Seit Jahren ist der “Wiener” eines der größten Magazine in Österreich. Für die Mai-Ausgabe hat man PokerOlymp-Experten Sigi Stockinger zum Interview ins Wiener Concord Card Casino gebeten. Für all jene, die das Magazin nicht kennen, gibt es hier das Interview in voller Länge.
Gefühllos erscheinen, tarnen und täuschen sind beim Pokern äußerst wichtige Fähigkeiten – menschlich betrachtet aber nicht unbedingt die sympathischsten. Muss man als Pokerspieler ein falscher Hund sein, um Erfolg zu haben?
Na ja, falscher Hund ist wohl etwas übertrieben, aber bluffen muss man schon. Das ist aber erlaubt und somit nichts Unanständiges.
Trotzdem meint Bluffen, dem Gegenüber etwas vorzumachen – wie schaut es abseits des Pokertisches damit aus?
Da versuche ich, absolut ehrlich zu sein. Mit Ehrlichkeit kommt man am weitesten.
Würde ich denn erkennen, wenn Sie mich anlügen?
Nein.
Okay, und umgekehrt? Würden Sie erkennen, wenn ich Ihnen etwas vormache?
Ich denke schon – nach einer halben Stunde ganz sicher. Dann kenne ich Ihre Verhaltensmuster! Außerdem bin ich ein ausgezeichneter Menschenkenner, das ist wichtig fürs Pokern.
Na bitte, dann schätzen Sie mich mal ein.
Grünwähler, sportlich, freundlich, locker und ein ehrlicher Typ. Fürs Pokern viel zu ehrlich.
Grünwähler bin ich keiner. Außer der Menschenkenntnis, was ist noch wichtig beim Pokern?
Mathematisches Verständnis, Disziplin, Nervenstärke, gutes Geldmanagement, Geduld. Und vor allem sollte man die eigenen Emotionen steuern können.
Was sind Ihre Stärken und Schwächen?
Irgendwie hat man natürlich einen gewissen Stil oder Charakter und der kommt im Spiel leicht durch; genau daran muss man arbeiten, man muss sein Naturell in den Griff bekommen und darf keine Regung zeigen. Nie! Bluffen tut man nur mit Einsätzen und deren Höhe. Gefühlszustände vorzutäuschen, so zu tun, als ob man nervös wäre, ist lächerlich und viel zu schnell durchschaubar. Das gibt’s nur in Hollywoodfilmen.
Und worauf müssen Sie aufpassen?
Auf meine Ungeduld, die ist nicht förderlich für den Erfolg. Beim Pokern habe ich das schon im Griff – im normalen Leben noch nicht so ganz.
Wie entscheidend ist Glück?
Unwesentlich, auf lange Sicht gewinnt der Bessere.
Was heißt lange Sicht?
Über mehrere Jahre gesehen.
Wie kann ich mir einen normalen Trainingstag vorstellen?
Lange schlafen, sporteln, im Internet pokern – da kann man gutes Geld machen. Ich bin auch Besitzer eines Weinkellers.
Trinken Sie beim Spielen?
Nie.
Gibt es Profis, die während des Pokerns trinken?
Ja, einige Amis. Die sind dann recht schwer einzuschätzen. Das finde ich aber nicht korrekt.
Und wie verläuft ein typischer Monat eines Pokerprofis?
Ich spiele zwei große Turniere im Monat – ab Juni bin ich für fünf Wochen in Las Vegas und spiele die World Series of Poker. Auch bei der WM werde ich teilnehmen – da gehtâs um zwölf Millionen Dollar. 2002 bin ich 17. geworden und hab damals leider nur 50.000 Dollar gewonnen.
50.000 Dollar kling nicht schlecht! Noch dazu steuerfrei. Was war Ihr höchster Gewinn bei einem Poker-Turnier?
146.000 Euro voriges Jahr in Wien.
Was macht man mit soviel Geld?
Das meiste hab ich wieder investiert. Ins Pokern. Eingesetzt für neue Turniere.
Mit anderen Worten, Sie haben alles wieder verloren?
Investiert.
Okay, jedenfalls ist es wieder weg. Ãrgert man sich da nicht?
Nein, das gehört dazu. Diese rund 150.000 Euro gehören zum Grundkapital, also was soll’s. Denn wie gesagt, langfristig gewinne ich immer, solange ich vernünftig spiele.
Was heißt vernünftig?
Einfach gesagt: Verlieren kann man nur mit guten karten, ein schlechtes Blatt wirft man ohnehin gleich weg.
Was sagt Ihre Frau dazu, wenn Sie 146.000 Euro in den Sand setzen?
Ich bin jetzt das zweite mal verheiratet. Meine jetzige Frau vertraut mir zu 100 Prozent. Sie glaubt an mich und beeinflusst mich nicht. Meine erste Frau war skeptisch, machte sich Sorgen und hat mich dadurch gebremst.
Selbst haben Sie keine Existenzängste?
Nein, überhaupt nicht. Ich spiele angemessen im Verhältnis zu meinem Kapital. Ich weiß, wie viel ich investieren kann und wann ich aussteigen muss. Das ist die Kunst. Man muss Niederlagen hinnehmen können, locker bleiben und auf die Chance warten können – genauso, wie man bei Erfolgen nicht größenwahnsinnig werden darf.
Wie viel Stargeld braucht man, um ins Profipokergeschäft einsteigen zu können?
250.000 Euro Kapital, darunter spielt sich nicht viel ab.
Wie kommt man zu soviel Geld?
Ich hatte eine Firma. Die hab ich verkauft.
Was war Ihre schmerzvollste Niederlage?
2005 in Las Vegas: Ich hab 105.000 Dollar gewonnen.
Klingt nach einer verschmerzbaren Niederlage..
Ich hab gegen den späteren Gewinner verloren und hätte eigentlich gewinnen sollen.
Wo lag der Fehler?
Nirgends. Ich hab alles richtig gemacht, mathematisch betrachtet hätte ich bei 100 Versuchen 65 Mal gewonnen und 35 Mal verloren. Einfache Mathematik – aber abgehakt!
Haben Sie daraus etwas gelernt?
Nein, Dass man Niederlagen wegstecken muss, das hab ich schon vorher gewusst. Verluste muss man akzeptieren, sonst geht gar nichts. Selbst eine 90-prozentige Gewinnchance heißt eben, dass man bei 100 Versuchen trotzdem 10 Mal verlieren wird.
Sind Sie abergläublisch? Halte Sie Rituale ein
Das hab ich abgelegt. Ich hatte einmal einen Glücksbringer, heute halte ich nichts mehr davon.
Gibt’s Tage, an denen man nichts gewinnen kann?
Logisch, aber es gibt auch Tage, an denen nahezu alles gelingt. Langfristig gleicht sich das aus und es entscheidet dein Können.
An was glauben Sie?
An Gerechtigkeit.
Was bedeutet Glück für Sie?
Beim Pokern: Gute Karten zu haben und leicht zu gewinnen. Und im Leben geht’s darum, zufrieden zu sein, dass meine beiden Kinder gesund sind und in der Familie alles passt.
Welchen Stellenwert hat Geld für Sie?
Man muss schauen, dass man genug hat. Ich bin natürlich einen gewissen Luxus gewöhnt und will auch nicht darauf verzichten. Ein 5-Stern-Hotel ist um einiges angenehmer als ein 3-Stern.
Wenn Sie kein Pokerspieler wären, was wäre dann Ihre Traumjob?
Profisportler, am liebsten Tennisspieler.
Das Interview für den “Wiener” führte Thomas Bruckner
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 05.05.2007.