Dies ist die Mutter aller Pokerfragen und sie ist mir vermutlich fast tausendmal in verschiedenen Varianten gestellt worden. Kann eine Partie zu stark, zu loose oder zu schwach sein? Will man einige gute Spieler am Tisch haben? Kann ein Rudel schlechter Spieler sogar den besten Spieler verderben?
Bevor ich fortfahre, will ich keine kurze Antwort geben. Nein. Im Grunde kann eine Partie nicht zu loose sein. Die Einschränkung “im Grunde” mache ich, weil man eine Partie mit enormen Antes, sehr kleinen Stacks und hohem Rake konstruieren könnte, in der die einzige Hoffnung auf Gewinn darin besteht, dass die Gegner absurd tight spielen. Aber in einer normalen, typischen und realistischen Pokerpartie kann das Spiel nicht zu loose verlaufen.
Kürzlich stellte mir John, ein Leser meiner Homepage, eine Frage zu der Partie mit Blinds von 1 $/2 $ in seinem örtlichen Casino. Folgendes teilte er mir darüber mit:
Die Spieler sind sehr loose und ziemlich miserabel, sie callen mit allem vor dem Flop.
Raise ich zum Beispiel in erster Position mit Ax Kx auf 20 Dollar, bekomme ich immer vier Caller!
Aus diesem Grund sind schon auf dem Flop 100 Dollar im Pot und ich habe zu Beginn der Hand in der Regel nur 300 Dollar.
Ax Kx ist eine gute Hand, mit der man Top Pair Top Kicker floppen will, aber wie wir alle wissen, ist ein geflopptes Paar nur eine „gute“, aber keine „überragende“ Hand. Floppe ich Top Pair gerate ich daher ich eine schwierige Lage. Der Pot ist schon zu groß!
Aus diesem Grund bin ich zu dem Schluss gekommen, einen der beiden folgenden Ansätze zu verfolgen:
1. Ich spiele mit weniger Geld, damit ich mir nach einem Treffer auf dem Flop keine Gedanken über Reverse Implied Odds machen muss. (Spielen mehrere Gegner loose, trifft vermutlich immer einer mit Schrott Two Pair.)
Oder
2. Ich limpe mit Händen wie Ax Kx , Kx Qx ,Ax Qx usw. nur, um den Pot möglichst klein zu halten, wenn ich treffe.
Soweit John. Zwar hat er ein interessantes Problem erkannt, meiner Meinung überschätzt er aber die Häufigkeit negativer Ergebnisse und unterschätzt dementsprechend die Häufigkeit positiver Resultate.Zunächst kann man festhalten, dass man sich in einer ausgezeichneten Situation befindet, wenn man mit Ax Kx und einem 300-$-Stack auf 20 Dollar raist und vier Spieler callen. Sie ist so günstig, dass man vermutlich auf dem Flop nach gegnerischen Checks immer All-In gehen kann und dennoch Profit erzielt. Spielt man etwas feinsinniger (und das ist nicht schwer), sollte man jedoch mühelos in den schwarzen Zahlen landen.
Bevor ich fortfahre, muss ich John in einem Punkt widersprechen: Er schrieb „Spielen mehrere Gegner loose, trifft vermutlich immer einer mit Schrott Two Pair.“ Hierbei überschätzt er die Häufigkeit eines schlechten Ausgangs. Dies entspricht nicht der mathematischen Realität, denn selbst vier Gegner sind klarer Außenseiter, auf dem Flop Two Pair zu treffen. Ein Blatt wie 8x 7x trifft zum Beispiel mit einer Wahrscheinlichkeit von 4,8 Prozent Two Pair oder eine bessere Hand. Natürlich kommt es häufiger vor, dass ein Paar ein Set trifft, aber ich glaube nicht, dass einer der vier Gegner häufiger als in 25 Prozent der Fälle Two Pair oder etwas Besseres trifft.
Außerdem können Sie sich den Flop ansehen und die Gefahr abschätzen. Kommt auf dem Flop K 10 9 , sollten Sie sich mit Top Pair gewiss Sorgen machen. Kommt jedoch K 8 5 sind Sie mit Ihrem Top Pair gegen die Schrottblätter Ihrer Kontrahenten solider Favorit.
