Es gibt eine Lektion, die ich gelernt – und immer wieder neu gelernt habe – während ich mich bei No Limit Hold’em hochgearbeitet habe: Nahezu alles reduziert sich auf „Handranges“, die Startkartenintervalle, die sowohl man selbst als auch ein Gegner spielen könnte. Erstere könnten durchaus Thema eines eigenen Artikels sein, ich möchte hier aber über einige der zahllosen Möglichkeiten sinnieren, wie die Handspektren, die Sie Ihren Gegnern zuweisen, Ihre eigenen Entscheidungen im Spiel beeinflussen sollte.
Die meisten Leser der Two Plus Two Internet-Beiträge werden verstehen, dass sie ihre Gegner immer auf eine gewisse Bandbreite möglicher Hände setzen sollten. Allerdings werden viele gleichermaßen ebenso verwirrt sein, wie sie diese Einschätzung genau nutzen sollen. Das bedeutet, sie werden nicht wissen, wie genau die vermuteten Handspektren ihre eigenen Entscheidungsprozesse in nahezu jeder Situation beeinflussen sollten.
Dazu gehört sehr viel mehr als der Gedanke: „Ich schlage den und den Bereich an Händen, deswegen calle ich jetzt“, oder „Gegenüber dem Range habe ich nicht ausreichend Equity, also folde ich.“ Ihre Wahrnehmung der möglichen gegnerischen Karten sollte alles beeinflussen: ob Sie bluffen bis zur Höhe Ihrer Valuebets. Manchmal sogar auf sehr subtile Weise.
In diesem Artikel werden wir kurz die Grundlagen diskutieren, wie Sie Ihre Equity gegenüber einer Bandbreite von Händen berechnen und dann einige der etwas komplizierteren Methoden untersuchen, wie die von Ihnen beim Gegner vermuteten Handranges Ihre eigene Spielweise beeinflussen sollten.
Zuordnung eines Handspektrums und Berechnung der Equity
In einer Full Ring No Limit Hold’em-Partie ($5/$10) sind Sie mit einem Paar Jacks auf dem Button. Emil Stahlbeton raist UTG auf 50 $ und Sie callen als einziger. Im Flop fallen A-J-2 und Emil geht mit 115 $ all in. Sie haben sehr oft gegen Mr. Stahlbeton gespielt und sind sicher, dass er niemals all in gehen würde, ohne mindestens ein Set zu haben. Weil Sie selbst drei Jacks haben, muss sein Range zu 50% aus drei Assen und zu 50% aus einem Set Zweier bestehen. Damit wäre es für sie ein ganz klarer Call bei Pot-Odds von 2:1, richtig?
Falsch! Das Spektrum, was Sie einem Gegner zuweisen, sollte sich von Setzrunde zu Setzrunde entwickeln und enger werden, je mehr Informationen Sie aus den Aktionen Ihres Gegners ableiten. Ein extrem tighter Spieler wird aus erster Position vermutlich viel seltener mit 2-2 als mit A-A raisen. Tatsächlich macht Emil Stahlbeton das nur in 10% der Fälle, während er mit A-A in 90% aller Fälle raist. Preflop wären 2-2 und A-A nur einige der Hände seines Spektrums, sobald er aber all in gegangen ist, sind das die einzigen beiden, über die wir weiter nachdenken.
Aus diesem Beispiel lassen sich zwei wichtige Konzepte ableiten. Erstens, Sie müssen sämtliche Aktionen des Gegners in Ihr Kalkül einbeziehen, nicht nur die Aktion der aktuellen Wettrunde. Zweitens besteht ein Handspektrum nicht nur aus einem Satz möglicher Hände, sondern auch aus der Wahrscheinlichkeit, dass ein Gegner jede dieser Hände hält. Manchmal wird dies gewichtetes Spektrum genannt. Allerdings wäre die Bezeichnung eigentlich überflüssig, jedes Spektrum sollte gewichtet sein.
In unserem Beispiel besteht das Sektrum von Mr. Stahlbeton zu 10% aus 2-2 und zu 90% aus A-A. Um daraus die unsere Gesamtequity gegenüber diesem Spektrum zu berechnen, müssen wir die Einzelwahrscheinlichkeiten für die Hände und unsere zugehörigen Einzelequities multiplizieren und anschließend summieren. In diesem Fall hat unser Gegner in 90% der Fälle A-A und gemäß Poker Stove (ein sehr nützliches Gratistool, zu finden unter www.pokerstove.com) haben wir 4% Equity. In den restlichen 10% der Fälle hat er 2-2 und wir erhalten 96% Equity. Daraus ergibt sich die Gesamtequity zu 0,9×0,04 + 0,1×0,96 = 0,132 oder ungefähr 13%. Selbst bei den vorliegenden Pot Odds von 2:1 muss hier ganz klar gefoldet werden.
Beachten Sie, wenn wir die Pre-Flop Aktion nicht beachtet hätten und Emil Stahlbetons Spektrum nicht entsprechend gewichtet hätten, hätten wir 50% Equity errechnet und schnell aber fälschlicherweise sein all in gecallt.
