Kaum etwas ist in der modernen Pokerwelt so unverzichtbar wie eine Hilfssoftware, die bestimmte Werte über die Gegner anzeigt. Doch es reicht nicht nur, ein Programm wie PokerTracker oder Hold’em Manager mitlaufen und anzeigen zu lassen, man muss die Statistiken auch zu interpretieren wissen. In der folgenden Artikelserie wollen wir anhand des PokerTracker aufzeigen, welche Statistiken überhaupt sinnvoll sind, was sie bedeuten und wie man das eigene Spiel daran ausrichtet.
Dies kann allerdings nur in einem begrenzten Rahmen erfolgen und bietet lediglich eine Anleitung für den ungeübten Spieler. Wer schon viel Erfahrungen mit einer Hilfssoftware gemacht hat, wird hier wenig bis nichts Neues finden und muss nicht unbedingt weiterlesen. Vielleicht findet sich aber auch für den geübten PokerTracker-Benutzer der ein oder andere hilfreiche Hinweis.
Beginnen wollen wir mit den vier grundlegenden Werten, doch zuvor eine kleine Einführung darin geben, was solch ein Programm überhaupt ist und leistet.
Das Basiswissen
PokerTracker (oder alternativ der Hold’em Manager) ist eine Software, die aktuell für Hold’em 89,95 $ und für Omaha und Hold’em 144,95 $ kostet. Man lädt diese herunter und kauft anschließend den Zugangscode. Durch Konfiguration beim Anbieter (bitte darauf achten, ob das jeweilige Internetcasino PokerTracker (in der Folge kurz: PT3) auch unterstützt) und des PT3 zeichnet das Programm alle selbst gespielten Hände auf und speichert diese in einer Datenbank.
Gleichzeitig gibt es eine Bildschirmanzeige, das sogenannte HUD, das alle wissenswerten Informationen aus früheren Händen gegen Gegner, die aktuell mit einem am Tisch sitzen, anzeigt. Die gespeicherten Hände werden also in Informationen umgewandelt, die Auskünfte über jeden Gegner geben, mit dem man schon einmal am Tisch saß.
Wichtig ist, dass diese Infos erst ab einer gewissen Datenmenge aussagekräftig sind. Wie viele Hände man braucht, darüber scheiden sich die Geister, aber mehr als 100 sollten es schon sein, bevor die Auskünfte einigermaßen stichhaltig sind.
Recht verbreitet ist das Tauschen von Daten, doch ist dies bei vielen Anbietern verboten und generell unfair. Bitte also nur Daten verwenden, die man selbst generiert hat.
Die Grundinformationen
Startet man den PokerTracker nach erfolgreicher Konfiguration zeigt er automatisch vier gegnerische Werte an. Diese sind:
1. VPIP
2. PFR
3. AF
4. Hände
Gehen wir diese der Reihe nach durch und erklären anschließend, wie man aus diesen vier Werten verwertbare Schlussfolgerungen zieht.
1. VPIP
Diese Statistik sagt aus, wie oft sich ein Gegner freiwillig am Pot beteiligt, im englischen Original ist es die Abkürzung für „voluntarily put $ in the pot“ oder kurz VPIP. Gezählt werden also nur Hände, in denen der Spieler nicht im Big Blind sitzt und zu ihm gecheckt wird.
Das Spektrum reicht dabei von unter 10 (sehr tight) bis zu über 80 (extrem loose). Während beim Shorthanded gute Spieler in der Regel Werte zwischen 15 und 30 (je nach Ansatz) haben, sind diese beim Fullring niedriger und liegen etwa zwischen 12 und 20.
2. PFR
Diese Statistik sagt aus, wie oft ein Spieler vor dem Flop raist, im englischen Original die Abkürzung für „preflop raise“. Hier ist insbesondere interessant, wie das Verhältnis von VPIP und PFR aussieht. Je größer die Differenz, desto passiver der Spieler. Bei sehr aggressiven Spieler kann dieser Wert über 20 liegen, es gibt aber auch sehr passive Zeitgenossen, die eine nackte Null vorweisen.
