Wie viel Geld würden Sie für eine Software bezahlen, die Ihnen ermöglichte, die Karten Ihrer Gegner zu sehen? Wäre es nicht sogar besser, Sie hätten eine Software, mit der Sie die Karten Ihrer Gegner bestimmen könnten? Und mit einer solchen Software würden Sie Ihren Gegnern nicht so schlechte Karten geben, dass Sie nur deren Blinds stehlen könnten, sondern lieber zweibeste Hände, damit Sie diese mit Value Bets ausnehmen können. Anders gesagt wären Sie auf Situationen aus, in denen Ihre Gegner die leicht schlechtere Hand halten, weil dies die profitabelsten Situationen beim Poker sind.
Jetzt kommt’s: Sie haben diese Möglichkeit schon. In gewisser Weise haben Sie die Karten, die Ihre Gegner halten, unter Kontrolle. Wann immer sich ein Gegner am Pot beteiligt, tut er dies mit einem gewissen Handspektrum, das von der Action vor ihm, seiner Position, seiner Stackgröße, den Bedingungen am Tisch, seiner Stimmung etc. abhängt. Im weiteren Verlauf der Hand können Sie sein Spektrum jedoch mithilfe Ihrer konkreten Spielweise weiter eingrenzen.
Unglücklicherweise werden Sie ihn nicht dazu bringen, die Nuts wegzuwerfen und im Allgemeinen wird es auch schwer, ihn mit einem seiner besseren Blätter aus der Hand zu drängen. Aus diesem Grund sollten Sie Ihre starken Händen auch direkt spielen: Es besteht kaum eine Gefahr, Ihren Kontrahenten mit einer starken, aber leicht schlechteren Hand zu vertreiben, d.h. Sie sind prädestiniert, einen großen Pot zu gewinnen. Umgekehrt ist es in der Regel schlecht, eine mittelmäßige Hand zu stark voranzutreiben, da Sie Ihrem Gegner erlauben, alle schlechteren Hände wegzuwerfen und Ihnen mit den besseren Geld abzunehmen.
Je nach Variante unterscheiden sich die Typen von profitablen Situationen, wobei manche offensichtlicher sind als andere. Bei No-Limit Hold’em betrifft dies bessere Sets, Sets gegen Overpairs, Sets gegen Top Pairs, Overpairs gegen Top Pairs usw. Bei Omaha betrifft dies die Nuts mit Redraws gegen die Nuts ohne Redraws. Bei Omaha Eight or better die Nuts in der oberen Hälfte gegen zwei Gegner, die um die untere Hälfte konkurrieren oder die Nuts in der unteren Hälfte plus Flush Draw gegen die Nuts in der unteren Hälfte usw. Und bei Seven-Card Stud betrifft dies ein verdecktes Paar, mit dem Sie das offene Paar Ihres Gegners schlagen können.
Wichtig an einer profitablen Situation ist, dass man mehr als eine gute Hand benötigt. Man braucht eine gute Hand und gleichzeitig einen Gegner, der eine schlechtere hat und dennoch meint, diese sei die beste. Im Idealfall ist diese schlechtere Hand genau ein Rang schlechter als Ihre (z.B. Flush mit Ass gegen Flush mit König), damit Sie maximalen Druck ausüben können.
Natürlich gibt es noch viele weitere profitable Situationen, etwa solche, in denen Sie Ihren Gegner mit der schlechteren Hand aus dem Pot bluffen können. Im Moment geht es mir aber nur um die Fälle, in denen Sie beim Showdown das Maximum herausholen wollen.
Regelmäßigen Cashgame-Spielern könnte vieles des Folgenden selbstverständlich vorkommen, da es beim Cashgame um nichts anderes geht, als profitable Situationen zu erzeugen. In Turnieren, vor allem solchen mit niedrigen Buy-Ins, kann man mit einer guten Auswahl der Starthände und dem Auswendiglernen von All-In-Tabellen zurecht kommen, da ein Großteil der Gewinne von der falschen Anpassung an turnierspezifische Bubble- oder Short-Stack-Situationen Ihrer Gegner stammt. Man kann aber viel mehr Geld gewinnen, wenn man weiß, wie man das Maximum aus seinen Händen herausholt, und nicht nur eine gegnerunabhängige Short-Stack-Strategie anwendet.
