Als ich vor anderthalb Jahren das erste Mal nach Tokio kam, blieb mir nichts anderes übrig als im Freundeskreis ein paar Japanern Pokern beizubringen, denn Glücksspiel und damit leider auch Poker sind nun mal verboten in Japan.
Viel zu sehr lieben es die Japaner dafür, in aberwitzig lauten Pachingo-Hallen zu sitzen, kleine Mettallkugeln einzuwerfen und möglichst viel mehr davon, mit entsprechendem ohrenbetäubenden Getöse unten wieder rauszuziehen.
Dass ich nun also wieder in Tokio bin, liegt vor allem daran, dass ich die Menschen sehr schätze, die Kultur liebe, das Essen für das beste der Welt halte und Tokio als Stadt eine meiner absoluten Favoriten ist. Und nun geschah es doch. Ich war in Tokio-Akihabara unterwegs. Einer Gegend, die für ihre Maid-Cafés berühmt ist. Also wo junge Mädchen mit Dienstmädchenuniformen, Puppengesichtern, Mickey-Mouse-Stimmchen und mit möglichst viel Plüsch und Mädchenzimmerkram ausstaffiert sind und kellnern, singen und tanzen.
„AKIBA Maid de Casino“Quelle: carstenweidling.de
Wer in Tokio ist, muss dieses tatsächlich ziemlich unschuldige, doch hochskurrile Schauspiel einmal erlebt haben. Und zwischen den gigantischen Werbetafeln für all die Puppengesichterläden laufe ich doch nicht plötzlich an einem Schild vorbei, auf dem steht: „AKIBA Maid de Casino“. Bitte was? Nun habe ich auch schon mal im peruanischen Lima ein Casino angesteuert, das sich als Polizeikantine entpuppte, doch was sollte das hier sein?
Im achten Stockwerk war ich dann umzingelt von Maids. Als ich eintrat, hat es mich fast umgeschmissen. Da standen zwei Black Jack Tische, ein Roulettetisch und zwei Pokertische. Hinter diesen saßen unvermeidlich eben jene Kindsfrauen in ihren unglaublichen Kostümen. An diesem Abend war es eine Mischung zwischen Dienstmädchen- und Schuluniform. Nicht überraschend in Tokio. Wohl aber ein Casino.
Der Flyer des “Casinos”Quelle: carstenweidling.de
Ich wollte in dieser Halbplüschatomsphäre nicht nur rumstehen und mich schlapplachen, also fragte ich wie das hier läuft. Also es ist so. Man kann natürlich auch hier nicht um Geld spielen, auch Sachpreise wie beim Pachingo gibt es hier nicht. Man spielt nur zum Spaß. Es gibt zwar eine hausintere Rangliste, aber die ist unerheblich. Zumal man Cash Game spielt. Man kann sich für das „1 und 2 Dollarspiel“ Chips kaufen. Für 1000 Yen 40 Chips, für 2000 Yen 110, 3000 bringen 200, 5000 400, und für den größten japanischen Geldschein (es gibt ja nur drei Arten) also für einen Zehntausender gibt’s 800 Chips. 1 Euro sind ungefähr 115 Yen, also es bliebt im Rahmen und die übrig gebliebenen und gewonnen Chips können nächstes Mal wieder verwendet werden.
Ich habe gestaunt, wie ernsthaft doch viele bei der Sache sind, wo es doch um nix geht. Und teilweise waren auch recht versierte Spieler dabei, die nur zu gern dem einzigen Europäer seit Menschengedenken am Tisch erzählten, dass sie schon in Macau, Singapur oder Seoul gespielt haben.
Also was soll ich zum Spiel groß sagen, es ist ja egal. Aber der Spaß ist unglaublich. Nicht nur, dass die Dealerinnen selber mitspielen, ihre extra hohen Stimmchen machen das ganze absurd. Ihre Kostümchen, XXL-Wimpern und die Puppenschminke lassen dich denken, du bist in einem Manga-Film gefangen. Das schwerste am Spiel hier ist, nicht ständig zu lachen.
Ein schönes Souvenir aus meiner PuppenpokerbarQuelle: carstenweidling.de
Der Service ist wie immer in Japan sensationell und man erlebt schlicht das pure Vergnügen. Den größten Spaß hatte ich, als ich immer und immer wieder meinen Namen für meinen Mitgliedsausweis buchstabieren musste. Ich habe dann den Eintrag „Gastan Wai-ling“ (hübscher chinesischer Nickname) akzeptiert und bin nun Mitglied Nummer 8590.
Und wer schon mal da ist, sollte danach, man schließt 22 Uhr die Tische, in eines dieser Maid-Cafés gehen. Ich sage nur: leben in der Puppenstube. Wie man auf dem Bild sehen kann, wurde ich auch noch zum Karaoke mitsingen verdonnert und war so eine Art „Deutze Ken“ für all die Minibarbies.
Also ernsthaftes Poker findet man hier freilich nicht, aber wer mal eine wirklich gänzlich andere Pokeratomsphäre erleben will als irgendwo sonst auf der Welt, sollte an einem der beiden Tische in Tokio-Akihabara halt machen und versuchen, sich nicht komplett schlapp zu lachen.
Arigato domo Maids!
Euer Carsten Weidling on Tour
Wer mehr über Carsten und seine Weltreise erfahren möchte, kann gern auf www.carstenweidling.de
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 01.08.2010.