So großartig wie das menschliche Gehirn auch aufgebaut ist, hat es doch Schwierigkeiten damit, Dinge zu lernen, bei denen Glück, Pech und Wahrscheinlichkeiten eine große Rolle spielen.
Gerade beim Poker führt dies dazu, dass Spieler die falschen Spielzüge als korrekt oder inkorrekt ansehen. Das Belohnungszentrum im Gehirn speichert einen Zug als korrekt, wenn dieser zum Erfolg führt. Allerdings kann man auch einfach Glück gehabt haben.
Unser Kollege Arthur Crowson von PokerListings.com hat sich anhand eines herausragenden Artikels über Wahrnehmungsfehler bei Magic: The Gathering (einem Sammelkartenspiel) die größten Wahrnehmungsfehler und kognitiven Verzerrungen beim Poker vorgenommen.
Findest du dich bei diesen Fehlern wieder?
1. Spitzen-Abschluss-Verzerrung
Menschen bewerten ein Ereignis nicht über die Summe der einzelnen Teilereignisse, sondern in der Regel darüber, wie es zur Spitzenzeit aussah (angenehm oder unangenehm) und wie es abschloss.
Schauen wir uns dies beim Poker an: Man kann zum Beispiel bei einem Cash-Game kurz vor Schluss eine Menge Glück haben, deswegen Gewinn machen und das ganze Ereignis als Gutes Spiel abspeichern.
Am Ende hat man aber vielleicht durchgehend verloren, nur am Ende ein wenig Glück gehabt, weil man mit Ass-Bube einen Lucky Punch gegen Damen gelandet hat.
Oder nehmen wir einen Turnierspieler, der zu weit fortgeschritter Stelle im Turnier einen bemerkenswerten Hero-Call hinlegt. Dieser wird sich ihm in das Gedächtnis einprägen (egal ob gewonnen oder verloren), aber dass er zu passiv spielt und Hand für Hand Blinds und Antes unnötig verliert, wird er nicht wahrnehmen.
Große Spielzüge sind beim Poker wichtig und machen Spaß, aber man darf eine Session nicht nur anhand einer einzelnen Hand beurteilen. Bei der Rückschau muss man ehrlich sein und auch wenn man gewonnen hat, muss man nach eventuellen Fehlern suchen.
2. Der Spielerfehlschluss
Der Spielerfehlschluss ist die (falsche) Vorstellung, dass ein Ereignis, nur weil es längere Zeit nicht eingetroffen ist, wahrscheinlicher wird.
Mit diesem Fehlschluss sind viele Pokerspieler sicherlich schon vertraut und man beobachtet ihn regelmäßig bei Roulettespielern, die nachdem drei mal schwarz gefallen ist, davon überzeugt sind, dass jetzt rot wahrscheinlicher ist, da die Farbe "aufholen muss". Natürlich ist dies nicht der Fall – die Wahrscheinlichkeit, dass die Kugel auf rot landet liegt weiterhin bei 18 zu 37.
Beim Poker sieht man Spieler dann und wann zum Beispiel wilde Beträge mit Flushdraws zahlen, denn ihre letzten vier Draws sind nicht angekommen. Dies macht es aber keineswegs wahrscheinlicher, dass der fünfte Draw landet.
3. Überschätzung des eigenen Einflusses
Menschen überschätzen, wie viel Einfluss sie auf externe Dinge haben.
Dies ist ein häufiger Fehlschluss bei Pokerspieler. Wir glauben, wir sind in Kontrolle, wenn wir spielen und unterschätzen systematisch den Einfluss des Glücks.
Häufig verliert man am Tisch, ohne dass man irgend eine Schuld daran hatte. Manchmal suchen wir uns merkwürdig scheinende Gründe aus, die Verluste zu erklären, nur damit wir besser schlafen können. Aber tatsächlich ist es so, dass man manchmal einfach nur Pech hat. Da macht es wenig Sinn, sich zu sehr den Kopf darüber zu zerbrechen.
Der Versuch, Fehler zu beheben, die gar nicht da sind, ist kontraproduktiv. Auch die besten Pokerspieler der Welt verlieren einen Großteil der Zeit – auch Daniel Negreanu und Phil Ivey.
Das Gegenteil ist aber natürlich auch der Fall. Wir können genauso gut durch Glück gewinnen, aber unser Können hatte darauf vielleicht fast gar keinen Einfluss. Insbesondere schwache Spieler überschätzen die Auswirkungen ihrer eigenen Spielzüge häufig, wenn sie Erfolg haben.
