In unserer Pokerbrainstorm-Reihe wollten wir wissen, wie unsere Leser Ass-Bube in einem Turnier spielen würden. Wir sind bis zum River vorgedrungen und haben Preflop, Flop und Turn besprochen. Jetzt folgt noch die letzte Setzrunde und die Auflösung.
Wir sind in der konkreten Situation in einem mittelteuren Live-Turnier (€500 Buy-In) mit mehreren hundert Teilnehmern und einem vergleichsweise soften Feld. Wir haben, nachdem die Hälfte des Feldes eliminiert wurde, mehr oder weniger Average Stack und bekommen in mittlerer Position eine halbwegs spielbare Hand:
Blinds: t300 / t600 / t50 Ante
Average: t28.000
Das Turnier ist noch recht weit von der Bubble entfernt.
MP, Hero: t26.500 (A♥ J♠ )
CO: t32.000
BU: t45.200
SB: t15.400
BB: t11.250
Was wir über die Spieler wissen:
CO: Solider, etwas zu tighter Mittdreißiger.
BU: Looser, etwas passiver Spieler.
SB: Betonmischer, der zu tight spielt.
BB: Guter, aggressiver Spieler.
Die vier Spieler vor uns haben gefoldet und wir sind mit Ass-Bube an der Reihe. Was machen wir?
Gehen wir kurz die einzelnen Antwort-Optionen durch:
Fold (Von 3% der Leser favorisiert)
Ein Fold hier wäre ein extrem defensiver Spielzug. Eine oder zwei Positionen weiter vorne oder ohne Antes im Spiel wäre ein Fold vertretbar, aber Ass-Bube ist hier einfach zu stark, um es zu entsorgen.
Call (4%)
Von allen Optionen die schlechteste. Es mag Situationen geben, in denen ein Limp gerechtfertigt ist. Hier nicht.
Wir haben eine starke Hand, aber keine so starke, dass wir eine Falle stellen können und wir wollen Initiative und die Hand entweder preflop gewinnen oder Heads-Up spielen. Deswegen sollte hier auf jeden Fall geraist werden.
Raise auf t2.400 (4%)
Früher brachte man neuen No-Limit-Spielern bei, die richtige Raise-Größe ist 4 Big Blinds plus einer pro Limper. Das war zu Zeiten, als solche Raises noch von marginalen Händen gecallt wurden und das Spiel im Allgemeinen wesentlich passiver war.
Inzwischen ist das Spiel deutlich aggressiver und selbst ein looser Spieler überlegt es sich zweimal einen so hohen Preflop-Raise mit spekulativen Händen wie 8♠ 7♣ zu callen.
Außerdem sind unsere Chips extrem wertvoll in einem Turnier. Warum also 4 Big Blinds investieren, wenn ein kleinerer Betrag genau den gleichen Effekt hätte?
Und genau das ist der Fall: Für unser weiteres Spiel hat ein Raise auf 3 Big Blinds de facto die selben Implikationen wie ein Raise 4 Big Blinds. Wenn wir einen guten Flop treffen, sind die Stacks klein genug, um alle Chips in die Mitte zu bekommen und aufgrund der vergleichsweise kleinen Stacks der Blinds müssen wir uns auch keine Sorgen machen, ihnen zu gute Odds zu geben.
Raise auf t1.800 (41%) oder Raise auf t1.200 (47%)
Die überwältigende Mehrheit der Leser würde hier einen Raise zwischen t1.200 (2 Big Blinds) und t1.800 (3 Big Blinds) bringen und liegt damit völlig richtig.
Tatsächlich wäre ein Raise auf circa t1.500 (2,5 Big Blinds) hier das beste. Im Zweifelsfall ist der kleinere Raise aber hier der bessere.
Wir wollen gegen die beiden Big Stacks hinter uns nicht unbedingt einen unnötig großen Pot ohne Position aufbauen und die Blinds haben mit Stacks von 26 und 19 Big Blinds so wenig Chips, dass sie auch einen Min-Raise respektieren müssen.
