausgeschöpft ist. Beim Bundesfinanzhof ist bei Steuersachen bekanntlich Endstation.
Die Verfassungsbeschwerde muss aber zunächst durch das Verfassungsgericht angenommen werden, hierbei wird die eigentliche Zulässigkeits- und Begründetheitsprüfung vorab prognostiziert und an dieser Stelle scheitern schon die meisten Beschwerden. Das Annahmeverfahren dient der Selektion der Verfassungsbeschwerden und soll ein laut den Rechtsgelehrten ein „Ventil gegen eine Überflutung des Bundesverfassungsgerichts“ sein.
Welche Grundrechtsverletzungen kann Eddy Scharf geltend machen?
Fraglich ist, welche Grundrechtsverletzung bzw. -verletzungen Eddy Scharf geltend machen kann. Theoretisch möglich wäre beispielsweise die Verletzung des Gleichheitssatzes aus Art. 3 GG, er müsste dann glaubhaft machen, dass er ein Glücksspiel spielt und somit z. B. den Lottospielern, die keine Steuern zahlen müssen, gleichgestellt werden muss.
In Frage kämen weitere Grundrechte, hier müssen die Anwälte kreativ sein. Allerdings sind echte Grundrechtsverletzungen nicht leicht festzustellen oder geltend zu machen. Die Grundrechte können nämlich durch den Staat eingeschränkt werden und werden es regelmäßig. So schränkt beispielsweise die Strafbarkeit der Beleidigung die Meinungsfreiheit ein usw. Dazu sind die Grundrechte absichtlich allgemein gehalten, konkrete Verletzungen sind deswegen regelmäßig schwierig zu begründen.
Sollte Eddy Scharf es versuchen?
Sollte Eddy Scharf es dennoch versuchen? Oder sollte er die Sache vergessen und zahlen? Diese Fragen sind nicht leicht zu beantworten, er muss es letztlich selber wissen.
Die Chance auf eine Klatsche für die unsägliche Entscheidung des Bundesfinanzhofes und der Finanzbehörden ist aber trotz der recht geringen Erfolgschancen nur allzu verlockend.
>> Vollständiges Urteil des Bundesfinanzhofes im Fall Eddy Scharf
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 20.11.2015.