Das war eine der grundlegenden Anwendungen von Entscheidungsfindung aufgrund von Handspektren. Für manche dürfte es offensichtlich sein. Aber, wie wir gleich sehen werden, die Zuweisung eines Spektrums ist in viel mehr Fällen als nur für die Showdown-Equity äußerst nützlich.
Bluffen
Zum Bluffen gehört viel mehr als selber nichts zu haben und sicher zu sein, der Gegner wird nach einer Bet folden. Wenn Sie nur bluffen, wenn Sie sicher sind, der Gegner wird aussteigen, dann bluffen Sie nicht annähernd oft genug.
Ihre Entscheidung zum Bluff sollte sich auf dem Spektrum gründen, das Sie Ihrem Gegner geben. Wenn Sie über einen Bluff nachdenken, sollten Sie in der Lage sein, die spezifischen Hände zu benennen, mit denen Ihr Gegner folden dürfte. Sie können dann seine Foldhäufigkeit mit der Potgröße und der anvisierten Einsatzhöhe in Beziehung setzen, um zu entscheiden, ob der Bluff profitabel sein wird.
Angenommen, Sie eröffnen in einem $5/$10-Spiel mit 4 3 vom Cutoff und werden vom Small Blind, einem TAG, der hier regelmäßig spielt, gecallt. Im Flop kommen 9 8 7 . Sie haben nichts, sind aber versucht, einen Schuss auf den Pot abzufeuern um ihn mit einem Einsatz in halber Pothöhe zu stehlen oder dann eventuell aufzugeben. Aber spielen Sie nicht automatisch an, nur weil Sie irgendwo gelesen haben, Sie müssten den Flop anspielen, nachdem Sie vor dem Flop geraist haben. Das ist zwar im Allgemeinen der richtige Weg, wie fast alles im Poker hängt es aber von der Situation ab und Ihre Entscheidung muss letztlich davon abhängen, wie Sie die Spielweise des Gegners für jede Hand seiner Range einschätzen.
Viele solide, tight aggressive Spieler haben eine überraschend schmale bandbreite an Händen, wenn sie außer Position ein Raise cold callen sollen. Sie werden die überwiegende Mehrheit der möglichen Hände folden, meist mit starken Blättern reraisen und fast ausschließlich mit spekulativen Händen wie Pocketpaaren und suited Connectors callen. Wir nehmen für diese Situation ein Spektrum an Paaren an von 2-2 bis 9-9, suited Connectors von 7-6s bis k-Qs und gapped suited Connectors (mit Lücke) von J-9s bis K-Js.
Vielleicht haben Sie intuitiv bemerkt, wie gut der Flop zum Spektrum Ihres Gegners passt. Angenommen, er callt oder raist Ihren Einsatz mit Bottom-Paar oder besser oder mit einem Draw mit acht oder mehr Outs, dann wird er 2-2 bis 5-5 in 100% der Fälle folden und Q-Js, K-Js, K-Qs in 75% der Fälle (in den übrigen 25% hat er einen Herz-Draw). Selbst ohne die genauen Werte dieser Hände für sein Spektrum zu kennen, sollte es offensichtlich sein, dass ein einzelner Bluff in einer Wettrunde zu selten Erfolg haben wird, um profitabel zu sein.
Sie checken also. Im Turn fällt die 2 und Ihr Gegner checkt erneut. Obwohl Sie ursprünglich auf dem Flop folden wollten, müssen Sie jetzt weiter über sein Spektrum nachdenken, denn gerade könnte sich eine profitable Situation ergeben haben.
Sie sind fest überzeugt, der Gegner hätte keine zweite Gelegenheit vorbei ziehen lassen, um seine stärkere Hand anzuspielen oder mit vielen Draws zu semi-bluffen. Sie glauben, seine Callinganforderungen sind unverändert, können nun aber seine Bandbreite auf 3-3-bis 6-6, 7-6s, 8-6sT-8s und (ohne Herzkarten) Q-Js, K-Js und K-Qs einschränken. Daraus ergeben sich 18 Kombinationen für Pocketpaare (aufpassen, Sie halten eine 4 und eine 5), von denen 12 (alle außer 6-6-Paare) gefoldet werden, neun Paare und Draw-Kombinationen, die nicht gefoldet werden und neun Kombinationen ungepaarter Karten, die gefoldet werden. Der Gegner wird also 21 von 36 möglichen Startkarten folden. Damit wird ein Bluff in halber Pothöhe profitabel.
Beachten Sie bitte: Sie kommen mit diesem relativ kleinen Bluff nur durch, weil ein hoher Anteil der Karten, mit denen Ihr Gegner folden wird, aus seiner Blickrichtung heiße Luft ist. Wenn Sie eine Hand wie A-K hielten, hätte Ihr Gegner viel weniger zu gewinnen, wenn er Hände wie Q-Js folden würde und dieser Bluff würde nicht viel Sinn machen.
