Im heutigen vierten Teil unserer Serie über die Benutzung einer Hilfssoftware kommen wir zum zentralen Punkt, der Umsetzung in der Praxis. Fast alles ist beim Poker relativ, und das gilt auch für die ausgewiesenen Werte. Zunächst also einige grundlegende Feststellungen, ehe wir dann morgen mit zwei Standard-Beispielen konkreter werden wollen.
Die gegnerischen Werte in der Praxis
Kommen wir nun zu dem entscheidenden Punkt. Was nutzen die angezeigten Werte, wenn man diese nicht in profitable Entscheidungen ummünzen kann. Noch einmal – nichts ist sicher und auch der ärgste Maniac bekommt alle 220 Hände ein Paar Asse. Doch langfristig kann man durch kluge Interpretation der gegnerischen Werte auf jeden Fall seine Gewinne erhöhen.
Natürlich gibt es auch keine Rezeptur, welche Werte man sich unbedingt anzeigen lassen sollte und welche nicht. Das ist individuell verschieden, hängt vom eigenen Stil und vor allem vom gespielten Limit ab. Wichtig ist zweifellos auch, wie viele Informationen man in der kurzen Zeit, die zur Verfügung steht, verarbeiten kann – auch da ist jeder anders. Selbst wenn man sich eine bestimmte Statistik nicht direkt anzeigen lässt, kann man diese aber jederzeit durch einen Mausklick auf das gegnerische HUD aufrufen. Dann geht ein großes Fenster auf, in dem alle erfassten Werte angezeigt werden können. Bei wichtigen Entscheidungen ist es oft sinnvoll, diese Funktion zu nutzen.
Doch nun zu einigen Spezifika, die in verschiedenen Limits anders zu bewerten sind.
Niedrige Limits
Auf den niedrigen Limits wird in der Regel vor und nach dem Flop weniger aggressiv gespielt. Entsprechend ist etwa die 3-Bet-Quote vor dem Flop nicht so wichtig, dafür aber zum Beispiel der WtSD, da viele Spieler in diesen Breitengraden allzu neugierig sind.
Meist reicht es aus, sich auf niedrigen Limits die Grundwerte anzeigen zu lassen. So erhält man eine meist stimmige Typologie und kann seine Spielweise für alle Setzrunden ableiten. Auf niedrigen Limits gibt es außerdem ein breiteres Spektrum an Spielertypen, hier tummeln sich noch massenweise Calling Stations, Maniacs und sonstige Vertreter.
Man sollte sich also am Verhältnis VPIP und PFR orientieren, um ein recht zuverlässiges Bild von einem Gegner zu bekommen. Spielt jemand 45/0, schafft man es meist, diesen Gegner im Verlauf der Hand zu vertreiben, während jemand mit 3/3 im Schnitt fast immer vorne liegt. Im Fall der Maniacs gibt es gewisse Unterschiede. Manche dieser Spieler sind vor dem Flop zu den größten Aggressionen bereit, stecken danach aber zurück, während andere schlicht immer setzen. In diesem Fall ist natürlich der AF ein sehr aufschlussreicher Wert.
Höhere Limits
Ab 0,25 $/0,50 $ findet man auf den großen Seiten schon recht viele Stammspieler, die allesamt einen ähnlichen Stil verfolgen. Die sogenannte Fischdichte wird mit steigenden Limits immer geringer, entsprechend feiner sind auch die Unterschiede zwischen den Spielern.
Dennoch geben die Werte hilfreiche Aufschlüsse über die Charakteristik eines Gegners, wenn man sie zu interpretieren weiß. Besonders wichtig sind, je höher die Limits werden, die Preflop-Werte 3-Bet-Quote vor dem Flop und Fold-Quote nach 3-Bet vor dem Flop, da es in diesen Gefilden vor dem Flop schon sehr aggressiv zur Sache geht.
Ebenfalls sehr wichtig sind die Postflop-Werte Continuation Bet auf dem Flop und Fold nach Continuation Bet auf dem Flop, da diese auch recht stark differieren und eine entsprechende Anpassung erfordern können.
Bei dem zum Teil sehr aggressiven Umfeld auf höheren Limits sollte man sein Spiel sehr stark auf die Spezifika der Gegner abstimmen, ansonsten kann es passieren, dass man einfach überrollt wird.
Besonders wichtig ist bei steigenden Limits das Verständnis der Spektren (engl. Ranges). Schwächere Spieler neigen dazu, einen Gegner auf eine bestimmte Hand zu setzen, während bessere immer wissen, dass dieser ein Sortiment an Händen, also ein Spektrum haben kann. Zum Verständnis gehört, dass man weiß, welche Hände etwa einen VPIP/PFR von 20 ausmachen. Dieser Wert entspricht zum Beispiel einen Spektrum, das aus allen Paaren, allen Broadway-Kombinationen, einigen Suited-Assen und diversen Suited Connectors besteht.
Doch Vorsicht, nicht alle Spieler vertrauen auf dieselben Hände bzw. die identische Spielweise damit. So gibt es durchaus Vertreter, die mit 7 6 aus UTG raisen, aber mit Assen nur limpen, wie auch Spieler, die mit niedrigen Paaren nur limpen, aber mit Kx Qx raisen.
Fortsetzung morgen mit Beispielen.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 31.01.2011.