3. AF
Diese Statistik sagt aus, in welchem Verhältnis ein Spieler nach dem Flop aggressiv bzw. passiv ist, im englischen Original die Abkürzung für „aggression factor“. Der Wert wird so ermittelt:
AF = (Bets in % + Raises in %) : (Calls in %)
Wer nach dem Flop genauso oft setzt oder raist wie er callt, hat demnach einen AF von 1. Bei Spielern, die nach dem Flop sehr aggressiv sind, kann der Wert bis auf 3, 4 oder noch höher steigen. Es gilt zu beachten, dass Checks und Folds in dieser Statistik nicht enthalten sind, sondern nur Hände, in denen der Gegner setzt oder raist.
Wichtig: Der angezeigte Wert bezieht sich auf alle drei Setzrunden nach dem Flop, bzw. deren Mittelwert.
4. Hände
Diese Statistik ist reichlich simpel, sie gibt schlicht an, auf wie viele Hände sich die angegebenen Werte beziehen. Wie erwähnt gilt hier je mehr, umso besser, und erst ab 100 Händen können halbwegs verlässliche Schlüsse gezogen werden.
Beschreibt man einen Gegner, gibt man zunächst VPIP und PFR als Stammwerte an. Hat ein Spieler 14/9, bedeutet dies also, dass er einen VPIP von 14 und einen PFR von 9 hat. Analog wird mit anderen Werten verfahren.
Nach der allgemeinen Einführung wird nun die Frage beantwortet, wie man aufgrund der Werte andere Spieler besser einschätzen kann:
Was bedeuten die Werte?
In vielen Situationen können die gegnerischen Werte entscheidende Informationen für die richtige Entscheidung liefern. Dazu später einige konkrete Beispiele. Zunächst jedoch einige Tipps für die allgemeine Klassifizierung von Spielern.
1. Der extrem tighte Spieler
Spieler mit Werten von 7/5, 8/6 oder 10/8 sind sehr tight und schauen sich den Flop nur mit sehr starken Händen an. Meist haben sie dadurch nach dem Flop starke Hände, die sie zuvor voran getrieben haben, doch differiert der AF dennoch je nach Typ sehr stark. Einige geben dann Gas, während für andere weiterhin die Vorsicht regiert.
Die Werte geben Rückschluss auf die Spektren (oder englisch „ranges“), die letztlich ausschlaggebend für die richtige Entscheidung bei No-Limit Hold’em sind. Es ist fast nie möglich, einen Gegner auf eine konkrete Hand zu setzen, aber sein Spektrum lässt sich eingrenzen. Genau dies ist bei diesem Spielertyp – da er nur verhältnismäßig wenige Hände spielt – sehr einfach, wodurch er meist nicht sonderlich profitabel spielen kann, wenn seine Gegner aufmerksam sind oder eben ein HUD haben.
2. Der tight-aggressive Spieler
Dieser Lehrbuchtyp (kurz: TAG) spielt in einer normalen Partie Werte von etwa 13/11 bis 18/16, beim Shorthanded liegt die Spanne zwischen etwa 18/16 und 24/20. Diese Spieler haben ein größeres Spektrum an Starthänden, doch wie der sehr tighte Spieler raisen sie diese meist. Der TAG möchte schwer durchschaubar sein, aber gleichzeitig die Initiative haben.
Indem sie beispielsweise mit allen Paaren und hohen Broadway-Kombinationen, aber auch einigen Suited Connectors mit einem Raise eröffnen, ist es gegen sie nicht so leicht, das Spektrum einzugrenzen. In der Regel geht dieser Stil mit einer ähnlich aggressiven Postflop-Strategie einher, wodurch dessen Vertreter nicht nur gefährlich ist, sondern meist auch Gewinne erzielt.
