Daniel Negreanu Superstar. Ob WSOP, WPT oder Cash Game, der kanadische Topprofi gehört überall zur Weltspitze. Dabei gilt er als freundlich und bescheiden. Wird allseits geehrt und geachtet. Nur unser Autor Götz Schrage hat ein persönliches Problem mit Daniel Negreanu. – Lesen Sie bitte die dramatische Anklage
Wahrscheinlich war ihr Name Dunja und vielleicht kam sie aus Montenegro. Ganz sicher weiß ich noch, es war die hübscheste Kellnerin, die ich seit mindestens vier Wochen gesehen hatte. Jeden Abend kam ich beharrlich und setze mich an die Bar. Wirkte immer bemüht desinteressiert, gab gutes, aber keinesfalls protziges Trinkgeld und tat das, was ich bei unzähligen Turnieren gelernt hatte. Warten! Irgendwann, sicher mehr aus gelangweilter Höflichkeit, sprach sie mich an: „Und, was tust du so?“. Ich nahm mir erst eine Zigarette, machte mein Ray Liotta-Gesicht und ohne jede Hast antwortete ich: „Pokern! Prinzessin, ich bin Pokerspieler“.
Dunja sagte erstmal gar nichts, trippelte so schnell es ihr extrakurzes, enges Polyesterminiröckchen zuließ, zur ihrer Handtasche. Mal eben kurz ihr Lipgloss aufgefrischt, eine polnische rote Dunhill angesteckt und das gefährlich knappe Dekollete erfolgreich in Bestform geschoben. Ich dachte schon, sie kommt nicht wieder! Aber sie kam wieder. Auch wenn es mir keiner glauben wird, sie ging um die ganze verdammte Scheißbar herum und setzte sich neben mich. Warf mir einen dieser gefährlichen Blicke von halbschräg unten zu und sagte: „Pokerspieler bist du! So wie Steve McQueen?“ Danke lieber Gott, dachte ich mir leise: “Danke lieber Gott, dass Du eine Kopie von „Cincinatti Kid“ nach Podgorica ins Freiluftkino geschickt hast.” und dann sagte ich: „Ja, genau wie Steve McQueen“
Natürlich ging es nicht wirklich um Steve McQueen als Pokerspieler, sondern um die Rolle, die er in „Cincinatti Kid“ verkörpert hat. Hätte Dunja stattdessen Doc Holiday, Wild Bill Hickok, Amarillo Slim oder Johnny Moss gesagt, hätte sie mich auch über Nacht mitnehmen dürfen Da wäre ich tolerant gewesen. – Poker ist einfach ein verdammt cooler Sport und Pokerspieler zu sein, ist sowieso das Größte.
Aber jetzt gibt es Daniel Negreanu, und der bringt alles in Gefahr. Jede Sportart hat die Idole, die sie verdient und der wahrscheinlich aktuell beste Pokerspieler ist Daniel Negreanu, und wenn das so weiter geht, muss ich dann doch besser Canasta lernen.
Nun, was kann man Negreanu denn eigentlich real vorwerfen. Eine Menge, wie ich meine. Mein Belastungsmaterial füllt mittlerweile einen ganzen Ordner. Negreanu ist nett zu seinen Mitspielern. Hat immer ein Lächeln auf den Lippen. Ist freundlich zu den Dealern. Freundlich zu Frauen (??). Freundlich zu Kellnern. Liebt Jesus, weil er auch so freundlich war. Hört gerne Cds mit Panflötenmusik. Achtet auf gesunde Ernährung. Liebt seine Eltern, nimmt Vitamintabletten und sein größtes Laster ist sein Lexus SC 430! – Bitte wie tief kann ein Mann noch sinken.
Jetzt habe ich wieder eine fantastisch aussehende Bosnierin entdeckt. Ein paar Häuser weiter, in diesem mehr als nur ein wenig heruntergekommenen Espresso. Mirsada ist ihr Name. Schöne Haut, dunkle braune Augen, eine fantastische Figur und drei Brüder. Ganz oft war ich schon bei ihr und bisher ohne jeden Erfolg. Aber ich bleibe geduldig und ich warte auf meine Chance. Gestern Nacht hatte ich einen schlechten Traum wegen Mirsada. Nein, nicht wegen der drei Brüder. Die kamen in meinem Albtraum nicht vor. – Jedenfalls saß ich da an der Bar, so wie immer. Sie war hübsch wie immer und sogar ich sah irgendwie gut aus. Die Tür ging auf und Daniel Negreanu kam herein in einem übergroßen Eishockeyshirt. Sein Roger Whitaker Bärtchen frisch ausrasiert. Setzte sich neben mich, bestellte zwei Mineralwasser lauwarm „bitte ohne Kohlensäure“. Dann musste ich mir auf seinem I-Pod Panflötenmusik anhören und eine Vitamintablette nehmen. Den Blick von Mirsada hätten Sie sehen sollen! Da geht nichts mehr. Weder im Traum noch in Wirklichkeit. Die erotische Baustelle bleibt für alle Zeit geschlossen.
Meine Hoffnung wäre Sam Farha. Der ist cool, der weiß auch wie man sich als Pokerspieler anzuziehen hat. Vielleicht hat der auch drei Brüder und vielleicht legt sich Negreanu mal mit denen an. Dann sollten die versammelten Farhas gemeinsam Daniel Negreanu zurück zu seinen rumänischen Vorfahren schicken. In Bukarest kann er ja mit seinem Lexus SC 430 gut angeben und den Hütchenspielern Panflöte beibringen. Hauptsache, er verseucht mit seinem freundlichen Lächeln nicht weiter die Pokerwelt.
Götz Schrage
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 03.11.2006.