Er ist einer der erfolgreichsten Pokerspieler weltweit. Seit Jahren spielt er die teuersten Partien, nennt vier WPT-Titel sein Eigen und man munkelt, er sei großer Frauenheld. In Salzburg auf der Full Tilt MEC stellte sich Gus Hansen PokerOlymp zum Interview und gab Einblick in seine Spielweise, seine Art zu tilten und erklärte, warum er eine ungewöhnliche Wette mit Phil Ivey laufen hat.
Hallo Gus, du hast deine Spielerkarriere mit Backgammon angefangen und bist dann erst zum Poker gekommen. Angenommen beim Backgammon würde man um größere Summen spielen, würdest du Backgammon oder Poker spielen?
Gus Hansen: Ja, ich habe als Backgammonspieler angefangen. Aber ernsthaft spiele ich inzwischen nur noch Poker. Es ist ja offensichtlich, dass die Turniere im Poker um ein Vielfaches größer sind – es geht um mehr Geld, es spielen mehr Leute, es ist viel populärer. Aber wäre es andersrum und Backgammon wäre das populärere Spiel, würde ich auf jeden Fall Backgammon spielen.
Ich mag beide Spiele sehr gerne. Der Grund, warum ich jetzt eben Poker spiele ist, dass es dort die großen Turniere gibt und es sowohl live als auch im Internet um richtig viel Geld geht.
Geht es deiner Einschätzung nach um mehr Glück beim Poker als beim Backgammon, oder andersrum?
Hansen: Ich glaube, diese Frage kann niemand definitiv beantworten. Die beiden Spiele sind in dieser Hinsicht sehr vergleichbar. Auf lange Sicht wird in beiden Spielen der bessere Spieler gewinnen, aber an einem einzigen Tag kann der beste Spieler gegen einen totalen Amateur verlieren und in beiden Spielen kann jeder den Weltmeister schlagen.
Zu deiner Spielweise: Du warst der erste bekannte Spieler, der ein äußerst aggressives Poker spielte. Als du anfingst zu spielen, spielte man noch wesentlich tighter. Wurde dein Stil damals als “falsch” beurteilt?
Hansen: Ja tatsächlich, damals sah man meinen Spielstil als sehr offensiv an. Man war überzeugt, ich spiele zu verrückt, zu viele Hände und sehe zu viele Flops. Aber das ist genau der Grund, warum es funktionierte. Niemand hat damit gerechnet, dass ein Spieler dermaßen oft raisen kann und so konnte ich sehr viele Pötte mitnehmen, ohne irgendeine Hand zu haben.
Inzwischen haben sich die Dinge sehr verändert. Sehr viele Leute sind heutzutage sehr aggressiv mit allen möglichen Händen. Die Spieler sind heute deutlich besser als noch vor zehn Jahren und ich muss mein Spiel entsprechend anpassen. Manchmal muss ich agressiv sein und manchmal muss ich einfach geduldig und lange auf eine gute Hand warten. Es ist viel schwerer geworden, erfolgreich abzuschneiden.
Wie bist du anfangs überhaupt auf die Idee gekommen, so aggressiv zu spielen? Hast du dir einfach gedacht “Hey, spiel ich doch mal ein paar Hände mehr und schaue was passiert”?
Hansen: Nun, es ergab sich einfach irgendwie. Ich hab mein erstes No-Limit Turnier 1996 gespielt und ich hatte keine Chance. Ich habe nicht mal verstanden, was an meinem Tisch eigentlich passiert. Aber ich habe gespielt und vor allem zugesehen, wie andere Spieler spielen. Im selben Jahr gewann Huck Seed, inzwischen ein sehr guter Freund von mir, das Main Event der WSOP. Er war und ist ein sehr guter Spieler und ich schaute mir während des ganzen Turniers an, wie er spielt. Dadurch habe ich viel gerlernt. Er war sehr aggressiv und ich habe gemerkt: Hey, meistens hat er nichts, meistens hat sein Gegner nichts und wenn er in solch einer Situation setzt, gewinnt er den Pot.
Diese Strategie habe ich dann übernommen. Im Laufe der Zeit wurde ich immer besser und konnte immer mehr einschätzen, wann ich den Turbo einlegen kann und wann ich mich lieber zurückhalten sollte.
Alles in allem hat dies sehr gut funktioniert soweit. (lacht)
In anderen Interviews hast du erwähnt, dass dein Ego dir manchmal einen Streich spielt und dich zu schlechtem Spiel verleitet. Hast du dein Ego inzwischen besser im Griff?
Hansen: (lacht) Ja, es ist kein Geheimnis, dass ich ein großes Ego habe. Aber ich denke, alle Spielernaturen haben das – sowohl Pokerspieler als auch Backgammonspieler. Und mit solch einem Ego kannst du manchmal auf die Schnauze fallen, wenn es schlecht läuft. Wenn du verlierst, bist du häufig nicht konzentriert, du triffst nicht die optimalen Entscheidungen und es wäre eigentlich richtig, in so einem Fall aufzuhören und erst wieder am nächsten Tag weiterzuspielen. Aber mit einem großen Ego sagst du dir dann, ‘Egal, die kann ich trotzdem noch schlagen’ und spielst weiter. Normalerweise geht der Tag dann so aus, dass du noch viel mehr verlierst.