Der weitere Plan in der Hand ist übrigens folgender: Gegen ein Reraise von CO, BU oder SB folden wir, ein All-In des Big Blinds callen wir und wenn es einen Flop gibt, spielen wir Poker auf dem Flop.
[/spoiler]
Folgendes passiert in dieser Hand preflop:
MP (Hero) raist auf t1.200, CO foldet, BU callt, SB foldet, BB foldet.
Flop (t3.750): K♥ 9♠ 4♣
Wir haben den Flop verpasst, haben keine Position und einen loosen, passiven Spieler hinter uns.
Was machen wir?
Gehen wir wieder die Antwort-Optionen durch:
Range-Überlegungen
Bevor wir die einzelnen Optionen durchgehen, schauen wir uns erst einmal an, was unser Gegner da so haben könnte.
Nehmen wir einfach mal an, er callt den Preflop-Raise mit dieser Range: Alle Paare (minus Asse und Könige, denn die hätte er fast sicher gereraist), alle suited Aces, alle Hände mit beiden Karten 9 oder besser, alle suited Connectors bis zu 54s und One-Gappers bis 75s. Das sind insgesamt 26 Prozent aller Hände und scheint eine realistische Range zu sein mit der ein halbwegs looser Spieler einen Raise in dieser Situation callt.
Was hat dieser Spieler auf einem K♥ 9♠ 4♣ Flop getroffen? (Wir haben dafür das Tool Flopzilla benutzt.)
[su_list icon="icon: angle-double-right"]
- Two Pair oder besser: 5,4%
- Top Pair oder besser: 15,2%
- Middle Pair oder besser: 43,5%
- Irgendein Paar: 58,3%
- Gutshot: 14,5%
- Weder Paar noch Draw: 27,2%
[/su_list]
Sprich: Unser Gegner hat hier in über 70 Prozent aller Fälle irgendeine Hand mit der er prinzipiell weiterspielen würde.
In fast 60 Prozent aller Fälle hat er mindestens ein Paar und uns (im Moment) geschlagen und in immerhin 15 Prozent aller Fälle hat er Top-Pair oder besser und dürfte sich davon nicht mehr wegbluffen lassen. Die effektiven Stacks betragen schließlich nur 44 Big Blinds.
Übrigens: Auch wenn man an der Range oben ein wenig herumdreht und Karten dazu nimmt oder weglässt. Fast egal, wie man es dreht – eine realistische Range des Gegners hat hier immer in mindestens 50 Prozent ein Paar auf dem Flop und zu 15 oder mehr Prozent Top-Pair.
Kommen wir nun zu den einzelnen Optionen:
Bet t3.850 (Ganzer Pot) – Von 21% der Leser favorisiert
Es gibt beim Poker nur selten eindeutig richtige oder falsche Spielzüge. Eine Betsize in Pot-Größe ist hier allerdings einer dieser eindeutig falschen Züge.
Setzen wir hier Pot, haben wir insgesamt über 5.000 Chips, fast 20% unseres Stacks, investiert. Unsere Hand ist aber so schlecht (Ace-high ohne Draws), dass wir nicht einmal pot-committed sind. Sprich: sollte der Spieler hinter uns raisen, müssen wir folden und wir sind unnötig viele Chips los.
Sollte er callen, haben wir danach einen Pot von über t11.500 und nur noch rund 21.500 Chips in der Hinterhand. Das ist eine reichlich unangenehme Situation in der wir mit Ace-high ohne Position wirklich nicht sein wollen.
Klar, wenn der Button hier foldet ist alles schön und gut, aber dann foldet er auch fast sicher auf eine kleinere Bet. Die obige Aufstellung zeigt, dass unser Gegner zu über 40% mittleres Paar oder besser hat und diese Hände wird er unter Garantie nicht gegen eine Bet auf dem Flop aufgeben. Hat er jedoch weder Paar noch Draw getroffen (immerhin in fast 30% aller Fälle), foldet er wahrscheinlich auch auf eine viel kleinere Bet.
