Wie viel soll man eigentlich vor dem Flop bei No-Limit-Hold’em raisen? Das Spiel vor dem Flop ist ein elementarer Bestandteil bei No-Limit-Hold’em. Dieser Artikel wird auf die Frage eingehen, wie hoch Eröffnungsraises im Optimalfall ausfallen sollten.
Bei der Wahl der Höhe des Eröffnungsraises vor dem Flop sieht man sich häufig zwei augenscheinlich unvereinbaren Prinzipien ausgesetzt. Diese Prinzipien sind:
A) Starke Hände bevorzugen einen großen Raise, schwache Hände einen kleineren.
B) Als Spieler sollte man mit seiner Einsatzhöhe nicht seine Handstärke preisgeben.
Diese Prinzipien sind fast selbsterklärend. Selbstverständlich will man mit seinen hohen Paaren und guten Assen vor dem Flop einen möglichst großen Pot aufbauen, da man ausgezeichnete Gewinnaussichten hat. Mit schwächeren Händen jedoch bevorzugt man kleinere Pötte und ist schon mit dem erfolgreichen Stehlen der Blinds zufrieden.Doch ebenso selbstverständlich will man nicht schon durch die Wahl seiner Einsatzhöhe dem Tisch seine Handstärke mitteilen. Wer nur mit guten Händen einen hohen und ansonsten einen niedrigen Eröffnungsraise bringt, wird selbst für schwache Gegner sehr schnell lesbar.
Wie kann man diesen zwei Prinzipien möglichst gleichberechtigt berücksichtigen? Um dieses Problem zu lösen, gibt es verschiedene Ansätze:
1. Immer die gleiche Raise-Größe vor dem Flop
Diese Regel wird vor allem Anfängern häufig nahe gelegt. Die Strategie funktioniert zumeist nach der sogenannten 4+1 Regel. Dabei erhöht man – so man vor dem Flop erhöhen möchte – immer und unabhängig von der eigenen Hand auf vier Big Blinds plus einen pro Limper.Tatsächlich macht man sich somit völlig unlesbar, da mit jeder Hand der gleiche Betrag erhöht wird. Doch hat diese Strategie den Nachteil, dass von den oben genannten Prinzipien nur noch das erste beherzigt wird. Stehl-Versuche werden durch diese Strategie übermäßig teuer und das kann sich langfristig sehr negativ auswirken, da ab einem gewissen Limit, das Stehlen der Blinds elementarer Bestandteil des Spiels ist.
2. Raise-Größe strikt nach der Handstärke richten
Nach dieser Regel ignoriert man einfach das zweite der beiden oben genannten Prinzipien. Mit Premium-Händen erhöht man hierbei auf fünf oder gar mehr Big Blinds, mit guten Händen auf drei oder vier und bei einem Stehl-Versuch belässt man es bei einem Minimum-Raise.Mit dieser Strategie macht man sich nun völlig lesbar, allerdings kann es Konstellationen geben, in denen das gar nichts ausmacht. So wäre diese Strategie in einem sehr loosen Live-Spiel gespickt mit äußerst schlechten Spielern nicht die schlechteste. Denn diese Spieler sind zumeist schon mit dem Verstehen der eigenen Karten überfordert und kommen gar nicht dazu, irgendwelche Rückschlüsse aus der Spielweise der Gegner zu ziehen. Geben die Gegner jedoch auch nur ein wenig Obacht, auf ihre Mitspieler, wird diese Strategie schnell nach hinten losgehen, da man so die Stärke seiner Hand sehr offen mitteilt.
3. Raise-Größen ein wenig zufällig streuen
Man kann Strategie 2 ein wenig ausbauen und ein wenig Zufall einbauen. Zum Beispiel könnte man in 80% der Fälle mit seinen Premium-Händen auf fünf Big Blinds erhöhen und in 20% der Fälle nur auf zwei. Ebenso könnte man mit seinen Stehl-Versuchen hin und wieder deutlich mehr als einen Minimum-Raise bringen.Auf diese Art und Weise ist man nicht mehr so leicht lesbar wie bei voriger Strategie und hält sich in den meisten Fällen dennoch an das Prinzip, nach dem man mit starken Händen mehr raisen sollte, als mit schwachen.Dieser Vorschlag beruht jedoch darauf, dass der Spieler in der Lage ist, tatsächlich zufällige Entscheidungen am Pokertisch zu treffen. Laut Dan Harrington hilft hier eine Uhr mit Sekundenzeiger weiter.
4. Raise-Größen nach Position wählen
Andrew Brokos schlug vor einiger Zeit im 2+2-Magazin eine weitere Strategie vor, um beiden Prinzipien gerecht zu werden: Man macht die Einsatzgröße von der eigenen Position abhängig. Aus frühen Positionen erhöht man auf einen größeren Betrag als als hinteren Positionen.Die Idee hierbei ist folgende: In den frühen Positionen erhöht man zumeist nur stärkere Hände, während man in den hinteren Positionen häufiger versucht, die Blinds zu stehlen. Daraus folgt, dass man im Schnitt in den frühen Positionen eine bessere Hand hat, wenn man vor dem Flop raist und in den hinteren Positionen Raises häufiger mit schwächeren Händen gemacht werden.Erhöht man nun aus den frühen Positionen auf einen höheren Betrag als aus den hinteren Positionen, setzt man auf lange Sicht mehr mit seinen guten Händen und weniger mit seinen schwächeren.Dabei gibt man jedoch absolut keine Informationen über seine Hand preis, da die Handspektren unabhängig von der Wahl der Einsatzhöhe der jeweiligen Position angepasst sind. Erhöht man vor dem Flop aus UTG, weiß ein guter Gegner schon, dass man wahrscheinlich eine stärkere Hand hat, Raises aus dem Button oder dem Cut-Off jedoch können auf eine Vielzahl von Händen – auch viele schwächere – hindeuten.Man kann zum Beispiel aus den frühen Positionen immer auf vier Big Blinds raisen, aus den mittleren Positionen immer auf drei Big Blinds und aus den hinteren Positionen immer auf zwei Big Blinds. So wird man beiden oben genannten Prinzipien gerecht und benötigt nicht mal einen Zufallsgenerator, um das eigene Spiel ausgewogen zu gestalten.
Beim Spielen in Partien mit halbwegs mitdenkenden Gegnern ist es sehr wichtig, die eigene Spielweise ausgewogen zu gestalten. Die letzten zwei der hier genannten Strategien ermöglichen es vor dem Flop trotz einer ausgewogenen Spielweise, im Schnitt mit besseren Händen mehr Geld in den Pot zu bekommen.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 25.12.2010.