Am Montag gewann der russische Micro-Grinder Marat “maratik” Sharafutdinov das Main-Event der WCOOP und wurde durch seine Ansage “I wont Million” auf einen Schlag berühmt. Die Geschichte Maratiks taugt als Moneymaker-Geschichte des Online-Pokers. Als er das Main-Event spielte, hatte er grade mal $150 auf seinem PokerStars-Konto. Was ist er für ein Typ?
Maratik gab dem russischen PokerStarsblog ein Interview und erzählte ein wenig aus seinem Leben, seinen Plänen und wie er das Main-Event der WCOOP erlebt hatte.
Vom Micro-Grinder zum Millionär
Bisher spielte Maratik ausschließlich $2- bis $4-Turniere, die allerdings äußerst regelmäßig. Über mehr als 25.000 Turniere kam er auf einen positiven ROI. Allerdings hatte er lange Zeit eine so wackelige Internetverbindung, dass er schon meinte, er müsse Online-Poker aufgeben, da er mehrmals während laufender Turniere rausgeworfen wurde.
Für das Main-Event der WCOOP qualifizierte er sich über FPP-Satellites. Er hatte sich zuvor auch schon mehrfach für die Sunday-Million so qualifiziert, doch nie gecasht.
Erst als er das Turnier spielte, kam ihm die Idee, Shares zu verkaufen, weil er nicht ganz ohne Gewinn aus dem Turnier ausscheiden wollte. So annoncierte er im zehnten Level des Turniers in mehreren russischen Foren und verkaufte je ein Prozent für $52 – also auf Buy-In-Wertigkeit und mit einem enormen Vorteil für die Käufer. Insgesamt wurde er so 35% los und hatte $1.800 sicher, selbst wenn er ausscheiden sollte.
So blieben ihm nach dem Sieg nicht ganz die gewonnen $1.000.000, sondern “nur” etwas über $650.000. Das sind immer noch über 20 Millionen russische Rubel.
Durch seine Erfahrung bei den unzähligen kleinen Turnieren, die er bis dato gespielt hatte, konnte er sich halbwegs auf das Spiel in der späten Turnierphase einstellen. So meint er, dass er sehr davon profitiert habe, dass ihn andere Spieler als Nit einschätzten und er so bei den höheren Blinds häufig erfolgreich eben diese stehlen konnte.
Zu dem abgeschlossenen Deal meint Maratik, dass er im Grunde auch hätte weiterspielen können, ohne sich darauf einzulassen. Von der gesamten Situation sei er, auch wegen der Sprachbarriere, ziemlich überwältigt gewesen. So sei seine schon fast legendäre Ansage “I wont Million” auch keineswegs ein absolutes Statement gewesen, sondern nur als Korrektiv zu Mike Telkers Forderung zu verstehen gewesen, der ursprünglich 1,2 Millionen einforderte.
Nach dem Sieg
Nachdem Maratik das Turnier gewann, habe er zunächst gar nichs gefühlt, erzählt er in dem Interview. Dafür sei ihm die gesamte Situation viel zu unrealistisch gewesen und er war auch viel zu erschöpft.
Als allererstes sperrte er sich für alle höheren Limits auf PokerStars, um nicht der Versuchung zu verfallen, sein Geld wegzublasen. Er meint, er sei sich dessen bewusst, dass er sehr viel Glück hatte und dass seine Fähigkeiten”sehr, sehr beschränkt seien, verglichen mit Regs auf den höheren Limits”.
Ein Beispiel wie man es nicht machen sollte zeigte unter anderem im Jahr 2011 der Sunday-Million-Runner-Up I7AXA, der nach seinem seinem $150k-Cash innerhalb von 300 Turnieren seine gesamten Gewinne wieder in den Sand setzte.
Die Bankrollkatastrophe des I7AXAMaratik wurde nach dem WCOOP-Sieg schon bei $7-Turnieren gesehen. Diese sind zwar doppelt so teuer, wie seine bisher regelmäßigen Turniere, aber man kann ihn wohl trotzdem getrost als absolute Bankroll-Nit bezeichnen.
Tatsächlich will er von seinem Gewinn erst mal verreisen, Südamerika und die Bahamas reizen ihn. Ob er seine regelmäßige Arbeit als Taxifahrer aufgibt, weiß er noch nicht.
Ghosting
Fast umunwunden gesteht Maratik ein, dass er auch während des Turniers über Skype Unterstützung von Freunden hatte, verneint jedoch, dass er direkte Spielhinweise bekam. So etwas ist bei großen Online-Turnieren nicht unüblich. Tatsächlich kann man fast davon ausgehen, dass jeder am Final-Table des Main-Events der WCOOP Unterstützung durch andere Spieler hatte.
Die Praxis wird “Ghosting” genannt und ist nicht gerne gesehen. Doch da der im Poker eigentlich geltende Grundsatz “Ein Spieler pro Hand” online ohnehin nicht rigide geprüft werden kann, wird dieses Verfahren in der Regel toleriert.
Bei einigen Spielern fällt es massiv auf, wenn sie auf einmal nicht mehr selbst ihre Entscheidungen treffen. So kommt es häufiger vor, dass ein augenscheinlich sehr looser und passiver Spieler durch viel Glück an den Final-Table eines großen Turniers kommt und dann dort auf einmal korrektes Turnier-Poker spielt.
Dies war bei Maratik nicht der Fall, seine Spielweise war während des gesamten Turniers konsistent, nur im Heads-Up wurde er auf einmal merklich aggressiver. Mit der Begründung, er wollte nicht die Chance seines Lebens durch fremde und eventuell falsche Entscheidungen zunichte machen, erklärt er, warum er nicht geghostet wurde.
Auswirkungen des Sieges auf Online-Poker
Die Geschichte des russichen Taxifahrers, der nebenbei pokert, sich für umgerechnet $1,50 für ein teures Turnier qualifiziert und in diesem dann eine Million Dollar gewinnt, eignet sich perfekt als Erfolgsgeschichte und Marketing-Masche. Bei Moneymakers WSOP-Sieg funktionierte dies blendend.
Doch Maratik eignet nicht wahrscheinlich nicht als Gallionsfigur für Online-Poker. Zum einen ist er kein Amerikaner, wo solche Geschichten erbarmungslos gepusht werden. Zum anderen ist er eher ein Typ der Marke “Martin Staszko” – er scheint ruhig, diszipliniert, ohne nennenswerte Allüren daherzukommen, ist Ende 30 und ein passionierter Schachspieler.
Höchstwahrscheinlich werden wir von ihm nie wieder Nennenswertes hören. Doch seine Phrase “I wont million” wird mit Sicherheit noch lange Zeit lebendig bleiben.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 27.09.2012.