Ergo: Es gibt nichts, was für eine so große Bet spricht und man sollte definitiv kleiner anspielen.
Bet t2.500 (Zwei Drittel Pot) – 12%
Für die Zwei-Drittel-Bet gilt fast das gleiche, wie für die Bet in Pot-Größe.
Foldet der Gegner ist alles gut. Raist er jedoch, müssen wir folden und haben immer noch einen zu großen Teil unseres Stacks investiert.
Und wenn unser Gegner callt (und das ist gegeben die Spielweise unseres Gegners die wahrscheinlichste Fortsetzung der Hand) schauen wir auf einen Pot von 8.850 Chips und haben noch 22.800 Chips im Stack.
Wenn wir es vermeiden können, wollen wir nicht in eine Situation kommen, in der wir keine Position und keine showdown-fähige Hand haben, während der Pot bereits fast 40% unseres verbleibenden Stacks ausmacht.
Nein, Zwei Drittel Pot ist hier auch zu viel.
Bet t1.875 (Halber Pot) – 33%
Die Bet in halber Pot-Größe ist der Publikumsliebling in dieser Situation. Sie kostet nicht zu viel, passt irgendwie als Bluff und auf einem so trockenen Board sind wir doch als Preflop-Raiser zu einem C-Bet verpflichtet, oder?
Schauen wir uns noch einmal an, was unser Gegner hier wahrscheinlich so hat: Zu 73% hat er eine Hand, die er weiterspielen will (irgendein Paar oder einen Gutshot) und wir können davon ausgehen, dass er keine dieser Hände auf eine Bet in halber Pot-Größe foldet. Nicht die kleinen Paare und auch die Gutshots nicht. Loose, passive Spieler treffen keine Gutshots um sie dann gegen gefühlt kleine Bets zu folden.
Sprich: Unser Bluff klappt hier nicht einmal in einem Drittel aller Fälle und zwar in den Fällen in denen unser Ass-Bube ohnehin die beste Hand war.
Wenn wir hier setzen, müssen wir unbedingt einen Plan haben, wie wir weiterspielen wollen, wenn wir gecallt werden. Dieser Plan muss zum Ziel haben, dass unser Gegner einen Großteil seiner kleinen Paare noch vor dem Showdown aufgibt. Das heißt, wir müssen gewillt sein, auf Turn oder River weiter zu bluffen.
Geht das Bluffen denn überhaupt? Schauen wir uns die Stacks an, wenn der Button callt: 7.500 Chips liegen in der Mitte, wir haben noch 23.425 Chips übrig.
Damit könnten wir sowohl auf Turn als auch auf River noch jeweils eine Bet in Höhe von halber Pot-Größe abfeuern. Nicht, dass das unbedingt richtig wäre, aber wir hätten auf jeden Fall noch ein wenig Spielraum für unsere Bluffs.
Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass eine Bet in halber Pot-Größe als Bluff möglich ist, wenn wir gewillt sind weiter zu bluffen. Aber wir riskieren eine Menge unserer Chips gegen einen Gegner, der anders womöglich leichter auszuspielen ist.
Bet t1.250 (Drittel Pot) – 23%
Jetzt ist unsere Bet so klein, dass unser Gegner uns sehr wahrscheinlich sogar mit Ace-high callt. Das ist prinzipiell gut, denn die allermeisten Ass-Hände schlagen wir noch.
Allerdings stellt eine so kleine Bet stellt fast sicher, dass wir einen Turn sehen und verpflichtet uns, in passenden Situationen weiter zu bluffen.
Sollte der Button callen, liegen 6.350 Chips in der Mitte und wir haben noch fast das Vierfache, 24.050 Chips, übrig. Für Bluffs ist also Raum da.
