Vor etwa drei Jahren veröffentlichten wir einen Bericht über die Historie des Online-Poker. Seither hat sich viel getan, Zeit für eine überarbeitete Version des Artikels. Wir beschäftigen uns mit der spannenden Frage, wie Online-Poker in seiner heutigen Form entstanden ist und beleuchten die Höhen und Tiefen des Phänomens.
Beginn in den 90ern
Wie so vieles im Internet, begann alles Mitte der 90er Jahre. Eine Horde “Internet-Nerds” mit einer Leidenschaft für das Pokerspiel diskutierte lebhaft auf RGP. RGP bedeutet “rec.gambling.poker” und war damals eine Newsgroup zum Thema Poker, ähnlich den heutigen Pokerforen.
Zu diesen “Nerds” gehörten unter anderem Greg Raymer, Perry Friedman, Paul Phillips, David Sklansky, Mike Caro und Steve Brecher. Auch der Informatiker Chris “Jesus” Ferguson war dabei und der sollte mehr als 15 Jahre später nochmal eine große Rolle in spielen….
Poker als Textadventure
Die vielen Diskussionen auf RGP führten schließlich zu der Entstehung eines Pokerservers im so genannten Internet Relay Chat (IRC). Es wurde zwar nur um Playmoney gespielt, die Spieler waren aber durchaus hochkarätig.
Hier entstanden die Basics und die per Internet vereinten Enthusiasten haben durch ihr Spiel und die Diskussionen auf RGP zum Entstehen von Online-Poker, wie wir es heute kennen, entscheidend beigetragen.
Nun muss man sich Internet-Poker auf IRC natürlich nicht so vorstellen, wie wir es heute kennen, mit einen graphisch dargestellten Pokertisch, lustigen Spieleravataren und allerlei technischen Spielereien. Die Spiele liefen damals chatbasiert ab, also eher wie ein Textadventure. Graphisch gab es da nix zu sehen.
Email-WSOP
Es gab damals sogar eine Online-Version der WSOP. Sie nannte sich WRGPT – World.Rec.Gambling.Poker-Turnier und war ein Email-Turnier. Man hat per Email eine Hand geschickt bekommen und hat seinen Spielzug zurückgeschickt. Das Turnier war dem Main Event der WSOP nachempfunden, es hatte also die gleiche Struktur. Nur dauerten die Blindlevels bei der WSOP zwei Stunden, während die Levels bei der WRGPT eine oder zwei Wochen dauerten.
Die Lobby von Planet Poker, eine der ersten Spielmöglichkeiten im NetzPlanet Poker und die erste echte Online-Pokerhand
Es dauerte einige Zeit bis man realisierte, dass sich mit Online-Poker Geld verdienen ließ und so kam es am 1. Januar 1998 zur historischen ersten Online-Pokerhand mit echtem Geld und Rake. Auf Planet Poker wurde ein Tisch mit $3/$6 Texas Hold’em angeboten. Immer mehr Spieler interessierten sich für den Tisch und im Februar 1998 lief der Tisch – ja, es war nur ein Tisch – das erste mal 24 Stunden durch. Ein großer Durchbruch.
Ära PartyPoker
1999 begann PartyPoker ihr Geschäft und die Software verbesserte sich zusehends. Anfang des neuen Jahrtausends erlebte Poker einen Boom, der vor allem durch die Erfindung der Hole-Card-Cam im TV zustande kam.
Zuvor war Poker für Sportsender wie ESPN vor allem ein Mittel, die Sendezeit zwischen Baseball und Football zu überbrücken. Jetzt konnten die Zuschauer die Hole-Cards der Spieler sehen, das Spiel wurde interessanter, und die Leute wollten selber spielen und gewinnen. Die Ära PartyPoker dauerte bis 2006.
Chris Moneymaker war durch seinen WSOP-Sieg einer der Hauptgründe für den allgemeinen PokerboomChris Moneymaker
Den Traum aller Spieler erlebte dann bekanntermaßen Chris Moneymaker, der 2003 mit nur 40 Dollar Einsatz bei einem Satellite am Ende 2,5 Millionen Dollar bei der WSOP 2003 gewann und damit endgültig den Boom auslöste.