3. Der loose-aggressive Spieler
Dieser Typ (kurz: LAG) spielt noch mehr Hände und wird dadurch noch weniger greifbar. Beim Shorthanded können die Werte bis zu 30/28 betragen, beim Fullring durchaus 24/20. Auch diese Spieler raisen fast immer, wenn sie sich am Pot beteiligen, tun dies aber noch öfter als der TAG und sind damit noch undurchschaubarer.
Gleichzeitig ist im Schnitt eine schwächere Hand ausreichend, um sich mit dieser Spezies anzulegen. Ist gegen den sehr tighten Spieler Ax Qx praktisch nichts wert, ist es gegen den LAG fast ein Monster. Aber natürlich können auch diese Spieler Asse bekommen.
Der LAG braucht nicht viel, um zu raisen, ihm genügen neben den guten Karten spekulative Hände für einen Raise vor dem Flop. Vorsicht: Diese Spieler können sehr gefährlich sein, da sie auf fast jedem Flop die Nuts treffen können.
4. Der loose-passive Spieler
Leider ist dieser Typ ab einem bestimmten Limit nicht mehr allzu oft anzutreffen, auf den Micro-Limits aber immer noch stark vertreten. Diese Spieler, die Werte wie 75/15 oder 38/0 haben können, spielen nicht nur zu viele Hände, sondern agieren dabei auch noch passiv.
Auf diese Weise sind sie leichte Opfer, da sie sich nie ohne Treffer einen Pot schnappen oder semibluffen. Auf Dauer sind diese Gegner auch aufgrund ihrer Passivität nach dem Flop zwar ein gefundenes Fressen, doch treffen sie ab und zu ebenfalls den Flop oder ein Monster. Bisweilen agieren sie auch mit starken Händen vor dem Flop passiv und wollen sich dann ausbezahlen lassen. Bluffs sollten deshalb mit Bedacht erfolgen.
5. Der Maniac
Dieser Typ ist die ungesunde Variante des LAG. Für ihn spielt die konkrete Hand quasi keine Rolle und er liebt es, im Mittelpunkt zu stehen. Es ist schwierig gegen diesen Gegner, seine eigene Hand sauber zu bewerten, aber im Schnitt reichen schwächere Blätter wie Top-Pair ohne guten Kicker oder auch ein schlechteres Paar, um gegen diesen Gegner anzutreten.
Trifft man den Flop gut, sollte man deshalb zum Äußersten bereit sein, denn dieser Spieler geht auch nach dem Flop nicht vom Gas.
Ergänzungen durch den Aggressionsfaktor
Jeder Mensch ist individuell und das gilt auch für jeden Pokerspieler. Es ist sinnvoll, sich ein Bild von einem Gegner zu machen, aber nichts ist sicher. Manche TAGs werden nach dem Flop auf einmal passiv, während jemand, der vor dem Flop sehr passiv spielt, nach dem Flop durchaus sehr aggressiv werden kann.
Der Aggressionsfaktor kann bei der Analyse sehr hilfreich sein, um einen Spieler genauer zu charakterisieren. Jemand, der fast immer nach dem Flop setzt, kann nicht immer eine gute Hand haben, es sei denn, er ist vorher sehr tight. Genauso haben auch passive Spieler bisweilen eine starke Hand, selbst wenn sie damit nicht hausieren gehen.
Die korrekte Einschätzung eines Spielers anhand seiner Werte erfordert wie Pokern allgemein ein wenig Übung. Hat man sich seinen PokerTracker gekauft, lohnt es sich anfangs, die Werte mit Händen, die beim Showdown gezeigt wurden, und deren Spielweise abzugleichen. Bei höheren Limits entscheiden die Werte vor dem Flop oft, welche Entscheidung man trifft. Nach Raise und Reraise ist Ax Kx gegen einen Maniac etwa eine Hand für ein All-In, gegen einen sehr tighten Spieler empfiehlt sich ein Fold.
Es folgen nun einige Statistiken, die vor allem auf höheren Limits stark differieren und damit besonders wichtig sind.