Allerdings bleibt das Problem der vorigen Option bestehen: Wir bauen ohne Position einen Pot gegen passiven Gegner auf und befinden uns in einer Situation in der wir gegen einen großen Teil seiner Range hinten liegen.
Die Optionen Halber Pot und Drittel Pot sind sicherlich profitabel, wenn man gewillt ist, weiter zu bluffen (und weiß, wann und wie das sinnvoll ist), aber gegen passive und loose Spieler treten wir eigentlich nicht mit dem Ziel an sie zu bluffen. Nein, gegen diese Spieler treffen wir eine Hand und lassen uns auszahlen.
Check – 10%
Meiner Meinung nach ist ein beherzter Check hier der beste Spielzug.
Die Idee hier ist, dass ein passiver Spieler uns wahrscheinlich recht deutlich machen wird, wie stark oder schwach seine Hand ist. Setzt er den Flop sind wir fast sicher gegen Top-Pair oder noch besser unterwegs und können einfach aufgeben. Checkt er, liegen wir entweder vorne oder er hat eine Hand, die schwach genug ist, dass wir Turn oder River bluffen können.
Klar, wir geben ihm die Möglichkeit auf dem Flop selbst zu bluffen, aber wie häufig bluffen passive Spieler? Nicht so oft.
Und ja, wir geben ihm eine kostenlose Karte falls er einen Gutshot haben sollte, aber das sind auch nur vier Outs. Und falls unser Gegner ein kleineres Paar haben sollte geben wir uns die Möglichkeit, eines von sechs Outs zu treffen.
Ein Check hat den großen Vorteil, dass wir den Pot nicht aufblähen und gegen passive oder schwächere Spieler ist Initiative ohnehin nicht so wichtig. Ein schwächerer Spieler freut sich hier, mit Ass-X oder Dame-hoch bis zum Showdown zu checken und dann gewinnen wir ganz ohne Bluff.
Im Gegenzug verlieren wir zwar gegen die ganzen mittleren und kleinen Paare, aber sparen auch eine Menge Chips, falls unser Gegner Top-Pair oder besser hat.
Auch wenn die Option Bet nicht verkehrt ist, scheint mir ein Check in dieser Situation gegen diesen Gegner einen Hauch besser zu sein.
Schauen wir uns an, was in dieser Hand tatsächlich passiert:
[/spoiler]
Folgendes passiert in dieser Hand auf dem Flop:
MP (Hero) setzt t1.875, BU callt
Turn (t7.500): K♥ 9♠ 4♣ K♦
Wir haben noch 23.425 Chips übrig und immer noch nix getroffen. Was nun?
Range-Überlegungen
Gehen wir zunächst wieder die Range unseres Gegners durch (wieder mit Hilfe von Flopzilla). Nachdem wir auf dem Flop halben Pot gesetzt haben, hat unser Gegner mit Sicherheit seine schwächsten Karten entsorgt. Wir können davon ausgehen, dass er uns mit jedem Paar und jedem Gutshot gecallt hat. Das ist schließlich das, was loose, passive Spieler machen.
Legt man die Range aus der vorigen Überlegung (zum Spiel auf dem Flop) zugrunde, hat unser Gegner jetzt folgende Hände:
[su_list icon="icon: angle-double-right"]
- Trips oder besser: 21,7%
- Ein Paar Neunen oder besser: 56,0%
- Irgendein Paar oder besser: 78,3%
- Gutshot: 21,7%
[/su_list]
Sprich: In fast 80 Prozent der Fälle hat unser Gegner ein Paar und uns geschlagen. In immerhin 20 Prozent der Fälle hat er nur einen Gutshot und wir liegen vorne.
Schauen wir uns die einzelnen Optionen an:
Bet t7.500 (ganzer Pot) – Von 4% der Leser favorisiert
Wie schon bei der Überlegung auf dem Flop: Eine Bet in dieser Größe ist unnötig groß. Es gibt überhaupt keinen Grund auf einem gepaarten, extrem trockenen Board auf diesem Turn so viel als Bluff zu setzen. Eine kleinere Bet hat exakt das selbe Ergebnis und kostet uns nicht ein Drittel unseres verbliebenen Stacks.