Zusammen mit dem Boom kam auch der rasante Aufstieg der Online-Pokerrooms und der Markt wuchs und wuchs. In den Poker-Fernsehübertragungen sah man immer mehr Logos der Online-Seiten. 2005 ging PartyGaming, der Mutterkonzern von PartyPoker, der damals größten Seite, in London mit einem Wert in Höhe von unglaublichen 8 Millarden Dollar an die Börse.
UIGEA und Beginn der Ära PokerStars
Im Zuge der hektischen Anti-Terror-Gesetzgebung in Folge von 9/11 wurde 2006 mehr oder weniger klammheimlich eine Verordnung erlassen, die es amerikanischen Banken verbot, Geldtransfers zu vollziehen, die mit Online-Poker-Seiten zu tun hatten. Dies war die Geburtsstunde des berüchtigten Unlawful Internet Gambling Enforcement Act (UIGEA), der den Amerikanern bis heute das Spiel im Netz faktisch unmöglich macht.
Ein Resultat des UIGEA war allerdings, dass die großen Pokerrooms sich verstärkt auf die Suche nach neuen Märkten in Europa und Asien machten und dort durch ihre großen Werbeetats viel für die Verbreitung von Poker taten.
PartyPoker hielt sich strikt an die Vorgaben des UIGEA und zog sich komplett vom amerikanischen Markt zurück. Andere Pokerrooms wie z.B. Full Tilt und PokerStars boten weiterhin Poker in den USA an und so begann 2006 die Ära PokerStars, die bis heute anhält.
Russ Hamilton, mutmaßlich einer der Hauptdrahtzieher im Superuser-SkandalSuperuser-Skandal
Ein großer Rückschlag für Internet-Poker war der Skandal um Ultimate Bet bzw. Absolute Poker, bei dem bekannt wurde, dass Spieler so genannte Superuser-Accounts besaßen und so die Hole-Cards ihrer Gegner einsehen konnten.
Der Skandal bewirkte einen generellen Vertrauensverlust der Community und warf viele Fragen zur Sicherheit von Online Poker auf und wer diese überhaupt kontrollieren soll und darf. Bis heute sind die Vorfälle nicht abschließend aufgeklärt.
Black Friday
Am 15. April 2011 erhoben die amerikanischen Behörden Anklage gegen die drei größten Pokerräume PokerStars, Full Tilt und das Cereus-Netzwerk, zu dem Ultimate Bet und Absolute Poker gehörten. Vorgeworfen wurden Verstöße gegen den UIGEA, die Pokerrooms hatten Scheinfirmen zum illegalen Transfer der Gelder der US-Spieler gegründet. Die Anklagepunkte lauteten insbesondre organisierter Bankbetrug und Geldwäsche.
PokerStars konnte sich recht schnell wieder berappeln und ging bald wieder ans Netz. Full Tilt dagegen war am Boden, zusätzlich zu der Anklage offenbarte sich, dass die Eigentümer Ray Bitar, Howard Lederer und Chris Ferguson die Gelder der Spieler privat verbraucht hatten und für die Auszahlung kein Geld mehr da war.
Mittlerweile hat PokerStars Full Tilt gekauft und die Full-Tilt-Spieler mit Ausnahme der Amerikaner ausgezahlt. Die Auszahlung der Amerikaner läuft über die Behörden und soll in Kürze erfolgen. Die Spieler von UB und Absolute wurden bis heute nicht entschädigt.
Online-Poker-Traffic seit 2002, Quelle: pokerhistory.euMomentane Lage und Ausblick
Der Markt wird derzeit klar von Pokerstars beherrscht, die durch den Erwerb von Full Tilt faktisch eine Monopolstellung erlangt haben. PokerStars selbst verzeichnet im Durchschnitt fast zehn Mal so viele Echtgeld-Spieler als der größte Konkurrent, das iPoker-Netztwerk. In den Top-Ten der Traffic-Rangliste finden sich neben Full Tilt auch 888 und PartyPoker.
Im Netz wird wohl immer gespielt werden, fraglich ist nur, wie die einzelnen Länder das schwierige Thema Online-Gambling handhaben. Der Trend geht weltweit in Richtung Regulierung und Besteuerung, fraglich ist, ob die Spieler mitziehen.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 16.04.2013.