Lassen wir Advertising- und Maniac-Strategien beiseite. Um die Glaubwürdigkeit zu erhalten, um Bets und Raises ihre Überzeugungskraft nicht zu nehmen, werden Bluffs, der Relation zwischen Pot- und Einsatzhöhe angepasst, entsprechend selten eingesetzt. Daraus folgt, dass, wenn nicht bestimmte Gegebenheiten zu einem Bluff einladen, wir somit meistens dann versuchen, den Pot zu stehlen, wenn wir als Rückversicherung auch noch über Verbesserungspotential verfügen. Also, der Semi-Bluff. An solcher Überlegung gibt es grundsätzlich nichts auszusetzen.
Wie denken wir üblicherweise, wenn ein Semi-Bluff schief geht? Der Gegner hat nicht gepasst. Pech! Das Blatt hat sich nicht verbessert. Nochmals Pech! Kann es da noch Grund dazu geben, seine Spielweise als fehlerhaft zu beurteilen, wenn von zwei Chancen auf den Pot beide nicht aufgehen?
Ich möchte in diesem Beitrag jetzt nicht analysieren, in welchen Situationen Semi-Bluffs erfolgversprechend sind. Zu viele Kriterien wären dabei zu berücksichtigen, um es in einer kurzen Geschichte zusammenzufassen. Das eigene Image, das Verhaltensmuster des Gegners, die Zusammensetzung des Boards, die Höhe der Stacks, die allgemeine Dynamik, all das übt seinen Einfluss aus.
Was ich hier behandeln möchte, ist die notwendige Fold-Equity, um einen Semi-Bluff als solchen erfolgreich werden zu lassen. Ein Faktor, der von sehr vielen Spielern deutlich unterschätzt wird. Das erste Ziel, das wir verfolgen, sollte keineswegs in den Hintergrund rücken, nämlich, den Pot ohne Showdown zu gewinnen!
Dazu ein kurzes Rechenbeispiel:
Wir spielen No-Limit, wir haben einen Gegner, im Pot liegen 100 Dollar, wir sitzen in Position und kalkulieren mit einem Bet von 80 Dollar. Wir rechnen mit 100 Händen.
Der reine Bluff (ohne Verbesserungschance):
Knapp profitabel wird ein reiner Bluff dann, wenn wir 45 Folds kalkulieren:
45×100 – 55×80 = 100
20%ige Verbesserungschance ohne Bet:
Der Gegner checkt, wir unterlassen den Semi-Bluff und kaufen in einem von 5 Fällen das Gewinnblatt.
20×100 = 2.000
20%ige Verbesserungschance mit Bet:
Bei 35 Folds sieht die Rechnung folgendermaßen aus:
35×100 = 3.500
13×180 = 2.340 (die Calls mit Verbesserung)
- 52 x 80 = 4.160 (die Calls ohne Verbesserung)
3.500 + 2.340 – 4160 = 1.680
Bei 40 Folds:
40×100 = 4.000
12×180 = 2.160
- 48 x 80 = 3.840
4.000 + 2.160 – 3.840 = 2.320
Setzen wir den Gewinn durch Verbesserung, also ohne Semi-Bluff, von 2.000 in Relation, so würde sich unser Profit reduzieren, wenn wir zu 35% mit einem gegnerischen Fold rechnen können. Erst bei annähernd 40 Folds pro 100 Hände reicht die Equity, um den Bluff profitabel werden zu lassen. Vergleichen wir mit dem reinen Bluff, so wird dieser bei 45 Folds gewinnbringend. Ich bin überzeugt, dass viele Leser von diesem doch sehr knappen Unterschied überrascht sein werden.
Ich hoffe, ich brauche nicht extra zu erwähnen, dass sich der notwendige Prozentsatz an Folds bei höherer Verbesserungschance entsprechend reduziert. Auch sind implied Odds natürlich hier nicht berücksichtigt, da die Möglichkeit, diese zu respektieren, vom Verhaltensmuster des Gegners abhängig ist. Können wir davon ausgehen, dass wir in der nächsten Einsatzrunde ebenfalls gecallt werden, dann erhöht sich natürlich der Gewinn in den Fällen der Verbesserung entsprechend.
Ein weiterer Grund, der für den Semi-Bluffs spricht, mag der Positionsnachteil sein. Gehen wir davon aus, dass der Gegner einen Einsatz bringen wird, falls wir checken, die Odds für einen Call ausreichen, dann können wir diesen Einsatz natürlich vorwegnehmen und uns dadurch die Führung erhalten (falls wir ein Raise zu hoher Wahrscheinlichkeit ausschließen können).
Die Empfehlung, die diese kurze Berechnung übermitteln soll, ist jene, bei Semi-Bluffs in erster Linie die Wahrscheinlichkeit des Folds im Auge zu behalten. Bets, um das Potvolumen zu vergrößern, ergeben nämlich erst dann Sinn, wenn das Blatt erwartungsgemäß für den Gewinn eines Showdowns ausreicht. Erfolgt der Einsatz mit einem Flush-Draw, der Gegner callt und wir gewinnen den Pot durch Verbesserung, ändert dies nichts an der Tatsache, dass der Bluff schiefgelaufen ist. Dessen sollten wir uns eigentlich immer bewusst sein.
Alex Lauzon
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 24.03.2008.