Also wenn jemand geglaubt hat, dass ich schon 100 Jahre Hold’em spiele, der hat sich getäuscht. In Wirklichkeit war ich ein klassischer 5 Card Stud-Spieler und das mit Leidenschaft. Für mich war Hold’em ein komisches Spiel mit zwei Karten und einem großen Durcheinander. Und überhaupt ist in den 90er Jahren der aufkeimende Erfolg von Poker in Europa völlig an mir vorbeigegangen.
Das hat sich dann geändert, als mein guter Freund Rolf Schreuder mir Bruno Fitoussi vorgestellt hat. Das muss irgendwann 1999 gewesen sein. Wir haben uns gut verstanden und immer wieder mal gesehen. Dann im Jahre 2001 hat mir Bruno von einem Pokerturnier in Prag erzählt und mich eingeladen zu kommen. Ich konnte mir das gar nicht vorstellen, dass Spieler extra wohin reisen, nur um Poker zu spielen. Aber Bruno hat mir versichert, dass da viele berühmte Cracks kommen werden. Das Buy-in sei 1.000 Dollar und NL Hold’em wäre das Spiel. Irgendwie ließ ich mich überreden und Prag ist ja auch eine schöne Stadt und somit sowieso eine Reise wert.
Das Turnier war gut besucht und es waren wirklich Spieler aus ganz Europa da. Nur ich kannte keinen einzigen, ich war ein absolut grüner Junge in der internationalen Turnierwelt. – Dann hat das Turnier begonnen, alle waren mit Ernsthaftigkeit und Konzentration bei der Sache. Es hatte so überhaupt nicht die Atmosphäre einer Städtereise mit ein wenig Kartenspielen, wie ich eigentlich gedacht hatte.
Über Hold’em wusste ich damals noch nicht allzu viel und über Strategien bei so einem Turnier schon gar nicht. Aber als 5 Card Stud-Spieler hatte ich viel Erfahrung, um aus wenigen Informationen doch eine Menge Erkenntnisse zu bekommen. Die Art und Weise und mit welcher Ernsthaftigkeit die Spieler ihre Chips rein schoben, wenn sie eine starke Karte hatten, auf die sie stolz waren. Wie sich die Stimme anhört und wo sie hinsehen. Mit solchen Sachen halt konnte ich mir ein wenig helfen und ich konnte so halbwegs mitschwimmen und mein Stack ein wenig aufbauen.
Dann bekam ich diesen unheimlichen Anruf. Ein Schloss zu meinem Büro war irgendwie von außen manipuliert worden und dann zugeklebt mit Kaugummi oder so. Am Anfang dachte ich an einen dummen Jungen Streich, aber nach ein paar Telefonaten war mir klar, das war ein Einbruch, oder die Vorbereitung dafür. Ich bin dann zwischen den Telefonaten immer wieder zu meinem Tisch gelaufen, um wenigstens die Blinds zu spielen und dann wieder in Amsterdam gekurbelt, dass jemand schnell in mein Büro dort geht und aufpasst. – Bis ich das alles unter Kontrolle hatte, war ich mit meinem Stack ganz unten, aber aufgeben, das gab es für mich schon damals nicht. Also wieder neu konzentriert und alle Spieler am Tisch so gut es ging genau studiert und immer, wenn sie Schwäche zeigten, die Pots gestohlen.
Bis zum Finaltisch hatte ich mich schön wieder aufgebaut. Genau an die Spieler erinnere ich mich heute nicht mehr. Für mich waren alle Gesichter einfach zu neu. Ich weiß nur noch, dass sieben Franzosen am Finaltisch waren, dann Theo Brändle und ich.
Irgendwie ist das dann auch recht rasch gegangen. Ein Franzose hat den anderen Franzosen aus dem Turnier gekickt und wir waren dann zu zweit, Jean-Bernard Bot und ich. Das Duell ist dann ein wenig so hin und her geplätschert und irgendwann wollte ich mal wieder sein großes Blind stehlen und habe ein Raise gemacht – die Hand werde ich niemals vergessen – mit 2-3 offsuit. Allerdings hat er eben sich nicht das Blind stehlen lassen und bezahlt. Der Flop war dann natürlich A,4,5 und er hatte das starke Ass. Am Flop haben wir beide gecheckt und am Turn ging das Massaker los. Beide all-in und den Pot und damit auch das Turnier gewonnen. J.B. Bot konnte es nicht fassen. Sogar nach dem Showdown beim all-in konnte er meine Karte erst gar nicht zuordnen, weil er mit 2-3 offsuit einfach nicht gerechnet hatte und zuerst glaubte, mich bei einem Bluff erwischt zu haben. – Nun der „Bluff“ war jetzt Nuts und da änderte sich auch am River nicht mehr. .
Ich bekam einen Pokal und $40 000. Mein Büro in Amsterdam bekam derweil ein paar neue Schlösser und meinen Ruf hatte ich damit als Verrückter, der alle Karten spielt. Und außerdem hatte ich jetzt Lust auf mehr solche „Städtereisen“ – Davon das nächste Mal mehr.
Euer Marcel
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 06.08.2007.