Zu Beginn möchte ich ein paar hypothetische Situationen betrachten:
1. Gegen einen einzelnen Gegner wandert Ihr gesamtes Geld mit 7x 7x auf einem Flop 9x 9x 7x in den Pot. Der Turn ist eine Fünf, der River ein Ass. Ihr Gegner zeigt Ax 9x und kassiert mit seinem geriverten höheren Full House den Pot.
2. Die gleiche Situation, nur hatte ihr Gegner diesmal mit 99 die Nuts gefloppt.
3. Sie halten 4 3x auf einem Flop 9 6 5 . Ihr Gegner, einer kluger und talentierter Spieler, checkt und callt eine Bet in Höhe von drei Viertel des Pots. Der Turn ist der J und wieder checkt und callt er eine Bet in Höhe von drei Viertel des Pots. Auf dem River kommt die Q , er checkt und callt eine weitere Bet in Höhe von drei Viertel des Pots und zeigt A Q .
4. Sie halten Kx Tx gegen einen extrem loosen, passiven und schlechten Spieler. Er checkt und callt substantielle Bets auf einem Flop Tx 9x 5x und nach dem Turn, einer Vier. Der River ist eine Dame. Nichtsdestotrotz machen Sie eine Valuebet, nur um von Ax Tx gecallt zu werden und festzustellen, dass Sie die ganze Zeit hinten lagen.
Was haben diese Situationen gemeinsam? Ich würde sagen, es sind alles gut gespielte Hände mit einem unglücklichen Ergebnis für Sie.
Das mag für die ersten Beispiele offensichtlicher als für die späteren sein. In den ersten beiden Situationen hat man so typisches Pech, dass sich Begriffe dafür eingebürgert haben: der “Bad Beat” und der “Cooler”.
Die meisten Spieler lernen früh, einen Bad Beat oder einen Cooler nicht als Zeichen schlechten Spiels zu sehen. Wenn man versucht, sein Spiel zu verbessern, konzentriert man sich auf die Faktoren, die man kontrollieren kann, und wenn jemand anderes auf dem River Glück hat oder man mit der zweitbesten Hand in die Nuts rennt, dann kann man nichts dagegen tun.
Was nicht so leicht zu sehen ist und worauf ich in diesem Artikel eingehen will, ist, die beiden letzten Situationen sind genauso unglücklich wie ein Bad Beat oder ein Cooler. Man sollte die Ergebnisse der Hände 3 und 4 nicht so interpretieren, als ob die Bet auf dem River ein Fehler gewesen wäre. Wenn überhaupt, dann weisen die Ergebnisse darauf hin, dass Sie auf dem River gut bluffen und valuebetten.
Weder Ihre Bluffs, noch Ihre Valuebets müssen in 100% der Fälle ihr Ziel erreichen, um erfolgreich sein. Wenn sie so oft gelingen, dann bluffen und valuebetten Sie wahrscheinlich nicht oft genug.
Achten Sie immer auf die Range
Immer, wenn Sie eine Hand Poker spielen, spielen Sie mit Ihren Karten gegen eine Range von Händen, die Ihr Gegner in einer bestimmten Situation haben könnte. Die Tatsache, dass er 99 und einen Vierling zeigt statt T9 für Trips, ist unbedeutend, wenn Sie sich sicher sind, er hätte beides genauso gespielt. Das ist genauso außerhalb Ihrer Kontrolle wie das Ass auf dem Flop, das AK gegen Ihr KK vorne liegen lässt, nachdem Sie preflop all-in waren.
Das stimmt noch mehr, wenn Sie online statt live spielen. Auch wenn man mit echten Pokerspielern am gleichen Tisch sitzt, muss man seine Pokerfähigkeiten und Logik anwenden, um eine Handrange herzuleiten. Physische und verbale Tells helfen aber manchmal dabei, diese Range weiter einzuengen und zu bestimmen, ob der Gegner diesmal blufft.
In den meisten Fällen hat man solche Informationen online nicht, und selbst live ist sie nur selten so gut zu gebrauchen, wie es einige Bücher erscheinen lassen. Man muss die besten Entscheidungen gegen die gegnerische Range treffen, und dann die Karten entscheiden lassen.
Das trickreiche daran ist, es ist sehr schwierig, sein eigenes Spiel zu beurteilen. Wurde der Bluff in Beispiel 3 gecallt, weil der Gegner Top Pair riverte? Oder hätte er auch so mit AQ gecallt? Hätte der Bluff gegen die kleinen Paare, die einen großen Teil seiner Range ausmachten, Erfolg gehabt?
Auf ähnliche Weise kann man in Beispiel 4 folgern, dass man eine schlechte Valuebet gemacht hat, bloß weil man nicht die beste Hand hatte. Das ist genauso absurd wie ein Fold in Beispiel 1, nur weil der Gegner auf dem River Glück hatte.