Ich mache solche Fehler immer noch ab und zu, aber ich hoffe, dass ich mich in dieser Hinsicht inzwischen deutlich besser im Griff habe.
Wie funktioniert Tilt bei dir, woran merkst du, dass du nicht mehr optimal spielst?
Hansen: Nun, ich werde dann starrsinnig. Es ist, als würde ich den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen – mir sollte dann eigentlich völlig klar sein, dass ich viel zu viele Hände spiele und viel zu viel Geld in schlechte Hände investiere. Aber ich spiele dann trotzdem einfach so weiter.
Man kann das Ego nennen, man kann es Tilt nennen oder sagen, ich bin nicht mehr konzentriert, weil ich zu viel verloren habe. Tilt ist bei mir eine Kombination aus diesen Dingen.
Du spielst regelmäßig die Nosebleed Stakes auf Full Tilt. Fühlt es sich nicht ein wenig unwirklich an, um so hohe Summen online zu spielen – getreu dem Motto “Klicke deine Maus, verliere dein Haus”?
Hanse: Stammt der Spruch mit der Maus und dem Haus von dir?
Nein, der kursiert seit längerem im 2+2 Forum.
Hansen: (lacht) Ahja, gut zu wissen, den kannte ich noch nicht. Aber ja, die Beträge wirken ein wenig verrückt. Ich glaube, für einige der Spieler sind die Beträge inzwischen auch zu verrückt. Die Partien sind schon verdammt hoch, man kann eine Menge Geld in einer kurzen Zeitspanne verlieren. Regelmäßig sieht man unglaubliche Swings: Innerhalb einer oder zwei Stunden ist einer eine Million im Plus, ein anderer eine halbe Million im Minus.
Ich persönlich halte es in der Regel so, dass ich, wenn ich gewinne, auf den hohen Stakes spiele, aber wenn ich über einen längeren Zeitraum – etwa einen oder zwei Monate – verliere, mich zurückziehe. Dann spiele ich weniger und gehe auf etwas niedrigere Levels, wie auch jetzt im August und September.
Man sagt dir nach, du seist ein wilder Wetter und würdest auf alles Mögliche Wetten abschließen. Hast du eine Wette auf Phil Ivey im Main Event der WSOP laufen.
Hansen: Ja, tatsächlich habe ich eine Wette mit Phil im Main Event laufen. Das Merkwürdige an dieser Wette ist, dass sie gegen Phil Ivey ist. Das heißt Phil Ivey muss mir einen recht hohen Betrag zahlen, wenn er das Main Event gewinnt.
(Ich schaue etwas verwirrt.)
Hansen: Er hat diese Wette abgeschlossen, da er so viele Wetten laufen hat, die andersrum sind. Das heißt in Summe erzielt er bei allen Wetten noch Gewinn, wenn er das Turnier gewinnt. Die Wette mit mir ist also eigentlich nur dazu da, um sich gegen die ganzen anderen Wetten etwas abzusichern, falls er nicht gewinnt.
Das klingt nach einer kleinen Wissenschaft mit den Wetten. Wie viel Zeit verwendet ihr Jungs damit, solche Wetten auszurechnen und auszuhandeln?
Hansen: (schmunzelt) Ach, eigentlich gar nicht so viel. Meistens kommen solche Wetten auf, wenn wir am Pokertisch sitzen und jemand einen Preis für etwas bietet oder bestimmte Odds auf etwas haben will. Dann handelt man kurz aus, ob es 100:1, 50:1 oder 20:1 wird und wenn es einem gefällt, dann hat man eine Wette.Im Moment bin ich übrigens sehr zufrieden mit meiner Wette gegen Phil Ivey.
Du gibst ihm also gute Chancen trotz seines eher kleinen Chipstacks?
Hansen: Natürlich hat er gute Chancen. Ich meine, es ist offensichtlich, dass er der beste Spieler mit der meisten Erfahrung am Finaltisch ist. Auch wenn er einen eher kleinen Stack hat, sind es neun Spieler, die Blinds sind nicht zu hoch und Phil hat genug Möglichkeiten, die anderen Spieler auszuspielen. Also ja, er hat eine realistische Chance.
Eine Frage dann noch: Du sagst, Phil sei der beste Spieler am Finaltisch. Glaubst du, es gibt eine Möglichkeit zu messen, wer der beste Pokerspieler überhaupt ist, oder ergibt die Phrase “der beste Spieler” vielleicht gar keinen Sinn?
Hansen: Ich denke, man kann es nicht mit Sicherheit messen, aber man hat einen starken Indikator, wenn man sich einfach die Ergebnisse anschaut. Und schau dir Phil an – er hat in sehr kurzer Zeit sehr viele Bracelets gewonnen und er hat in allen Pokerbereichen unglaublich gute Resultate vorzuweisen. Es führt im Moment wohl kaum ein Weg an ihm vorbei und ich denke, sehr viele können sich darauf einigen, dass er zur Zeit der beste Spieler der Welt ist.
Vielen Dank für das offene Interview.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 17.09.2009.
Autor: Arved Klöhn.