Bet t5.000 (Zwei Drittel Pot) – 10%
Hier gilt das gleiche wie für die Bet in Pot-Größe. Es ist immer noch zu viel, insbesondere auf diesem Board. Wenn eine Bet gut ist, dann reicht in dieser Konstellation eine kleinere, die einen größeren Teil unseres Stacks intakt lässt.
Bet t3.750 (Halber Pot) – 29%
Den halben Pot zu setzen ist schon interessanter. Wenn wir davon ausgehen, dass unser Gegner alles foldet, was schlechter als ein Paar Neunen ist, dann sacken wir den Pot in 44% der Fälle ein (wenn man obige Ranges annimmt).
Wir investieren 3.750 Chips und gewinnen in 44% der Fälle sofort 7.500 Chips – macht einen direkten Erwartungswert von +1.200 Chips (7.500 ⋅ 44% - 3.750 ⋅ 56%) selbst wenn wir immer aufgeben, wenn wir gecallt werden.
Allerdings steht und fällt dieser positive Erwartungswert mit der Annahme, dass unser Gegner Hände wie 66 oder A4 auf eine zweite Salve foldet.
Callt er uns jedoch mit jedem Paar, dann foldet er höchstens seine Gutshots und wir sehen in über 78% der Fälle den River. Sprich der Bluff klappte dann nur in rund 22% der Fälle (wieder nach obigen Ranges).
In diesem Fall hätte der Bluff einen direkten Erwartungswert von -1.275 Chips (7.500 ⋅ 22% - 3.750 ⋅ 78%).
Sprich: Unser Bluff funktioniert nur dann, wenn unser looser, passiver Spieler kleine Paare gegen eine zweite Salve foldet. Darauf sollte man aber wahrlich nicht wetten.
Klar, wir können auf dem River eine dritte Salve abfeuern und unser Bluff kann dann profitabel werden, aber es ist wirklich nicht unser Ziel, mit Ace-High einen riesigen Pot gegen eine potentielle Calling-Station auszubauen. Insbesondere gilt dies, wenn unser Gegner einen so großen Stack hat, dass es ihm mehr oder weniger egal ist, ein paar (oder ein paar Dutzend) Big Blinds in marginale Händen zu investieren. Unser Gegner hatte vor der Hand 45.000 Chips – da fällt es ihm leicht, mal etwas über 3.500 Chips mit einem Paar zu investieren.
Bet t2.500 (Drittel Pot) – 12%
Eine kleinere Bet muss als Bluff viel seltener funktionieren, um profitabel zu sein. Tatsächlich muss unser Gegner nur in 25% der Fälle folden, damit unser Bluff aufgeht.
Aber wir können davon ausgehen, dass er eine so kleine Bet auf jeden Fall mit jedem Paar callt. Das hieße nach obiger Überlegung, der Bluff klappte nur in 22% der Fälle – zu selten.
Auch eine kleinere Bet verpflichtete uns, den River zu bluffen und wir haben bereits festgestellt, dass dies nicht wirklich sinnvoll zu sein scheint.
Check – 45%
Der Publikumsliebling ist der Check, etwas das wir womöglich schon auf dem Flop hätten tun sollen.
Auf diesem Turn ist der Check auch der das intuitiv naheliegende. Die höchste Karte auf dem Flop hat sich grade gepaart, jetzt glaubt uns kein Mensch mehr, dass wir Top-Pair haben und unser Gegner callt uns mit fast jeder Hand, die auch den Flop gecallt hat.
Diese Intuition stimmt zwar gegen viele Gegner nicht und eine zweite Salve kann auch auf solchen Boards sehr profitabel sein (etwa gegen Gegner, die einen Hang zu Floats haben – also den Flop mit jeder Hand callen, um den Turn zu bluffen) aber sie hat in diesem Fall gegen einen passiven Gegner Recht.
