Was also trennt die Spreu vom Weizen? (Erinnern wir uns, dass es nicht um Profis geht, die in erster Linie sehr hohe Limits, shorthanded, No-Limit oder Pot-Limit oder Turniere spielen. Darüber hinaus erfordern Hi-Lo Split-Partien einige besondere, nicht erwähnte Fertigkeiten.)
Ich habe zwanzig Dinge identifiziert, die diese starken Ringgame-Spieler verstehen und gut machen. Dinge, die von bloß halbwegs guten Spielern oft falsch verstanden oder falsch angewandt werden.
1. Handanalyse Die Fähigkeit, Hände gut zu lesen, ist in No-Limit, shorthanded oder in sehr toughen Partien noch wichtiger, und es gibt Leute, die die Wichtigkeit bei Limit überschätzen. Aber selbst in den hier gemeinten Partien ist diese Fähigkeit sehr wichtig. Oft ist eine Schwäche auf diesem Gebiet der Grund für den Misserfolg von “Buchspielern”. Es gibt vier Hauptarten, Hände zu lesen:
a. Psychologie (“Er hätte bestimmt nicht den Mut, an dieser Stelle zu bluffen.”)
b. Tells (“Immer, wenn er schwach ist, kratzt er sich an der Nase.”) Im ersten Teil warnte ich vor generischen Tells, die man aus Büchern gelernt hat, da diese zu unzuverlässig sind. Ein bestimmter Tell eines bestimmten Spielers ist etwas anderes.
c. Logische Herleitung (“Er raiste den Spieler zu seiner Rechten auf dem Multiway-Flop. Es ist also sehr unwahrscheinlich, dass er einen Flushdraw hatte.”)
d. Mathematik (“Sein Raise heißt AA, KK oder QQ. Mit einer Dame im Board stehen die Chancen 12 zu 3 dagegen, dass er ein Set hat.”)
Multiway-Pots senken den Wert der ersten zwei Kategorien und erhöhen die Wichtigkeit der letzten zwei.
2. Gedanken lesen. (Auch das ist in Limit-Ringgames weniger wichtig.) Die Handanalyse hilft dabei, Leute auf Hände zu bringen. Herauszufinden, auf was die anderen Spieler Sie (oder jemand anderen im Pot) setzen, ist im Zusammenhang mit deren Spielstil ein wichtiger Teil der Fähigkeit zur Handanalyse.
3. Reads in Kombination mit Wahrscheinlichkeiten anwenden. Auch wenn man sich auf sein Urteilsvermögen statt auf Mathematik verlässt, um Hände zu analysieren, sollte man den möglichen Blättern seines Gegners Wahrscheinlichkeiten zuordnen. Profis tun das instinktiv. Den Gegner früh auf nur eine Hand zu setzen, und dabei zu bleiben, unabhängig davon, was passiert, ist ein sicherer Weg in den Bankrott.
4. Das Verständnis für Probleme der Art “Welche Farbe hat der Punkt auf meiner Stirn?”. Es gibt eine Reihe von Logik-Problemen (oft mit Farbpunkten auf der Stirn), die nur gelöst werden können, wenn man voraussetzt, dass alle Beteiligten logisch denken. Ähnliche Situationen tauchen häufig in besseren Ringgame-Partien auf.Falls bei Stud offene Asse den River betten und von offenen Königen, gefolgt von offenen Damen gecallt werden, dann liegen Ihre drei Zehnen nicht vorne. Die meisten Situationen dieser Art sind nicht so eindeutig, das Prinzip aber das gleiche. Diese Logik ist in den alltäglichen Partien extrem wichtig.
5. Das Wissen, wann man eine River-Bet sparen kann. Theoretisch kann es verheerend sein, gute Hände für eine letzte Bet wegzuwerfen. Die Pot Odds sind zu hoch. Und selbst wenn es korrekt ist, wird es andere Spieler dazu bringen, zukünftig trickreicher gegen Sie zu agieren. Nichtsdestotrotz erkennen die Profis viele der Gelegenheiten, in denen sie diese Bet sparen können, was sich auf Dauer zu einem schönen zusätzlichen Profit aufaddiert. Die drei Zehnen im vorigen Beispiel sind ein klarer Fall dafür. Fast genauso klar sind viele andere Multiway-Situationen, in denen Sie overcallen müssen. In Heads-Up-Pots ist es jedoch fast immer fragwürdig, am Ende eine gute Hand wegzuwerfen. Diejenigen, die das gut beherrschen, spielen wahrscheinlich 100 $/200 $ oder höher.
