Rainer Kempe ist erst 27 Jahre alt, hat bereits mehr als 10 Millionen Dollar Preisgelder in Turnieren gewonnen und zählt inzwischen zu den besten und erfolgreichsten deutschen Pokerspielern. Doch selbst Kempe ist verblüfft über den unglaublichen Lauf, den Fedor Holz in den letzten 18 Monaten hinlegte.
Ein Interview von Matt Showell
(auf PokerListings erschienen)
Seit 2011 ist Rainer Kempe im Pokerzirkus aktiv, doch so richtig tauchte er auf der Landkarte erst auf, als er im letzten Jahr den $300k-Aria-Highroller-Bowl gewann. Er bezwang Fedor Holz im Heads-Up und kassierte 5 Millionen Dollar Preisgeld. Zu diesem Zeitpunkt war Fedor Holz mitten im wohl heißesten Lauf der Pokergeschichte. Er gewann in rund sechs Monaten über 10,5 Millionen Dollar und schloss seinen Lauf mit dem Sieg beim $111k-One-Drop der WSOP ein paar Wochen später ab.
„Das ist wirklich schwer zu sagen,“ antwortet Kempe auf die Frage, wie viel von Holz' Erfolg auf Geschick und wie viel auf Können zurückzuführen ist. „Ich hätte immer gesagt, dass es unmöglich ist, so eine Edge in den Spielen zu haben, aber bei Fedor bin ich mir nicht ganz sicher. Vielleicht hat er sie. Auf jeden Fall dominiert er die Spiele schon seit sehr langer Zeit.“
„Aber ich denke, wir verstehen Varianz nicht gut genug, obwohl viele Leute schon sehr viel über Varianz beim Poker nachgedacht haben.“
Erst jüngst gewann Holz zwei Highroller-Turniere für 50.000 Dollar Buyin im Aria Casino. An den zwei Tagen gewann er insgesamt 750.000 Dollar und seine Live-Gewinne belaufen sich in Summe inzwischen auf fast 23 Millionen Dollar.
„Fedor ist auf jeden Fall an der Grenze dessen, was ich für möglich halte,“ sagte Kempe mit einem Kopfschütteln.
Kempes Erfolg kam nicht über Nacht
Rainer Kempe begann mit dem Pokerspiel während er in Potsdam zur Uni ging. Er studierte Betriebswirtschaft, sagt jetzt jedoch, dass sein Herz niemals so richtig dafür geschlagen hatte.
Zu diesem Zeitpunkt wusste Kempe noch nicht, dass es jemals so etwas wie Super-Highroller-Poker-Turniere geben würde und insbesondere nicht, dass er diese spielen und Millionen gewinnen würde.
„Damals war ich froh, wenn ich am Ende einer Nacht fünf oder zehn Euro gewonnen hatte,“ sagt er. Dann zog Kempe nach Großbritannien und begann, ernsthaft Live-Poker zu spielen. Er hatte bei den niedrigen Buyins sofort Erfolg und stieg in den Limits auf. Jetzt kann er die teuersten Highstakes-Turniere spielen, die auf dieser Welt angeboten werden.
„Ich bin peu à peu aufgestiegen und irgendwie überrascht mich das deswegen nicht so sehr,“ erklärt Kempe seinen Erfolg und die Tatsache, dass er um astronomische Summen spielt. „Ich will nicht sagen, dass ich das erwartet habe und erst recht nicht, dass ich es automatisch verdiene, denn man muss wirklich viel Glück haben. Aber gleichzeitig weiß ich, dieser Erfolg kam nicht über Nacht.“
Das Geheimnis der deutschen Highroller
Rainer Kempe ist Teil einer großen deutschen Spielergruppe, die die Highroller-Szene im Sturm erobert haben. Kempe erklärt, dies liegt vielmehr an der Staking-Gemeinschaft innerhalb der deutschen Spieler, als an dem reinen Können.
„Es gibt natürlich sehr viele talentierte deutsche Spieler, doch vor allem ist es hier sehr viel einfacher, Anteile für hochpreisige Turniere zu verkaufen, als zum Beispiel in Spanien oder Russland. Ich nehme an, in anderen Ländern gibt es einen ähnliche Zahl sehr guter Spieler, aber sie können sich diese Turniere nicht leisten.“
Kempe verweist auf eine lange Geschichte von Highstakes-Investoren in Deutschland und begründet damit, warum die deutschen Spieler so dominant sind. „Schon seit Anbeginn der Highroller, als diese noch sehr soft waren, gab es einen Markt. Es gab Investoren, die kauften Anteile und konnten sich so, genauso wie die Spieler, eine Bankroll aufbauen. Und als die Spiele härter wurden, konnten sie auch mit einer niedrigeren Edge arbeiten.“
"Die Super-Highroller-Ökonomie ist sehr solide"
Über die Gesundheit der Highroller-Szene macht sich Rainer Kempe keine Sorgen: „Ich denke, die Super-Highroller-Ökonomie ist sehr solide. Die Turniere werden zwar schwieriger, aber ich denke, dies wird zu keinen Veränderungen führen. Wenn die Geschäftsleute in den $100k-Turnieren einen Downswing haben, hat dies auf ihr Leben praktisch keinen Einfluss. Sie spielen einfach so lange, wie es ihnen Spaß macht. Und für die Profis sind diese Turniere immer noch profitabel, auch wenn sie nicht mehr ganz so viel Geld damit verdienen.“
Kempe verweist auf den Sachverhalt, dass die allermeisten professionellen Pokerspieler bei den Super-Highroller-Turnieren den Großteil ihrer Action verkaufen. Aber auf diese Art und Weise wird auch das Fortbestehen der Highroller-Szene sichergestellt.
„Ich habe das aufgesogen, wirklich alles,“ sagt Kempe zu seinen Erfahrungen in der Pokerwelt. „Es gibt Super-Highroller-Turniere auf der ganzen Welt und ich gehe davon aus, dass dies vorerst so bleiben wird.“
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 16.07.2017.