Wir wollen auf diesem Turn gutem Geld kein schlechtes hinterherwerfen. Außerdem besteht eine sehr große Wahrscheinlichkeit, dass wir kostenlos einen River sehen und auf dem können wir immer noch Poker spielen und eventuell den Pot gewinnen.
Ansonsten bleibt uns eine kleine Poker-Weisheit am Rande: Gegen schwache, passive Spieler wollen wir kleine Pötte verlieren (wenn wir nichts treffen) und große Pötte gewinnen (wenn wir treffen). Dies hier ist ein Pot, in dem wir nichts getroffen haben, halten wir ihn also klein.
[/spoiler]
So geht es weiter:
Dies passierte auf dem Turn:
MP (Hero) checkt, BU checkt.
River: K♥ 9♠ 4♣ K♦ J♥
Wir haben noch 23.425 Chips übrig und auf einmal ein Paar getroffen. Was nun? Ist unsere Hand gut genug für eine Value-Bet? Wenn ja, wie viel?
Ranges, Ranges, Ranges
Schauen wir uns abermals an, was unser Gegner auf diesem River für eine Hand hat. Dafür nehmen wir einfach die Range, die wir ihm schon auf dem Turn gegeben haben und prüfen mit Flopzilla, was diese Range auf dem River für Hände hat:
[su_list icon="icon: angle-double-right"]
- Trips oder Full House: 23,7%
- Straight: 8,4%
- Irgendein Paar: 67,9%
[/su_list]
Es darf angenommen werden, dass unser Gegner (auch wenn er passiv ist) den Turn womöglich mit Trips oder einem Full House gesetzt hätte. Nun hat er aber gecheckt und deswegen ist es eher unwahrscheinlicher als die angegebenen 23,7%, dass er eine so starke Hand hat.
Die Kategorie “Irgendein Paar” schlagen wir mit dem getroffenen Buben in übrigens jedem Fall (ausgenommen, unser Gegner hat Damen auf der Hand).
Sprich: Wir liegen hier in mehr als zwei Drittel aller Fälle vorne. Lohnt sich also eine Value-Bet?
Schauen wir uns die einzelnen Optionen kurz an:
Check – Von 45% der Leser favorisiert
Fast die Hälfte unserer Leser hat Angst vor einer besseren Hand bei unserem Gegner und will checken.
Hier haben wir allerdings wieder ein Beispiel für eine der eher seltenen Situationen beim Poker in denen bestimmte Aktionen schlicht und ergreifend falsch sind. Und ein Check ist hier eine falsche Aktion.
Wir haben hier in mindestens zwei Drittel aller Fälle die beste Hand (tatsächlich dürfte es eher in Richtung 80 / 20 gehen) und unser Gegner hat auf jeden Fall eine Hand mit einem Paar.
Unser Gegner hat also eine Hand, die gut genug für einen Showdown ist und er wird nicht bluffen, aber er wird wahrscheinlich eine Bet auszahlen, wenn wir sie nur bringen.
Gegen einen loosen Gegner müssen wir Value aus solchen Situationen holen und wir machen das indem wir seine Tendenz zur Passivität und zu vielen Calls ausnutzen. Dieser Gegner zahlt uns bestimmt mit einem mittleren Paar (wenn wir die richtige Setz-Größe finden) und diese Chips sollten wir auf jeden Fall einsammeln.
Also nicht checken, sondern setzen! Nur wie viel?
Bet t7.500 (ganzer Pot) – 5%
Pot: Eine Bet mit Cojones. Setzen wir hier Pot, bringen wir eine (dünne) Value-Bet und lassen sie wie einen Bluff aussehen.
Das ist durchaus eine gangbare Option und in erstaunlich vielen Fällen hochprofitabel.