Wie würde also eine klügere Strategie aussehen, als immer All-In zu gehen? Nun, ich neige dazu, auf dem Flop zwischen 30 $ und 100 $ zu setzen, je nachdem wie die Textur des Flops aussieht oder welche Signale ich wahrnehme. Einige ungünstige Flops würde ich checken, wenn ich das Gefühl habe, auf Widerstand zu stoßen. Sobald die Einsätze diese Dimensionen annehmen, entspricht die Spielweise schwacher Gegner in der Regel ziemlich genau der Stärke ihrer Hand. Die meisten marginalen Hände folden sie, mit den guten Draws und Top Pair callen sie, während sie mit Two Pair oder etwas Besserem raisen und vermutlich einen Semibluff-Raise mit einem starken Draw machen. Zudem raisen Sie vermutlich mit Top Pair und gutem Kicker, aber mit einer schwachen Hand callen Sie eher nicht, um ihre Position gegen sie auszunutzen und sie raisen auch selten mit einem reinen Bluff.
Aus diesem Grund glaube ich nicht, dass die Entscheidungen so schwierig sind. Gegen tighte Spieler können Sie beruhigt folden, wenn Sie nach einer hohen Bet auf dem Flop einen Raise bekommen. Und gegen alle anderen ist mit Top Pair ein Call bzw. All-In selbstverständlich. Nur einige Spieler dazwischen bereiten Ihnen Probleme, aber selbst wenn Sie in eine schwierige Situation geraten, sollten Sie mehr als ausreichende Kompensation durch die vielen Pots mit 100 Dollar bekommen, die Sie nach einer Continuation Bet gewinnen. Bei Ihrem Einsatz vor dem Flop haben Sie einen klaren Equity-Vorteil, der Ihnen in schwierigen Fällen nach dem Flop einen großen Puffer verschafft.
Ich habe mich oft in ähnlichen Situationen wie John befunden, in denen vier Spieler einen Raise auf das Zehnfache des Big Blinds callen. Nach meiner Erfahrung gewinne ich in der Regel nicht auf eine, sondern auf zwei Arten:
1. Ich gewinne mit starken Händen große Pots – gefloppte Sets, wie John sie erwähnt hat, aber auch Overpairs und Top Pairs mit Händen wie Ax Kx .
2. Ich gewinne überdimensionale Pots mit Bluffs und Semibluffs auf dem Flop. Häufig spielen Gegner bei den 20 Dollar vor dem Flop loose, werden nach dem Flop aber tighter, wenn die Einsätze höher werden. Diese Tendenz eröffnet einige hübsche Gelegenheiten für Bluffs, bei denen die Gegner einen großen Pot produziert haben und diesen anschließend aufgeben. (Sind Ihre Gegner während der ganzen Hand loose, sollten Sie auf diese Bluffs verzichten, gewinnen dafür aber häufiger große Pots mit schwächeren Händen wie Kx Qx .)
Extrem loose Partien sind sehr profitabel, sie können aber auch Achterbahnfahrten sein. Läuft es in solchen Partien schlecht, kann ich in einer Stunde durchaus drei bis vier Buy-Ins verlieren. Sie müssen psychologisch darauf vorbereitet sein, Ihren Stack zu verlieren, sich neu einzukaufen und direkt in der nächsten Hand wieder Ihren Stack zu verlieren. Dies geschieht, und wenn der Pot vor dem Flop regelmäßig die Hälfte Ihres Stacks ausmacht, sogar häufig.
Kommen Sie mit diesen Schwankungen schlecht zurecht, ist es keine Schande, sich mit weniger Geld an den Tisch zu setzen. Es ist mit Sicherheit besser, einen kleinen Stack mit Selbstvertrauen zu spielen als einen großen mit Angst. Egal jedoch, welche Stackgröße Sie bevorzugen, Ihre No-Limit Partie ist definitiv nicht zu loose.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 20.07.2009.