In unserem letzten Pokerbrainstorm stellten wir unsere Leser vor fünf vergleichsweise einfache Preflop-Entscheidungen und wollten wissen, wie sie in dieser Situation spielen würden.
Vielen Dank an alle, die uns via Abstimmungstool an wissen ließen, wie sie spielen würden. Nun erklären wir, wie wir die Situationen einschätzen. Zunächst die Ausgangslage:
Einfache(?) Preflop-Entscheidungen
Wir spielen online an einem NL50-Tisch. Neben uns sitzen drei Standard-Regulars am Tisch. Zwei Positionen hinter uns sitzt ein vergleichsweise schwacher Spieler, der vor allem vor dem Flop zu loose ist und nach dem Flop zu passiv spielt und vor uns sitzt ein etwas zu aggressiver und zu looser Spieler.
Mit dem Spieler in zweiter Position haben wir in der letzten Stunde ein paar Hände ausgetragen, dabei ist aber wenig aufsehenerregendes heraus gekommen. Wir haben ihn schon mehrfach vor dem Flop gereraist, dabei hat er einmal eine 4-Bet gebracht und ansonsten gefoldet. Unser Image sollte das eines soliden Regulars sein.
Die Situation ist nun eine ganz einfache: Der Spieler in zweiter Position erhöht, der loose, passive Spieler ist im Big Blind und wir sitzen am Button und müssen uns für eine Aktion entscheiden:
UTG (21/18) ($67)
UTG+1 (24/16) ($61)
CO (37/19) ($89)
BU (wir) ($60)
SB (25/18) ($53)
BB (41/10) ($97)
Preflop: UTG foldet, UTG+1 erhöht auf $1,50, CO foldet, wir …?
Im Pot liegen bislang $2,25 und wir haben $60 im Stack. Nun sind in dieser Hand aber noch gar keine Karten für uns gegeben.
Denn wir wollten von Euch wissen, was ihr mit verschiedenen Händen in dieser Situation standardmäßig machen würdet:
Fall 1 (Wir haben ein Monster): Was machen wir mit K K ?
Das würden unsere Leser machen:
Call | 18% |
Raise | 82% |
Unsere Meinung: Ein Raise ist hier definitiv die richtige Spielweise. Die Überlegung hier zu callen, um den schwachen Spieler in die Hand einzuladen, ist zwar nachvollziehbar, aber völlig falsch. Ein schwacher Spieler macht zwischen Raise und 3-Bet vor dem Flop keinen zu großen Unterschied und wird auch Reraises noch mit einer vergleichsweise weiten Range callen. Hier nur zu callen lässt auf lange Sicht zu viel Geld auf dem Tisch liegen und verkompliziert das Spiel unnötig.
Fall 2 (Wir haben eine ziemlich starke Hand): Was machen wir mit A J ?
Das würden unsere Leser machen:
Call | 41% |
Raise | 59% |
Unsere Meinung: Ass-Bube-suited ist definitiv stärker als die Range vom Open-Raiser, aber kein Monster mehr. Wir wollen hiermit nicht preflop unseren Stack versenken. Eine Hand wie Ass-Bube-suited ist der Prototyp einer Hand, mit der man solche Raises callen kann. Denn man hat nach dem Flop Position auf den Raiser, trifft genau die Flops, die er blufft und kann eine Menge Draws oder Backdoor-Draws treffen, um postflop profitabel spielen zu können.
Ein Raise ist hier ebenfalls spielbar und je nach Tischdynamik eine sehr gute Spielweise, aber ein Call ist ein exzellenter Spielzug.
Fall 3 (Wir haben eine halbwegs starke Hand): Was machen wir mit A 10 ?
Das würden unsere Leser machen:
Fold | 29% |
Call | 48% |
Raise | 23% |
Unsere Meinung Für Ass-Zehn-Offsuit gilt Ähnliches wie für Ass-Bube-Suited: Die Hand ist halbwegs stark gegen die Range des Open-Raisers und in Position gut spielbar.
Allerdings hat die Hand weit weniger Potential als die vorige. Man trifft seltener eine gute Showdown-Hand wie Top-Pair und die Option auf Flushes ist auch nicht realistisch. Paradoxerweise spricht dies eher für einen Raise als für einen Call.
Denn wir haben nichts dagegen, die Hand hier und jetzt zu beenden, ohne einen Flop zu sehen. Sollte unser Reraise jedoch gecallt werden, haben wir immer noch eine ordentliche Hand, um in Position weiterzuspielen.
Ferner hatten wir mit der vorigen Hand nichts dagegen, den schwachen Spieler im Big Blind in die Hand einzuladen (denn Ass-Bube-suited ist auch gegen zwei Spieler noch sehr stark). Ass-Zehn-offsuit ist jedoch deutlich schwächer gegen zwei Gegner und deswegen wollen wir das Feld möglichst ausdünnen.
Deswegen ist ein Raise hier im Allgemeinen die bessere Spielweise.
Auch ein Fold ist eine valide Option, denn der Open-Raiser spielt von einer frühen Position und raist nur 16 Prozent seiner Hände. Dagegen ist Ass-Zehn-offsuit zwar halbwegs stark (auf dem Papier hat man damit 47% Equity gegen eine Top-16%-Range), aber eben auch nicht mehr Favorit. Wer postflop unsicher gegen den Raiser ist, macht mit einem tighten Fold hier wenig falsch.
Fall 4 (Wir haben ein kleines Paar): Was machen wir mit 6 6 ?
Das würden unsere Leser machen:
Fold | 2% |
Call | 79% |
Raise | 19% |
Unsere Meinung: Der Call sticht hier alle anderen Optionen aus. Ein kleines Paar in Position ist an sich schon eine spielbare Hand und man hat eine fast 12-prozentige Chance, ein Set zu treffen.
Wichtig ist es, mit einem Call einen Plan für das Flop-Spiel zu haben und dieser Plan sollte nicht nur beinhalten, hoffentlich ein Set zu treffen. Wenn das Spiel nach unserem Call Heads-Up ist (was die wahrscheinlichste Option ist), können wir auf vielen Flops auch ohne Set weiterspielen, gegebenenfalls bluffen oder versuchen, günstig zum Showdown zu kommen.
Fall 5 (Wir haben eine spekulative Hand): Was machen wir mit 8 7 ?
Das würden unsere Leser machen:
Fold | 19% |
Call | 58% |
Raise | 23% |
Unsere Meinung: Ein Call mit dieser Hand ist möglich und spielbar, aber sollte nicht automatisch standardmäßig gemacht werden.
Die Wahrscheinlichkeit mit 87s einen starken Draw (Open-Ender oder Flush-Draw) oder Two-Pair (oder besser) zu treffen beträgt rund 25 Prozent. Wenn diese 25 Prozent nicht eintreffen, haben wir sehr häufig eine fast wertlose Hand und wenig Anreiz, die Hand nach dem Flop weiterzuspielen. Und auch die Draws, die wir in rund 22 Prozent treffen, sind keine automatischen Gewinner.
Wer hier vor dem Flop callt, sollte auf jeden Fall einplanen, auf vielen Flops auch ohne Treffer oder Draw zu bluffen (wenn das Spiel Heads-Up ist), denn ansonsten ist ein Call keine profitable Option.
Ein Raise mit 87s ist eine wunderbare Semi-Bluff-Option vor dem Flop. Wir haben schon festgestellt, dass man mit der Hand auch bei einem Call nach dem Flop dann und wann bluffen muss, um sie profitabel zu spielen, also warum damit nicht gleich vor dem Flop anfangen?
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 04.11.2014.