Klar, wir liegen hier dann und wann hinten und verschenken eine Menge Chips, aber unsere Bet wirkt so merkwürdig und das Board ist immer noch verhältnismäßig unkoordiniert (nur eine Straße, kein Flush möglich), dass unser Gegner sich überreden könnte, dass wir einen reinen Bluff fahren und uns am Ende mit einer Hand wie 6♥ 6♣ callt.
Wir haben es hier allerdings mit einem eher schwachen Gegner (loose, passiv) zu tun, der weniger über unsere als vor allem über seine eigene Hand grübelt und höchstwahrscheinlich eher in absoluten, denn in relativen Dimensionen denkt.
Er schaut sich am Ende sein Paar Sechsen an und stellt fest, dass so ein kleines Paar keine 7.500 Chips wert ist und wirft es weg.
Riesige Bets als (dünne) Value-Bets sind gegen diesen Spieler wahrscheinlich nicht das profitabelste Mittel der Wahl und etwas kleinere Bets sind wahrscheinlich besser.
Bet t5.000 (Zwei Drittel Pot) – 15%
Psychologisch ist eine Bet von just unter 5.000 Chips nicht verkehrt. So eine Bet fühlt sich noch klein an und ein schwächerer Gegner könnte womöglich ohne zu viel Nachdenken mit (fast) jedem Paar callen.
Wir müssen uns klar machen, dass es in dieser Situation in erster Linie unser Ziel ist, dass uns der Gegner mit jeder Neun und möglichst noch mit kleineren Paaren callt. Hat er eine Straße getroffen oder auf dem Turn Trips gemacht, ist es egal wie viel wir setzen, wir verlieren den Pot. Wir wollen nur sicherstellen, dass unser Gegner uns mit möglichst vielen schwächeren Händen bezahlt, aber gleichzeitig seine maximale Zahlungsbereitschaft ausschöpfen.
Eine Bet zwischen 4.500 und 5.000 Chips könnte dies erreichen.
Bet t3.750 (Halber Pot) – 29% und Bet t2.500 (Drittel Pot) – 15%
Je weniger wir setzen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass uns der Gegner mit allen Paaren auszahlt.
Allerdings wollen wir eben auch den größtmöglichen Betrag setzen, den er zu zahlen bereit ist. 2.500 Chips sind da sehr wahrscheinlich zu niedrig angesetzt. Ähnliches dürfte sogar noch für Halben Pot gelten – unser Gegner hat noch 40.000 Chips übrig und ist loose. Wir wollen den Betrag setzen, der ihm grade so noch nicht genug weh tut und den er in die Mitte wirft, um zu sehen, was für eine Hand wir da haben.
Zehn Prozent seines Stacks sollten da auf jeden Fall drin sein. Aber so lange wir hier irgendwas setzen, haben wir schon sehr viel mehr richtig gemacht als wenn wir wie Angsthasen checken.
Übrigens: Egal, wie viel wir setzen – sollte unser Gegner raisen, werfen wir unsere Karten weg. Denn dann sind wir nie und nimmer vorne.
Ergebnis
Wir lösen diese Hand nicht auf, denn wir haben alle Entscheidungen in dieser Hand besprochen und das konkrete Ergebnis ist überhaupt nicht interessant für die Strategie. Sollten wir den River setzen und unser Gegner zeigt uns Q♥ T♣ für eine Straße oder K♠ T♦ für Trips zeigen, hieße das übrigens nicht, dass wir irgendwas falsch gemacht hätten. Es hieße nur, dass dies einer der Fälle ist, in denen er eben einfach eine bessere Hand hat.
Zwei Fehler hätten – den Umfragen zufolge – viele unserer Leser gemacht: Zum einen zu große Bets auf dem Flop und zum anderen die verpasste Value-Bet auf dem River. Das zeigt, dass auch vermeintlich einfachen Händen am Ende eine gewisse Menge Strategie innewohnt, die viele Spieler intuitiv nicht beherrschen. Und da Hände wie diese vergleichsweise häufig vorkommen, hat man hier ein enormes Verbesserungspotential.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 11.04.2016.