Insbesondere weniger erfahrene Spieler lieben es, schon vor dem Flop all-in zu sein. Die Erklärung dafür ist naheliegend. Jede Gefahr, sich, auf Grund eines ungünstigen Flops, mit dem besseren Blatt verdrängen zu lassen, wird dabei ausgeschaltet.
Ax Kx in der Hand und ein Flop von Tx 7x 2x . Was tun bei einem Potsize-Bet? Spiele ich gegen eine 10, gegen ein Pocket-Pair oder vielleicht nur gegen Ax Qx ? Oder, ich spiele Jx Jx und im Flop liegt ein Ass. Kann ich dem Gegner wirklich glauben, dass er ein Ass in der Hand hält?
Es gibt dabei aber den großen Unterschied zwischen dem All-in-Bet und dem All-in-Call, was natürlich jedem Pokerspieler, der auch nur halbwegs mitdenkt, völlig klar ist. Die Gewinnerwartung des Bets besteht aus Gewinnpotential + Fold Equity, während der Call sich auf das Gewinnpotential beschränkt.
Spielen wir am Cash-Tisch, sind schlechte Calls ausnahmslos willkommen. Gelingt dem Gegner mit dem schwächeren Blatt ein Glückstreffer, gut, dann gewinnt er eben einen Pot. Seine schlechten Call-Gewohnheiten tragen aber dazu bei, dass ihm die Chips nicht lange verbleiben werden.
Aber, und wer hat diese schmerzliche Erfahrung noch nicht erlitten, im Turnier kann uns ein schlechter Call den Kopf kosten. Der langfristige Profit stellt sich natürlich auch dort ein, aber eben auf mehrere Turniere ausgedehnt. Worum es mir aber hier geht, ist denen, die es noch nicht wissen, zu erklären, warum gewisse All-in-Calls nicht profitabel sein können.
Während es jedem vernünftigen Pokerspieler völlig klar ist, warum J-10 oder 4-4 für einen Call nicht ausreichen, es sei denn, der verbleibende Stack ist so klein, dass die Odds wieder stimmen, verweisen regelmäßige Calls mit derartigem Blatt darauf, dass es doch sehr viele Spieler gibt, denen die Logik hinter einem Call nicht ganz so verständlich erscheint.
Hier ein kurzer Überblick über Gewinnwahrscheinlichkeiten. Die Prozentsätze sind annähernd und verändern sich geringfügig bei Suited Cards beziehungsweise besseren Möglichkeiten zu Straights:
Höheres Pocket-Pair gegen niedrigeres Pocket-Pair (z. B. A-A gegen K-K oder Q-Q gegen 2-2): 80 zu 20
Pocket-Pair gegen eine höhere und eine niedrigere Karte (z. B. 10-10 gegen A-9): 72 zu 28
Pocket-Pair gegen zwei niedrigere Karten (z. B. K-K gegen Q-J): 85 zu 15
Pocket-Pair gegen zwei höhere Kartenwerte (z. B. 7-7 gegen Q-J): 50 zu 50
Und hier einige Beispiele mit Live-Cards:
A-K gegen A-Q: 75 zu 25
A-K gegen Q-J: 65 zu 35
A-J gegen K-Q; 60 zu 40
Spielt Ax 2x gegen Jx Tx , wie es bei den WSOP 2003 zwischen Chris Moneymaker und Tomer Benvenisti der Fall war, steht das Verhältnis natürich ebenfalls 60 zu 40, weil die Situation mit Ax Jx gegen Kx Qx fast identisch ist.
Kürzlich ergab sich folgende Situation in einem Sit&Go, an einem der neuen elektronischen Tische im Montrealer Casino: Fünf Spieler waren noch am Tisch, die Blinds auf 400/200. Raise auf 1.200, All-in mit 7.000, Call (zur Gänze abgedeckt). Das All-in erfolge mit Ax Jx , der Call mit 4x 4x .
Was konnte der Caller in der Hand des Gegners erwarten? Entweder ein Pocket-Pair, Ass mit gutem Kicker oder einen Bluff. Was für Karten könnten hinter dem Bluff stecken? 7-6? 10-5? K-8?Gegen welche Karten wäre er Favorit? Eigentlich nur gegen 3-3, 2-2 und jede beliebige Kombination, die entweder eine 3 oder eine 2 enthält.
Ein Call, der entweder zum Coin-Flip oder zur Unterlegenheit führt, kann nicht profitabel sein!
In einem Online-Turnier, die Blinds waren auf 2000/1.000 und Big Blind hatte noch 8.000 Chips übrig, investierte dieser seinen ganzen Stack auf J-10 offsuit. Das All-in kam vom Chip-Leader am Cutoff. Gegen wie wenige Konstellationen konnte er damit Favorit sein? Eigentlich nur gegen zwei Werte unter 10. Der Chip-Leader hatte übrigens keineswegs aggressiv gespielt – und dass sein Einsatz gerade in diesem Fall auf nichts besserem beruhte als auf 9-8, das konnte er, insbesondere online, keineswegs erahnen.
Fassen wir die Situation kurz zusammen, so rechnet sich der Call eines All-ins, wenn es zwar möglich ist, dass wir Außenseiter sind, aber auch nicht ausgeschlossen, dass unser Blatt doch das favorisierte ist. Entspricht es aber eher der Wahrscheinlichkeit, dass wir entweder unterlegen sind oder uns auf einen Coin-Flip einlassen, worin sollte der Sinn eines Calls liegen? – Es sei denn, die Odds betragen zumindest 1 zu 2.
Alex Lauzon
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 04.03.2008.