Ein verbreitetes Szenario stürzt fast jeden Anfänger bei Hold’em in Verwirrung. Immer wieder stellen mir Spieler die ratlose Frage, was sie tun sollen, wenn sie ein hohes Pocket Pair halten und eine Overcard kommt. Noch schlimmer ist es, wenn sie sich ohne Position durch das Minenfeld einer Overcard manövrieren müssen.
Man fürchtet sich aus guten Gründen vor einer Overcard auf dem Flop. Mit einem Pocket Pair scheint es fast so, als würde diese immer kommen, und wenn dies der Fall ist, verursacht sie mit hoher Wahrscheinlichkeit gewisse Schwierigkeiten.
Ein Leser sandte mir eine Hand zu, in der auf dem Flop eine Overcard kam und auf dem Turn die nächste. Die Hand bei Blinds von 0,25 $/0,50 $ mit sechs Spielern verlief so: Der Leser hatte wie alle anderen Spieler am Tisch etwa 50 $, nur der Button hatte ungefähr 20 $.
Der Leser war als Erster am Zug und raiste mit J J auf 1,50 $. Der Spieler hinter ihm und der Button callten, während die Blinds foldeten.
Auf dem Flop kamen K 10 5 . Der Leser checkte und der Spieler hinter ihm setzte 2,50 $ in den Pot mit 5,25 $. Der Button foldete und der Leser callte.
Auf dem Turn kam die Q . Der Leser checkte erneut und sein Gegner setzte 2 $ in den Pot mit 10,25 $. Der Leser callte.
Der River brachte die 5 . Wieder checkte der Leser und sein Gegner setzte 6 $ in den Pot mit 14,25 $. Der Leser fragte sich, was er nun tun sollte.
Wie man die Sache auch dreht, war die Situation schon auf dem Flop kompliziert. Es bietet Vorteile, aggressiv vorzugehen, aber auch der passive Ansatz meines Lesers hat seine Vorzüge. Zunächst werde ich die Vorteile einer Continuation Bet und eines aggressiven Ansatzes auf dem Flop erörtern:
-Die Wahrscheinlichkeit sinkt, den Pot zu verlieren, weil man von einer schlechteren Hand aus dem Pot geblufft wird.
-Es gibt eine passable Chance, von einem Draw oder einer schwächeren Hand Geld zu gewinnen.
Nun die Nachteile der aggressiven Vorgehensweise:
-Es gibt kaum eine Chance, eine bessere Hand zum Folden zu bringen.
-Anfälligkeit gegen einen aggressiven Spieler, der floatet oder bluffraist.
-Beschränkte Informationen, da man keine Position hat und die Einsätze vorgibt.
Die meisten Punkte sollten leicht nachvollziehbar sein. Der letzte Punkt ist ein ziemlich allgemein gültiger Aspekt, wenn man ohne Position der Aggressor ist. Wenn man setzt, wird man von einer Reihe von Händen gecallt: Draws, Floats, Top Pair, schwächere Paare und einige Monster. Durch einen Call wird das Spektrum der gegnerischen Hände kaum eingegrenzt. Aus diesem Grund geht Aggression ohne Position häufig mit dem Nachteil einher, dass man die gegnerischen Handspektren nicht genauer definieren kann.
Die Vor- und Nachteile eines passiven Ansatzes spiegeln annähernd diejenigen des aggressiven Ansatzes wieder. Die Vorteile lauten:
-Man riskiert mit einer marginalen Hand weniger Geld.
-Man gewinnt mehr Informationen über die gegnerischen Hände durch deren Einsätze und Einsatzhöhen.
Und einige Nachteile:
-Man gewinnt mit seiner weiterhin starken Hand kein weiteres Geld und verteilt Freecards an schwache Draws.
-Man verschafft Spielern, die gut Hände analysieren können, ein recht genaues Bild von seiner Hand und ermöglicht ihnen somit, annähernd perfekt dagegen zu spielen (unter anderem indem sie einen bisweilen mit besseren Händen ausquetschen und bisweilen mit der schwächeren Hand vertreiben.)
Schauen wir uns nun einige Vor- und Nachteile der passiven Spielweise in der konkreten Hand an.
Ein Hauptvorteil der passiven Spielweise besteht darin, dass man mehr Informationen bekommt und im konkreten Fall ist dies besonders ausgeprägt. Die Setzfolge des Gegners – halbe Potgröße auf dem Flop, ein Fünftel auf dem Turn und etwa zwei Fünftel auf dem River – deutet auf Schwäche hin. Vor allem die Bet auf dem Turn riecht nach Schwäche. Diese Hand stammt aus einer Partie auf den Microlimits, wo es selten vorkommt, dass ein Gegner mit einer starken Hand wenig setzt, weil er auf einen Raise hofft. Aus diesem Grund kann man ziemlich sicher annehmen, dass dieser Bursche mit nichts Besonderem herumalbert. (Bei einem starken Gegner könnte diese Bet jedoch darauf ausgerichtet sein, Action hervorzurufen. Aber das ist hier nicht der Fall.)
Was aber ist “nichts Besonderes?“ Nun, es könnte sich um einen geplatzten Flush Draw handeln oder eine getroffene Fünf auf dem River, die dem Gegner gerade eine ziemlich erbärmliche Value Bet abgerungen hat. Er könnte auch einen König mit einem miesen Kicker haben, eine Hand wie Tx 9x oder etwas wie Qx 9x , womit er den Turn getroffen hätte.
Unterm Strich bin ich der Meiunng, dass der Leser in vielen Fällen die beste Hand hat und in etwa genauso vielen Fällen gegen einen König, eine Dame oder sogar eine Fünf zurückliegt. Die Bet auf dem River ist so niedrig und der Gegner hat soviel Schwäche gezeigt, dass ich auf dem River nicht folden würde.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 21.01.2010.