6. Das Verständnis dafür, inwieweit das “Pferderennen-Paradoxon” auf Multiway-Pots zutrifft. Vor einigen Jahren zeigte ich in meinem Buch Getting the Best of It, dass das beste Pferd in einem Rennen nicht unbedingt die beste Chance auf einen Sieg hat, wenn es konstant läuft und andere Pferde launisch sind. Auf Poker bezogen, heißt das, dass gute Hände (die sich aber kaum verbessern können) in Multiway-Pots oft gefoldet statt gebettet werden sollten.
7. Das Wissen, wann man isolieren sollte. Die besten Spieler sind in der Lage, die Situationen zu erkennen, in denen es entscheidend ist, Heads-Up zu geraten, indem man andere Spieler aus dem Pot raist. Eine vollständige Analyse dieses Themas würde Dutzende von Seiten benötigen.
8. Raises. Halbwegs gute Spieler wissen in der Regel, wann sie callen oder folden und wann sie checken oder betten sollten. Sie raisen aber nicht genug (insbesondere checkraisen sie nicht genug). Es gibt viele Gründe, mit wenig offensichtlichen Händen zu raisen. Profis erkennen diese. (Sie wissen auch, wen sie mit sehr guten Händen nicht raisen sollten.) Das Wissen, wann man raisen sollte, ist fraglos ein Attribut, das die Profis von den Amateuren unterscheidet.
9. Logik. (“Obwohl ich die beste Hand halte, sollte ich checken, da er neben ein paar Bluffs alle die Hände betten wird, mit denen er mich callen wird, und er mit den Händen raisen wird, die mich schlagen.”)
10. Vorausschauendes Denken wie beim Schach. Damit meine ich die Visualisierung, wie die kommenden Straßen gespielt werden, und eine entsprechende Anpassung der Strategie. (“Ich warte die sechste Straße ab, um mit meinen zwei verdeckten Paaren bei Stud zu raisen, damit ich Geld sparen kann, falls sich seine Hand paart.” Ich werde bei Stud auf der fünften Straße raisen, da mir die sechste Straße das dritte Herz bringen könnte, was ihn checken ließe.”)
11. Geschickte Semi-Bluffs. Kurz gesagt, Profis semibluffen etwas häufiger als Amateure. Neben der Tatsache, dass ihnen die Bet mehrere Möglichkeiten bietet, den Pot zu gewinnen, verstehen die Profis, dass ihnen Semi-Bluffs auch im weiteren Verlauf der Partie helfen.
12. Das Wissen, wann man eine Freecard geben kann. Das ist eine sehr wichtige Komponente bei Hold’em, in anderen Pokervarianten weniger. Jedes Mal, wenn Sie eine gute Hand nicht betten, werden Sie nicht nur Profit einbüßen, sondern sogar riskieren, den Pot gegen einen Spieler, der auf eine Bet gefoldet hätte, zu verlieren. Andererseits könnten ein Check und das Geben einer Freecard
a) Geld sparen, wenn man geschlagen ist oder geschlagen sein wird.
b) Einen Bluff von jemandem provozieren, der auf eine Bet gefoldet hätte
c) Jemandem, der gefoldet hätte, erlauben, eine zweitbeste Hand zu machen
d) Einen Call auf dem River von jemandem bekommen, der eher gefoldet als zweimal gecallt hätte.
Das Wissen darum, wie man die Pros und Contras einer Freecard in einer bestimmten Situation gewichten sollte, ist eine der wichtigsten Begabungen, die ein Profi hat.
13. Das Stehlen kleiner Pots. Amateure tendieren dazu, das Interesse an kleinen Pots zu verlieren, wenn sie selbst nichts haben. Besonders bei Hold’em tauchen aber häufig Situationen auf, in denen eine Big Bet eine Wahrscheinlichkeit von mehr als 33% besitzt, die vier Small Bets im Pot zu stehlen. Profis lassen diese Gelegenheiten nicht aus.
