Es handelt sich um eine echte Konfrontation in einem $-200-Multi-Table-Turnier, online. Q 10 am Button, zwei Limper davor, mit dem Big Blind also vier Spieler im Pot. Der Flop bringt 2 Q J . Verloren wurde die Hand, der Stack, und damit das ganze Turnier, letztendlich durch einen unglücklichen River. Die Überlegungen, die ich in diesem Artikel anstelle, drehen sich aber um das Spiel am Flop. Und wer die folgenden Gedanken in der nächsten vergleichbaren Situation berücksichtigt, könnte sich seinen Stack dann vielleicht doch erhalten.
No Guts, no Glory. Risikobereitschaft. Um zu überleben, musst du zum Sterben bereit sein! Alles gute Sprüche. Und doch spielen wir Turniere unter dem Aspekt der Vernunft. Wir setzen das Risiko mit dem möglichen Gewinn in Vergleich. Wir sammeln Informationen, werten sie aus, entscheiden uns entsprechend.
In besagtem Online-Turnier war rund die Hälfte der Spieler draußen. Die Blinds betrugen 125/250, der Stack des Heros lag bei knapp über 7.000. Zwei Big Stacks saßen am Tisch, beide mit mehr als 25.000 Chips und der Rest bewegte sich zwischen 2.500 und 14.000. Kurz gesagt, die Situation war angenehm und es bestand noch lange kein Zeitdruck.
Was ist passiert? Wie gesagt, der Hero saß am Button und hatte Q 10 vor sich. UTG+ callte das Blind und ebenso ein Spieler aus Middle Position. Eine Dame und ein Zehn, wenn auch suited, sind ein Blatt, das sich erst einmal verbessern muss, aber diesbezüglich über solides Potential verfügt. Nur die Blinds folgten noch, was die Gefahr eines Squeezes entsprechend verringerte. Selbst zu raisen war, gerade wegen des möglichen Verdachts auf Squeeze-Play, natürlich gefährlich. Außerdem, könnte ein solider Treffer durchaus mehr Profit bringen. Also, Cold Call und Big Blind checkte.
Jetzt fiel der Flop von 2 Q J . Check, check – und vom Spieler in Middle Position erfolgte ein Bet von 1.000 (Potsize 1.125). Dann ein Min-Raise vom Button, unserem Hero, auf 2.000. Die ersten beiden Gegner passten, der Bettor ging mit. Am Turn fiel 10d und der einzige Gegner, der ein paar hundert Chips mehr als der Hero vor sich liegen hatte, ging spontan all-in. Semi-Bluff oder Verteidigung? Verteidigung von Ax Qx gegen Straight- oder Verteidigung einer Straight gegen den möglichen Flush-Draw? Oder vielleicht Jx Tx ? Das Min-Raise am Flop hätte er damit wohl gecallt. Qx Jx wäre natürlich auch noch möglich, und am Flop wollte er damit trappen. Slow gespielte Asse oder Könige? Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich dieser Gegner, zwei Plätze rechts, noch kaum engagiert gehabt. Ein unverschämter Bluff schien somit nicht sehr wahrscheinlich zu sein. Ließen sich die getroffenen zwei Paare hier noch weglegen?
Unser Hero hat sich für einen Call entschieden. Und, nach Sklanskys Grundsatztheorie, hatte er von Anfang an genau das Richtige getan, das Min-Raise gegen einen 5-Outer eingeschlossen. Der Gegner zeigte Kx Jx . Die Freude war aber nur kurz, denn der River brachte einen König und das Turnier war zu Ende.
Die Entscheidung, die hier in Frage zu stellen wäre, ist das Min-Raise am Flop, nach einem Bet, das mit 1.000 Chips annähernd mit der Größe des Pots korrespondierte. Der Preflop-Call, der rund drei Prozent des Stacks gekostet hatte, war zweifellos korrekt. Nun hatte er zwar das Top-Pair mit mittelmäßigem Kicker getroffen, er spielte aber gegen drei Gegner, denn die ersten beiden waren, nach ihrem Checken, schließlich noch im Spiel. Ohne Preflop-Raise war absolut alles möglich, einschließlich slow gespielten Assen, 2x 2x , Jx Jx und open-ended Straight-Draw.