Value Betting
Genau wie Bluffs sollten auch Valuebets auf bestimmte Blätter innerhalb des gegnerischen Spektrums zielen. Angenommen, der Gegner kennt die Grundlagen des Handreadings dann sollte Ihr Gedankenprozess beim Valuebetten auf dem River aus Position etwa so ablaufen: „Ich möchte, dass er mit X callt, deswegen setze ich Y $ in der Hoffnung er nimmt an, ich habe Z.“
Angenommen, Sie raisen vom Button mit A-5 auf 30 $ in einer $5/$10-No-Limit-Partie. In dieser Situation ist das Spektrum des Gegners noch zu breit, um genau klassifiziert zu werden. Sie sollten allerdings schon gewisse Blätter ausschließen. Vermutlich hat der Gegner keine T-2o (da würden Sie ein Fold erwarten) oder K-K (da würden Sie – zumindest meist – ein Reraise erwarten). Ihr Gegner callt und der Flop bringt K-T-T Rainbow. Er checkt, Sie spielen 45 $ an, er callt.
Damit bekommen wir wertvolle Informationen. Obwohl der Gegner durchaus zum Bluffraisen fähig ist, haben Sie ihn nie callen erlebt mit der einzigen Absicht, später zu bluffen. Sie glauben darüber hinaus, dass er es besonders nicht außer Position macht. Sein Spektrum enthält also vermutlich A-X (er weiß, sie contibetten viel und nimmt daher korrekterweise an, dass er mit Ass-hoch oberhalb Ihres Spektrums liegt), K-X, Q-J, Q-9, T-8 bis A-T (Sie erwarten, er foldet schlechtere T-X vor dem Flop), Pocketpaare 2-2 bis 8-8 und gelegentlich höhere Pocketpaare, obwohl Sie eigentlich glauben, dass er damit normalerweise vor dem Flop reraist.
Als Turn fällt ein weiterer K, eine großartige Karte für Sie. Die meisten gegenrischen Pocketpaare werden wertlos, es ist nun weniger wahrscheinlich, dass er selbst einen K hat und Sie stehen unentschieden gegen viele seiner A-X-Karten, die vorher den besseren Kicker gehabt hätten. Er checkt, das sagt Ihnen wenig und Sie freuen sich hinter ihm checken zu können.
Der River bringt eine 2, der Gegner checkt wieder. Jetzt können Sie sein Spektrum noch weiter eingrenzen. Sie sind ziemlich sicher, er hätte jedes Full House oder jeden Vierling angespielt und mit einem wertlosen Paar einen Bluff versucht. Damit bleiben als mögliche Hände beim Gegner A-X, Q-J, Q-9, und die seltenen A-A, Q-Q, J-J.
Es sieht nach einer guten Gelegenheit für eine Valuebet aus, denn Sie sind in fast keinem Fall geschlagen. Jetzt ist die Frage, wie viel Sie setzen sollten. Um das zu ermitteln, müssen Sie überlegen, welche Blätter Sie angreifen. In unserem fall wollen Sie von karten wie Q-J oder Q-9 profitieren. Was würde Ihren Gegner veranlassen, eine Wette auf dem River mit Queen hoch zu callen? Seine Annahme, Sie würden bluffen. Sie müssen also so setzen, dass Ihr Gegner die Wette für einen Bluff hält.
Dies ist ein wichtiger Punkt, denn viele Spieler setzen Hier angepasst an die Stärke ihrer Hand. Sie spielen hoch an, wenn sie bluffen oder eine starke Hand valuebetten und machen winzige Einsätze, wenn sie nur klein valuebetten. Dieses Wettmuster ist ziemlich offensichtlich und erfahrene Gegner können und werden so etwas ausnutzen.
Ich sage nicht, Sie sollten hier immer eine hohe Valuebet starten. Es hängt vom Gegner ab. Was ich sagen will ist, die Höhe Ihres Einsatzes sollte vom Call-Spektrum des Gegners abhängig sein, nicht vom absoluten Wert Ihres Blattes. Wenn der Gegner mit Q-3 eine Wette in Höhe des halben Pots dreimal so oft callt wie eine Wette in Pothöhe, dann sollten Sie den kleineren Betrag anspielen. Wenn er den kleineren Betrag weniger als zweimal so oft callt, wäre der größere Betrag der richtige Einsatz. Sie müssen zunächst festlegen, mit welchen Blättern Sie gecallt werden möchten und dann bestimmen, wie Sie Ihre Equity gegenüber diesen Händen maximieren können.
Schlussfolgerung
Obwohl viele Spieler den Sinn vage verstanden haben, über die Handspektren ihrer Gegner nachzudenken, verstehen die meisten nicht, was sie dann genau mit ihren Erkenntnissen anfangen sollen. Hoffentlich machen diese Informationen deutlich, wie wichtig es ist, ständig über die möglichen Karten der Gegner nachzudenken. Vielleicht klären sie auch über ein paar Möglichkeiten auf, wie Sie diese Erkenntnisse für Ihre Entscheidungsfindung nützen können.
Andrew Brokos
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 20.08.2008.