Weitere relevante Statistiken
Neben diesen grundlegenden Werten gibt es noch weitere Angaben, die einen Spieler näher beschreiben und die Entscheidungsfindung erleichtern. Aus Platzgründen müssen wir uns hier auf die wichtigsten beschränken – wer mehr wissen will, kann im PT3 ein wenig herumprobieren. Besprochen werden nun die wichtigsten Statistiken vor und nach dem Flop. Beginnen wir vor dem Flop.
1. 3-Bet-Quote vor dem Flop (3B)
Dieser Wert ist vor allem auf höheren Limits äußerst wichtig. Beim Krieg der Preflop-Raises reicht das Spektrum von sehr tighten Spielern bis zu hyper-aggressiven Vertretern, die quasi keine Gelegenheit zum Squeeze auslassen. Ein Squeeze ist ein Reraise vor dem Flop, wenn der ursprüngliche Raiser schon mindestens einen Caller bekommen hat. Entsprechend ist Ax Kx gegen einen Spieler, der eine 3-Bet-Quote vor dem Flop von 1 hat, eine eher schwache Hand, während sie gegen jemanden mit einer 3B von 18 fast schon ein Monster ist. Die eigene Reaktion lässt sich anhand dieses Wertes mit ein wenig Erfahrung recht gut bestimmen.
2. Fold-Quote nach 3-Bet vor dem Flop
Dieser Wert ist deshalb wichtig, weil er anzeigt, wie häufig jemand seine Hand nach einem Reraise vor dem Flop aufgibt. Er korrespondiert mit der 4-Bet-Quote vor dem Flop, die als zusätzliche Information liefert, wie oft jemand nach einem Reraise nicht nur callt, sondern sogar noch einmal raist.Auch hierbei gibt es alles – Spieler, die fast immer nach einem Reraise folden, und solche, die dies fast nie tun. Entsprechend kann man sein eigenes Spiel justieren. Gegen jemand, der sehr oft nach einem Reraise foldet, sollte man sehr häufig reraisen, gegen jemanden, der sehr selten foldet, dagegen nur mit starken Händen.
3. Continuation Bet auf dem Flop (CB)
Der erste Postflop-Wert, die Quote der Continuation Bets auf dem Flop, hat ebenfalls eine große Wichtigkeit. Normal ist hier ein Spektrum zwischen 65 und 75 Prozent, doch gibt es auch Vertreter, deren Quote stark davon abweicht. Hat ein Spieler einen Wert von 50 oder darunter, lohnt es sich, öfter in Position gegen ihn anzutreten, da er sich vermutlich viele Pots stehlen lässt. Liegt der Wert deutlich darüber, sind häufigere Raises auf dem Flop bzw. Floats profitabel. Ein Float ist ein Call auf dem Flop mit der Intention, den Flop auf dem Turn oder River zu stehlen.
4. Fold nach Continuation Bet auf dem Flop (FC)
Auch dieser Wert ist eine wichtige relative Größe, da er angibt, wie leicht ein Gegner nach dem Flop gegen jemanden mit Initiative aufgibt. Foldet ein Gegner in 70 Prozent der Fälle oder öfter, lohnt sich eine CB in halber Potgröße schon mathematisch in 100 Prozent der Fälle, da man sich Pot Odds von 2 zu 1 gibt.
Schwieriger wird es, wenn ein Gegner in weniger als 50 Prozent der Fälle aufgibt. Ärgerlicherweise kann man diese Gruppe in zwei Spielertypen aufteilen – sehr schwache Calling Stations, die mit jedem Müll callen, und sehr starke Spieler, die nach jeder erdenklichen Möglichkeit suchen, dem Gegner bis zum River den Pot abzunehmen. In Verbindung mit den anderen Werten sollten diese Typen aber unterscheidbar sein.
Normal ist ein FC von 50 bis 65, gegen den man sein normales Verhältnis von CBs und Checks anwenden sollte.