Führen wir uns die drei Optionen näher vor Augen:
Im Falle eines Folds, könnte es zwar sein, dass er das beste Blatt weglegt, er hat aber bis zu diesem Zeitpunkt nicht mehr als 250 Chips in diesen Pot investiert. Ein Cold Call würde bereits rund 15 Prozent des Stacks kosten. Erfolgt ein Raise von einem der beiden Checker, muss er passen. Auch wenn ihm nur der eine Gegner bleibt, was tut er, wenn am Turn wieder ein Potsize-Bet folgt? Für eine Verbesserung zählt er nicht mehr als fünf Outs, und drei davon könnten dem Gegner eine Straight in die Hand geben.
Das durchgeführte Min-Raise kostete bereits fast ein Drittel seines Stacks. Und was bewirkte er damit? Für den Fall, dass die ersten beiden Checks mangels eines Treffers erfolgten und der Gegner zu seiner Rechten den Pot klauen wollte, gewinnt er exakt 2.125 Chips, was Odds von annähernd 1 zu 1 entspricht. Er muss aber damit rechnen, dass jetzt nicht nur ein Gegner mit einem besseren Treffer angreifen könnte, sondern auch ein Semi-Bluffer. Und warum setzte der Spieler vor ihm wirklich so hoch ein? Auch er hatte es mit drei Gegnern zu tun, in einem ungeraisten Pot. War die Wahrscheinlichkeit eines Bluffs oder bloß eines Jacks in seiner Hand wirklich groß genug, um in diesen Pot einen nennenswerten Anteil des Stacks zu investieren? Und letztendlich, durch das Min-Raise gab er ihm so gute Odds, dass er mit jedem Draw, also auch mit Second Pair und passendem Kicker, callen musste.
Jetzt gäbe es natürlich noch die Möglichkeit eines höheren Raises. Geht die Rechnung nicht auf, erfolgt ein Reraise, dann ist entweder der Stack ordentlich verkrüppelt oder er fühlt sich committed und hofft auf Verbesserung, zwei Back-Door-Draws eingeschlossen. Und begonnen hat das Ganze mit einem Preflop-Call des Big Blinds, das nicht mehr als 250 Chips, drei Prozent des Stacks, gekostet hat.
Auch wenn die Zeit, die der Gegner oft zum Überlegen braucht, endlos erscheinen mag, sind wir selbst mit einer schwierigen Situation konfrontiert, so verstreichen die Sekunden, die uns beim Online-Poker zur Verfügung stehen, doch wie im Fluge. Das Top-Pair zu treffen wird immer zur Versuchung. Wir sprechen hier aber nicht von der End-Phase, wenn der rapide sinkende M-Faktor zum Handeln zwingt, wir sprechen von der mittleren Phase, in der sich locker dreißig, vierzig und mehr neu geteilte Hände abwarten lassen.
Auch gegen drei Spieler ist das Top-Pair natürlich ein solider Treffer, aber nur solange keiner der Gegner Stärke zeigt. Im Cash-Game kann genau die gleiche Situation natürlich entsprechend anders ausgewertet werden. Ein möglicher Vorteil ist unumstritten gegeben. Geht der Angriff aber schief, dann greife ich eben in die Tasche und kaufe mehr Chips. Doch hier behandeln wir ein Turnier, in dem sich der Stack nicht erneuern lässt; Und zwar eine Situation, in der noch lange kein Zeitdruck gegeben ist. Auch wenn es noch so schwer fallen sollte, sich von einem derartigen Blatt zu verabschieden, wenn nicht mehr als das Big Blind investiert ist, also in diesem Beispiel bloß drei Prozent des Stacks, dann gibt es einfach nichts zu verteidigen. Rechnen wir das Risiko hoch, so addieren sich zu den Möglichkeiten eines besseren Blattes letztendlich auch noch jene Fälle, in denen sich das schwächere gegnerische Blatt doch noch verbessert, wie es im beschriebenen Beispiel der Fall war. Der logische Schluss für vergleichbare Situation wäre also, Fold am Flop und abwarten, anstatt mit einem fragwürdigen Treffer – gegen drei Gegner, ohne nennenswerte Information – möglicherweise den halben oder gar ganzen Stack einzubüßen.
Anmerkung der Redaktion: Zu dieser Hand und diesem Thema entwickelte sich auf der Pokerakademie eine interessante Diskussion, die man hier verfolgen kann:
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 29.01.2010.