14. Ein wenig trickreich sein. In den Limit Ringgames, in denen die beschriebenen Profis ihr Einkommen verdienen, ist es falsch, anders zu spielen, als die Karten und die Situation vorgeben. Irreführend zu spielen, schadet in diesen Partien mehr, als dass es hilft. Viele Amateure versuchen, zu trickreich zu sein. Andererseits gibt es ein paar Spieler, die sich selbst schaden, indem sie so ABC pokern, dass sie ihre Karten praktisch aufdecken könnten. Die Profis wissen, dass die beste Strategie nur einen Hauch an Täuschungsmanövern beinhaltet.
15. Das Wissen, wann man zwei oder drei Salven abfeuert. Die meisten guten Spieler werden normalerweise, unabhängig von ihrer Hand, ein zweites Mal betten, wenn sie bei Hold’em vor dem Flop oder bei Stud auf der dritten Straße geraist hatten. Die besten Spieler wissen, wann sie weiter setzen sollten und wann nicht.
16. Berücksichtigung der Potgröße. Gute Spieler wissen, dass die Pot Odds ein Schlüsselfaktor dabei sind, zu bestimmen, ob man eine Hand weiterspielen sollte, die offensichtlich nicht vorne liegt. Ausgezeichnete Spieler wissen, dass fast alle Poker-Entscheidungen, ob es um Bets, Calls, Bluffs oder Raises geht, von der Potgröße abhängen.
17. Eine ausgezeichnete Strategie für die Starthände. Gute Spieler sind häufig tighter als Profis. Aufstrebende Hold’em-Profis wissen außerdem, wie man sich bezüglich der Position und der vorherigen Action anzupassen hat. (Falls nicht, sollten sie sich schämen, da sie dann nicht “Hold’em Poker” oder “Hold’em Poker for Advanced Players” studiert haben). Erfolgreiche Profis gehen jedoch noch weiter. Sie wissen, wann sie aufgrund von schlechten Spielern im Pot oder wegen zukünftiger Action (bzw. dem Fehlen selbiger) looser werden können. Bei Stud gibt es natürlich auch den wichtigen Faktor der offenen Karten und der dadurch verhinderten Action.
18. Keine Cold-Calls. Dies ist ein einfaches Konzept wie die Disziplin. Der Grund dafür, dass ich das als Attribut der erfolgreichen Spieler aufführe, besteht im geringen Bekanntheitsgrad des Konzepts. Einfach gesagt, halten Sie Abstand von Raisern aus Early Position, insbesondere in Middle Position, solange Sie keine wirklich ausgezeichnete Hand halten. Es gibt natürlich Ausnahmen, aber nicht annähernd so viele, wie die meisten Amateure glauben (die beispielsweise einen Raise mit KJ coldcallen würden).
19. Toughe Folds früh, aber nicht spät machen. Das sollte einem der gesunde Menschenverstand sagen, und dieses Konzept könnte auch unter der Berücksichtigung der Potgröße gefasst sein. Ich führe es gesondert auf, da der Fehler unter Nicht-Profis so gängig ist. Profis steigen auf Druck früh aus, ignorieren diesen Druck, aber später fast völlig.
20. Andere dazu bringen, schlecht zu spielen. In Teil I erwähnte ich, dass ein ernsthaftes Image Ihre Action zerstören und unerwünschte Tricks Ihrer Gegner provozieren kann. Erfolgreiche Profis haben dieses Problem nicht. Sowohl ihr Verhalten am Tisch, als auch die Art und Weise, auf die sie ihre Hände spielen, ermutigt ihre Gegner gegen sie mindestens so schlecht wie gegen alle anderen auch zu pokern. Sie übertreiben es damit nicht, da der Nutzen die Kosten nicht wert wäre. Es sind kleine Dinge, die sicherstellen, dass ihre Gegner nicht unwissentlich so spielen, wie es Spieltheorie nahe legen würde.
Diese Liste der Fertigkeiten und Attribute hochgradig erfolgreicher Ringgame-Spieler ist nicht allumfassend. Ich hätte beispielsweise “tight, aber aggressiv sein” oder “Better sein, nicht Caller” sowie einige andere Konzepte aufführen können. Diese überschneiden sich aber großenteils mit anderen aufgeführten Dingen. Ich hätte außerdem bestimmte Motive, die nur auf eine Pokervariante bezogen sind (z. B. wann man bei Omaha auf dem Flop bluffen sollte) auflisten können. Ein anderes Mal. Für dieses Mal habe ich Ihnen hoffentlich ein Gefühl für die vielen Konzepte, die nur die besten Spieler verstehen, gegeben. Es ist nicht nur Glück.
David Sklansky
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 10.07.2007.