Im Wesentlichen gewinnen gute Spieler beim Poker Geld, weil sie profitable Situationen erkennen und/oder erzeugen können. Sie gewinnen am meisten Geld von zweitbesten Händen, weil sie wissen, wie man diese im Pot hält und ihnen Bets abknöpft.
Wie man profitable Situationen erzeugt
Mit einer Made Hand (sprich einer Hand, die ohne Verbesserung einen Showdown gewinnen kann) ziehe ich immer alle möglichen Hände meiner Gegner in Betracht und kategorisiere diese in drei Gruppen. Die erste Gruppe umfasst die Hände, die mir gefallen (da er mich damit ausbezahlen kann/wird), die zweite umfasst die Hände, die mir nicht gefallen (solche mit vielen Outs, die nur bezahlen, wenn sie treffen oder solche, die mich bereits schlagen) und die dritte umfasst die Hände, die keine Rolle spielen (solche, die das Board komplett verfehlt haben und hoffnungslos sind, bzw. diejenigen, die so gut sind, dass mein Gegner sie nicht aufgibt und ich sie ausbezahle.)
Entscheidend bei der Maximierung profitabler Situationen ist, über die Hände nachzudenken, die Sie am wahrscheinlichsten auszahlen und wie Ihre Gegner auf eine Bet, einen Check oder einen Raise reagieren. Mit anderen Worten sollten Sie setzen, wenn Sie eine gute Hand haben und ein Flush Draw auf dem Board liegt.Ihr Spielzug sollte ein wohlüberlegtes Ziel verfolgen: “Ich setze, weil ich davon ausgehe, dass folgende Hände callen und folgende Hände folden.“ Oder, „Ich checke, weil mein Gegner folgende Hände folden würde, die mich später ausbezahlen.“
Um eine profitable Situation zu erzeugen, müssen Sie eine Linie wählen, die Ihnen den maximalen Gewinn gegen schlechtere Hände einbringt. Ist Ihre Hand so stark, dass sie viele Hände schlagen können, die Ihr Gegner für die beste halten könnte (etwa mit 77 oder AJ auf einem Flop mit AJ7), sollten Sie einfach setzen. Wird bei dem selben Board zu Ihnen gecheckt und Sie halten A5, empfehle ich einen Check, da kein vernünftiger Gegner auf diesem Board einen Fehler begeht. Mit einem Check erzeugen Sie eine Situation, in der ein Gegner eventuell mit einer schlechteren Hand in der nächsten Setzrunde einen Versuch startet oder mit einem mittleren Paar callt, da Ihre Bet eher wie ein Steal erscheint.
In der ersten Situation ist Ihre Hand gut getarnt, daher können Sie attackieren und direkt spielen, da ein Gegner mit einer Hand wie Top Pair vermutlich mitgeht. In der zweiten Situation ist Ihre Hand leicht schlechter als diejenige, die Sie mit einer Bet auf dem Flop repräsentieren. Sie ist nicht so schlecht, dass Sie bluffen müssen, aber nicht ausreichend für eine Value Bet. Die einzigen Gründe für eine Bet (die allerdings oft ausreichen) wären ein ausreichend großer Pot und/oder ein drawlastiges Board, derentwegen Sie den Pot direkt gewinnen wollen oder ein Gegner, der unter Umständen mit schlechten Pot Odds fehlerhaft weiterdrawt.
An diesem Punkt gelten drei grundlegende Prinzipien:
1. Unterm Strich ist die Hand Ihres Gegners zum aktuellen Zeitpunkt vermutlich desto besser, je mehr Geld er in den Pot investiert; aber,
2. Je größer der Pot ist, desto schlechter ist die Hand Ihres Gegners vermutlich bei allen späteren Entscheidungssituationen.
3. Die Spektren für Bets oder Raises sind in der Regel breiter als diejenigen für Calls.
Mit anderen Worten investieren viele Spieler mit einem umfangreichen Spektrum von Händen 3 bis 4 BBs in den Pot, wenn die Stacks groß sind. Sobald 12 bis 15 BBs vor dem Flop verlangt werden, schränken viele Spieler ihr Spektrum merklich ein (allerdings spielt die Setzfolge eine Rolle). Sobald jedoch der Flop aufgedeckt wird, könnte ein Spieler, der unverbesserte AK in einem Pot mit 12 BB folden würde, mit diesen ein Semi-Bluff-All-In versuchen, wenn der Pot 40 BB beträgt. Und mit Sicherheit geht er eher selbst mit einem Semi-Bluff All-In, als dass er ein All-In callt.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 30.03.2009.