Falls es aber keine Ergebnisse gibt, an denen Sie sich orientieren können, wie sollen Sie dann wissen, ob Sie auf dem River gut bluffen oder valuebetten? Die Wahrheit ist, man kann sich nie sicher sein, aber genauso wie KK bei einem All-in preflop langfristig einen Profit gegen AK machen wird, unabhängig vom Ergebnis einer einzelnen Hand, wird man langfristig Trends in seinen Resultaten feststellen können. Der gelegentlich gecallte Bluff oder die fehlschlagende Valuebet sind keine Fehler. Tatsächlich sind sie ein Hinweis darauf, dass Sie gut bluffen und valuebetten. Dünne Valuebets können die besten Hände der gegnerischen Range per Definition nicht schlagen.
Bluffen
Unter der Voraussetzung, dass Ihre Hand keinen Showdown-Wert besitzt, muss ein River-Bluff in Höhe von drei Viertel des Pots in ungefähr 43% der Fälle eine bessere Hand zum Folden bringen, um profitabel zu sein. Es ist selbstverständlich unmöglich, die genaue Call-Range oder Häufigkeit von Calls eines Gegners zu wissen, wenn man aber theoretisch weiß, ein Bluff würde zu 50% Erfolg haben, und man nicht blufft, dann kostet es einen genauso Geld, als ob man es aus der eigenen Tasche nähme und dem Gegner in bar überreichte.
Werden Ihre Bluffs nur selten oder nie gecallt, dann lassen Sie unzweifelhaft profitable Gelegenheiten aus und Geld auf dem Tisch. So seltsam es erscheinen mag, Sie möchten, dass ein Bluff in Höhe von drei Viertel des Pots in einem Drittel aller Fälle gecallt wird. Da Sie die genaue Call-Range Ihres Gegners nicht kennen können, ist das die beste Bestätigung dafür, dass Sie tatsächlich in einer guten Häufigkeit bluffen.
Im obigen Beispiel riverte Ihr Gegner Top Pair, Top Kicker, eine viel stärkere Hand als man nach seinem passiven Spiel erwarten konnte. Aus Ihrer Perspektive sah es nach einem Draw aus, möglicherweise mit einem schwachen Paar. Und das war es, was er hatte. Nur hatte er ein paar Outs, mit denen man nicht rechnen konnte. Man kann sich vorstellen, wieviele andere Hände er ähnlich gespielt, aber auf dem River gefoldet hätte: 75, 76, 97, 98, 77, 88, As 7s, As Ts und vielleicht sogar As Ks. Unabhängig davon, dass er auf dem River traf, machten Sie einen profitablen Bluff und die Dame auf dem River ist praktisch ein “Bad Beat”, auch wenn Sie die ganze Zeit hinten lagen.
Valuebetten
Valuebetten ist noch trickreicher als bluffen. Wenn man von einigen seltenen, aber komplizierenden Faktoren wie dem Risiko eines Checkraise-Bluffs absieht, dann macht eine Valuebet auf dem River einen Profit, wenn sie öfter von einer schlechteren als einer besseren Hand gecallt wird.
Das heißt nicht, Sie sollten mit 40-45% Ihrer Valuebets Geld verlieren. Wenn Sie auf dem River valuebetten, werden Sie oft eine Hand halten, die gegen die Call-Range Ihres Gegners klar vorne liegt und selten auf eine stärkere Hand trifft. Ihre dünnsten Valuebets aber sollten mit ungefähr dieser Häufigkeit auf bessere Hände treffen. Falls Sie nie eine Bet wie in Beispiel 4 machen, wo Sie gegen eine Hand, die knapp besser ist, valuebetten, dann verpassen Sie vermutlich viel Value durch Checks, in Situationen, in denen Ihr Gegner mit vielen etwas schwächeren Händen gecallt hätte.
Ich wählte absichtlich ein Beispiel, in dem Sie Position hatten und Ihr Gegner bereits checkte. Wenn Sie Out of Position sind, ist die Entscheidung, ob Sie eine dünne Valuebet machen sollten, komplizierter, da Sie den Erwartungswert Ihrer Bet mit dem Erwartungswert eines Checks und Folds oder Calls vergleichen müssen. Insbesondere in Position gegen einen wenig trickreichen Gegner können und sollten Sie aber mit allem, was von mehreren schlechteren Händen gecallt werden könnte, valuebetten.
Daraus folgt, dass Ihr Gegner Ihre Bets auf dem River sehr oft, häufig mit Händen, die besser als Ihre sind, callen sollte. So frustrierend es sein kann, eine Hand von ihm gezeigt zu bekommen, die die ganze Zeit vorne lag, so muss man realisieren, das ist ein gutes Zeichen. Solange es sich dabei um eine der besseren Hände seiner Range handelt, sollte man froh sein, ihm den Pot zu überlassen. Man denke nur an all die Fälle, in denen er mit JT, J9 oder 98 callt. Sie sollten das unglückliche Ergebnis mit der gleichen Gelassenheit wie einen Bad Beat auf dem River hinnehmen.
Andrew Brokos
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 28.01.2008.