Die Auflösung unserer Pokerbrainstorm-Hand: Nach immer komplizierteren Entscheidungen wollen wir uns die Auflösung der interaktiven Hand anschauen.
Vielen Dank für die Kommentare und Abstimmungen – hier der gesamte Handverlauf:
Die Hand
Proagonist, CO ($140 Stack): A A
BB ($103)
Der Protagonist raist nach zwei Folds auf $3. Nur der Big Blind callt.
Flop ($6,50 im Pot): 8 7 2
Der Big Blind checkt, der Protagonist setzt $5, der Big Blind raist auf $15. Der Protagonist callt.
Turn ($36,50 im Pot): K
Der Big Blind setzt $25, der Protagonist callt.
River ($86,50 im Pot): 4
Der Big Blind setzt $50, der Protagonist …?
So wollten unsere Leser weiterspielen:
Fold | 38% |
Call | 62% |
Zu den bekannten Statistiken des Gegners: VPIP: 23%, PFR: 16%, 3-Bet: 9%, Fold auf C-Bet: 45%, Raise auf C-Bet 20%. Er verteidigt seinen Big Blind liberal und mixt in solchen Situationen häufige 3-Bets vor dem Flop mit häufigen Calls. Über das Turn-Spiel des Gegners wissen wir nichts. Der Protagonist dürfte das Image eines 21/17-Regs haben.
Zur Entscheidung auf dem River
Der Protagonist schlägt nach der $50-Bet nur einen Bluff. Dass der Big Blind mit einer schlechteren Hand auf diesem Board eine Value-Bet bringt, ist extrem unwahrscheinlich.
Bei Pot-Odds von 86:50 muss der Protagonist in etwa 27% der Fälle vorne liegen, um auf dem River einen profitablen Call machen zu können.
Blufft der Big Blind so häufig? Auf NL100 sollte man noch nicht davon ausgehen, dass die meisten Spieler mit einer sonderlich hohen Frequenz große Bluffs auf dem River bringen. Es ist zwar auf jeden Fall möglich, dass der Big Blind hier zum Beispiel mit einer Hand wie 5x 5x oder 10 9 auf dem Flop einen (Semi-)Bluff plant und bis zum River durchzieht, aber es ist mit Sicherheit nicht die Regel.
Rein mathematisch sind in der Value-Range des Big Blinds auf dem River rund 25 verschiede Hand-Kombinationen (Sets: 99, 88, 22; Flushes: qcjc, qctc, qc9c, jctc, jc9c, tc9c, 9c7c, 7c6c, 7c5c, 6c5c, 5c4c; Two-Pair:87s und Straßen: 65s). Die Aufzählung ist zwar nicht ganz akkurat – hin und wieder hat der Big Blind eine Hand wie KK komisch gespielt und ein Set oder er er callt nicht mit 22 oder 5c4s vor dem Flop – aber die Gesamtzahl stimmt in etwa: er kann hier rund 25 Kombos halten, die den Protagonisten schlagen.
Nun sind die meisten dieser Kombos aber nicht sonderlich stark und man kann davon ausgehen, dass der Big Blind eher selten mit einer Hand wie Two-Pair den River setzt, denn sonderlich weit vorne kann er sich damit auch nicht sehen, wenn seine Bet gecallt wird. Realistisch kann man wohl davon ausgehen, dass der Big Blind den River mit etwa 15 Kombos setzt, die den Protagonisten schlagen.
Wenn man nun etwa 6 Bluff-Kombos in der Hand des Big Blinds ausmachen kann, dann könnte der Protagonist profitabel callen, denn dann würde der Big Blind mit 28% seiner Kombos bluffen.
Aber es ist äußerst schwierig, hier ganze sechs Kombos zu finden, die regelmäßig bluffen. Eventuell finden sich ein paar Suited-Connectors, die bluffen und hin und wieder komisch gespieltes Gemüse, aber auf NL100 sollte man zunächst und ohne weiter führende Reads davon ausgehen, dass ein Gegner eher selten einen elaborierten Triple-Barrel-Bluff durchzieht.
Deswegen ist ein Fold wohl die beste Alternative.
Auflösung der Hand
Wie die meisten Leser drückte der Protagonist in der betreffenden Hand den Call-Button. Der Big Blind gewann den Pot mit 7 7 .
Zusammenfassend nochmals kurz zu den einzelnen Punkten in der Hand:
Preflop: Raise ist Standard
Flop: C-Bet ist Standard, er Call des Raise die mit Abstand beste Alternative gegen den Big Blind, da die Hand für einen Fold viel zu stark ist, man sich aber mit einem Reraise fast nur gegen bessere Hände oder starke Draws isoliert.
Turn: Call ist die beste Option. Für einen Fold ist die Hand weiterhin zu stark, hat ferner Nut-Outs dazubekommen und der Protagonist hat Position, um den River zu spielen. Für einen Reraise ist die Hand mit etwas über 20% Equity gegen die Value-Range des Big Blind immer noch zu schwach und bessere Hände bekommt fast sicher nicht rausgedrückt.
River: Ein Call ist bestenfalls grenzwertig, da auf NL100-Zoom zu selten geblufft wird, es relativ augenscheinlich ist, dass der Protagonist eine Showdown-Hand hat und die Range des Big Blinds vergleichsweise viele Value-Kombos, aber wenige Bluff-Kombos enthält. Die Argumentation “Wenn man den Turn callt, muss man auch den River callen” verfängt nicht, denn die Wahrscheinlichkeit, dass ein NL100-Gegner den Turn für 25 Big Blinds blufft, ist wesentlich größer als die Wahrscheinlichkeit, dass er den Bluff für 50 Big Blinds auf dem River durchzieht (auch wenn die Gegner auf diesen Limits immer stärker werden und solche Bluffs durchaus vorkommen).
Lasst und wissen, wenn ihr anderer Meinung seid oder Anmerkungen zur Hand habt. Auf jeden Fall nochmals vielen Dank für die rege Teilnahme und wir werden die nächste interaktive Hand in Kürze folgen lassen. Dann nehmen wir vielleicht eine etwas einfachere.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 11.04.2016.