Kürzlich trafen wir uns wieder einmal bei Jacques zum Homegame. So sehr ich mich für ihn freue, dass er bei seinem zweijährigen Australienaufenthalt gutes Geld verdient hatte, so führte dies leider doch zu einer eher unerfreulichen Konsequenz. Von seinem alten Appartement ist er in eine brandneue Eigentumswohnung umgezogen. Nun sorgt er sich um die Farbe der Wände, den Geruch der Polstermöbel und wer weiß worum sonst noch, und das Spiel wird regelmäßig unterbrochen, dass die rauchenden Teilnehmer auf seiner grundsätzlich „gemütlichen“ Terrasse eine Zigarette „genießen“ können. Arktische Temperaturen im kanadischen Winter relativieren dabei Genuss und Gemütlichkeit.
Wie gewohnt, spielten wir Dealers Choice, alle Varianten, auch einige wirklich verrückte, mit Pot-Limit. Kurz nach dem Eintreffen von Jack, dem Übersetzer, der prinzipiell nur das Geld für ein einziges Buy-in in der Tasche hat, nutzte ich dessen Gewohnheit für einen recht unverschämten Bluff.
Wir waren nur vier Spieler an diesem Abend. Jack war der Dealer und wählte 5-Card-Draw. Jim passte, ich brachte ein Raise, Jacques trennte sich ebenfalls von seinem Blatt und Jack erhöhte nochmals. Bei ihm, der sich regelmäßig durch extreme Zurückhaltung auszeichnete, deutete dies auf zwei Paare oder besser. Ich raiste Potsize. Nach kurzem Überlegen, schob er die Chips in die Tischmitte.
Das Kartenpaket in der Linken, schaute er mich mit großen Augen an und wartete, die Zahl der Karten, die ich tauschte, zu vernehmen. Vermutlich erwartete er zwei, eine klassische Situation im 5-Card-Draw, wobei sich die Frage aufwirft: Hat er wirklich den Drilling oder schleppt er ein Ass?
Ich ließ ein paar Sekunden verstreichen. Dann schüttelte ich, die Augen kurz schließend, den Kopf, kein Wort von mir gebend. Natürlich hätte ich lautstark und drohend „Pat“ von mir geben können, doch zog ich es vor, diese Gebärde zu unterlassen; schließlich ist es nicht wirklich erfreulich, verraten zu müssen, dass man über zumindest über eine Straight verfügt, was die Wahrscheinlichkeit eines Calls dramatisch reduziert.
Mit besorgtem Gesichtsausdruck nahm er die Tatsache zur Kenntnis, legte eine seiner Karten beiseite und nahm eine neue vom Paket. Ich hatte also recht: zwei Paare. Mit einem Draw hätte er mich nicht geraist.
Mein nächster Schritt war klar. Ich setzte den Pot, was für Jack ein All-in bedeutet hätte, und, im Verlustfall, das Ende seines Pokerabends. Widerwillig warf er sein Blatt in den Muck, wollte aber, was im „friendly Homegame“ absolut üblich ist, wissen, gegen was für ein Monster er angerannt war. Natürlich hätte ich ihm die Information verweigern können, doch warum? Ich wusste ohnehin, dass er sich ein zweites Mal nicht so leicht bluffen ließ, schon gar nicht mit seinem verbleibenden verkrüppelten Stack, und zeigte ihm ein Paar Zehnen! Sein Ärger war unverkennbar.
Jacks Stack schmolz weiter und war schließlich so klein, dass es mich keineswegs schmerzte, als ich diesen einmal verdoppelte. Meine vier Sechsen wurden von seinem vier Jacks geschlagen, wobei er seinen vierten Jack im 7-Card-Stud erst auf der letzten Street erhalten hatte.Gut, so dramatisch eine Konfrontation von Quads gegen Quads klingen mag, wie anfangs erwähnt, spielten wir verrückte Varianten. In diesem Fall mit „Nines and Threes wild“ und beide hatten wir jeweils zwei Wild Cards und das entsprechende Paar vor uns liegen.
Jack hatte mir meinem Bluff übel genommen. So was tut man nicht, unter Freunden, mag er sich gedacht haben. Nicht noch einmal, mag in seinen Gedanken präsent gewesen sein. Und letztendlich war es ein Jack, der den armen Jack vernichtete.
In einem Spiel Hold’em lagen zwei Fünfen vor mir und Jim, rechts von mir, teilte den Flop:
J 5 7
Ich und Jacques checkten, Jack setzte den Pot und ich blieb ihm als einziger Gegner.
K
Der King könnte ihn verunsichern. Sowohl Straight- als auch Flush-Draw lagen im Board. Also, setzte ich den halben Pot. Was immer Jack in der Hand hielt, einem weiteren unverschämten Bluff wollte er keinesfalls zum Opfer fallen. Also, er callte.
A
Viel Geld hatte er nicht mehr vor sich. Natürlich fürchtete ich mich nicht im geringsten vor Qx Tx in seiner Hand, damit hätte er am Flop kein Bet gebracht, hoffte noch auf Ax Jx und setzte ihn all-in.
Er callte. Mit J 4
Man wunderte sich, wie ein als Rock bekannter Spieler seinen restlichen Stack auf J-4 offsuite investieren konnte. Ein Bet am Flop, gut, doch die Calls am Turn und am River entsprachen keineswegs seiner Gewohnheit. Was war los mit Jack?, fragte man sich.
Die Antwort ist einfach: Er hatte meinen Bluff im 5-Card-Draw nicht verkraftet. Er wollte nicht noch einem Bluff zum Opfer fallen und schon gar nicht von mir.
Er nahm seine Niederlage hin, blieb uns noch einige Zeit als Gesprächspartner erhalten und machte sich schließlich doch auf den Heimweg. Jim hätte noch gerne nachgekauft, doch hatte er offensichtlich etwas zu viel Johnny Walker getrunken, wankte zum Sofa und streckte seine Glieder. Als Jacques, ein unverbesserlicher Frühaufsteher, gegen drei Uhr morgens unentwegt zu gähnen begann, bot auch ich meinen Rückzug an. Von der mangelnden Gastfreundschaft – ich spreche von den Rauchpausen im Wintermantel – abgesehen, war es wieder einmal ein netter Abend.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 20.12.2008.