Will man aber beim Poker erfolgreich sein, ist es wichtig, einzusehen, dass man auf das Kartenglück keinen Einfluss hat.
4. Ex-Post-Fehleinschätzung
Spieler haben die Tendenz, Entscheidungen anhand des Ergebnisses zu bewerten und nicht anhand der Faktoren, die zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung bekannt waren.
Dieser Punkt hat viel mit dem dritten, der Überschätzung des eigenen Einflusses, zu tun und spielt sowohl am Pokertisch als auch im Leben abseits des grünen Filz eine große Rolle.
Wenn wir eine Hand analysieren und zum Beispiel vor der Frage stehen, ob ein gewagter Call auf dem River korrekt ist, sollten wir sicherstellen, dass uns das Ergebnis der konkreten Hand möglichst nicht bekannt ist. Denn wenn wir wissen, dass unser Gegner blufft, oder die Nuts hält, wird das unsere Analyse auf jeden Fall verzerren.
Führte ein Spielzug zum Erfolg, wird er häufig als korrekt angesehen, denn Erfolg gibt dem Recht, der ihn hat (so lange er ihn hat).
Nehmen wir einen Spieler wie Jamie Gold. Der gewann 2006 das Main-Event der WSOP und 12 Millionen Dollar. Dabei spielte er jedoch eine ziemlich abseitige Strategie und erzählte seinen Gegnern sehr häufig, was er gerade hielt. Aber es war viel weniger Golds Strategie, die ihm Erfolg brachte, sondern eine Menge Glück. Später zeigte sich, dass Gold bestenfalls ein durchschnittlicher Pokerspieler war – eine Einschätzung, die er selbst inzwischen auch teilt. Damals jedoch war die Einschätzung eine etwas andere, hatte er doch gerade das größte Turnier der Welt gewonnen.
5. Unterschätzen der Varianz
Spieler neigen dazu, die Varianz – insbesondere bei kleineren Stichproben – zu unterschätzen.
Beim Poker gibt es eine große Menge Varianz, aber wenn man nur viel genug spielt, kann man es schaffen, diese zu durchbrechen.
Viele Spieler unterschätzen jedoch, wie lange es dauern kann, bis man der Varianz entkommt. Die meisten Hobbyspieler bringen es auf ein paar hundert Live-Hände pro Monat. Das ist eine Menge, von der man statistisch gesehen auf fast gar nichts schließen kann.
Beim Poker braucht es mindestens 20.000 bis 50.000 Hände, um eine halbwegs brauchbare Einschätzung des Spielniveaus vornehmen zu können. Insbesondere online, wo die Gewinnmargen deutlich niedriger sind, liegen diese Zahlen noch viel höher.
Ganz wichtig: Nur weil man über ein paar tausend Hände ordentlich Geld gewonnen hat, sollte man nicht seinen Job an den Nagel hängen. Über einen so kurzen Zeitraum kann jeder eine Menge Glück haben.
6. Selektive Wahrnehmung
Menschen neigen dazu, vor allem die Dinge zu sehen, die sie sehen wollen.
Diese Fehleinschätzung hat einen subtilen aber auch potenziell vernichtenden Einfluss für Pokerspieler.
Die Funktionsweise dieses Fehlers ist wie folgt: Man ist zu verliebt in Hände oder Spielweisen, die in der Vergangenheit gut funktioniert haben, ignoriert aber die vielen Situationen, in denen es nicht funktionierte. Andersrum funktioniert es genauso: man speichert in bestimmten Situationen nur die negativen Ergebnisse ab, wenn man diese ohnehin erwartet.
Viele von uns haben diesen Fehler sicherlich schon in der Praxis im Casino erlebt. Ein Mitspieler hat eine starke Hand auf einem draw-lastigen Board, setzt damit jedoch gar nicht oder zu wenig und erklärt seine Passivität damit, dass die Draws "sowieso ankommen". Überholt ihn ein Gegner mit einem Flush-Draw bestätigt sich seine Vorahnung und er wird dies laut kundtun und abspeichern. Gewinnt er die Hand jedoch, wird er die Situation innerhalb kürzerer Zeit vergessen haben.
Aufgrund dieser Fehleinschätzung manifestiert sich eine passive und falsche Spielweise. Dies ist ein Fehler, den man auf jeden Fall vermeiden sollte.
» Original-Artikel auf PokerListings.com
» 8 Biases That Are Making You Worst at Magic
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 20.02.2017.