5. Showdown-Quote (WtSD)
Dieser Wert besitzt ebenfalls recht große Aussagekraft, da er angibt, wie oft ein Spieler zum Showdown gelangt. Normal sind 24 bis 27 Prozent, während ein Spieler mit einem WtSD von unter 20 sich allzu oft aus der Hand drängen lässt und in die Kategorie Nuts-Spieler fällt. Wer einen sehr hohen WtSD (über 30) hat, neigt dagegen dazu, nicht zu erkennen, wann er geschlagen ist. Gegen so jemanden kann man zwar seltener bluffen, dafür aber mehr Value Bets bringen.
Fast alles ist beim Poker relativ, und das gilt auch für die ausgewiesenen Werte. Zunächst also einige grundlegende Feststellungen, ehe wir anschließend mit zwei Standard-Beispielen konkreter werden wollen.
Die gegnerischen Werte in der Praxis
Kommen wir nun zu dem entscheidenden Punkt. Was nutzen die angezeigten Werte, wenn man diese nicht in profitable Entscheidungen ummünzen kann. Noch einmal – nichts ist sicher und auch der ärgste Maniac bekommt alle 220 Hände ein Paar Asse. Doch langfristig kann man durch kluge Interpretation der gegnerischen Werte auf jeden Fall seine Gewinne erhöhen.
Natürlich gibt es auch keine Rezeptur, welche Werte man sich unbedingt anzeigen lassen sollte und welche nicht. Das ist individuell verschieden, hängt vom eigenen Stil und vor allem vom gespielten Limit ab. Wichtig ist zweifellos auch, wie viele Informationen man in der kurzen Zeit, die zur Verfügung steht, verarbeiten kann – auch da ist jeder anders. Selbst wenn man sich eine bestimmte Statistik nicht direkt anzeigen lässt, kann man diese aber jederzeit durch einen Mausklick auf das gegnerische HUD aufrufen. Dann geht ein großes Fenster auf, in dem alle erfassten Werte angezeigt werden können. Bei wichtigen Entscheidungen ist es oft sinnvoll, diese Funktion zu nutzen.
Doch nun zu einigen Spezifika, die in verschiedenen Limits anders zu bewerten sind.
Niedrige Limits
Auf den niedrigen Limits wird in der Regel vor und nach dem Flop weniger aggressiv gespielt. Entsprechend ist etwa die 3-Bet-Quote vor dem Flop nicht so wichtig, dafür aber zum Beispiel der WtSD, da viele Spieler in diesen Breitengraden allzu neugierig sind.
Meist reicht es aus, sich auf niedrigen Limits die Grundwerte anzeigen zu lassen. So erhält man eine meist stimmige Typologie und kann seine Spielweise für alle Setzrunden ableiten. Auf niedrigen Limits gibt es außerdem ein breiteres Spektrum an Spielertypen, hier tummeln sich noch massenweise Calling Stations, Maniacs und sonstige Vertreter.
Man sollte sich also am Verhältnis VPIP und PFR orientieren, um ein recht zuverlässiges Bild von einem Gegner zu bekommen. Spielt jemand 45/0, schafft man es meist, diesen Gegner im Verlauf der Hand zu vertreiben, während jemand mit 3/3 im Schnitt fast immer vorne liegt. Im Fall der Maniacs gibt es gewisse Unterschiede. Manche dieser Spieler sind vor dem Flop zu den größten Aggressionen bereit, stecken danach aber zurück, während andere schlicht immer setzen. In diesem Fall ist natürlich der AF ein sehr aufschlussreicher Wert.
Höhere Limits
Ab 0,25 $/0,50 $ findet man auf den großen Seiten schon recht viele Stammspieler, die allesamt einen ähnlichen Stil verfolgen. Die sogenannte Fischdichte wird mit steigenden Limits immer geringer, entsprechend feiner sind auch die Unterschiede zwischen den Spielern.
Dennoch geben die Werte hilfreiche Aufschlüsse über die Charakteristik eines Gegners, wenn man sie zu interpretieren weiß. Besonders wichtig sind, je höher die Limits werden, die Preflop-Werte 3-Bet-Quote vor dem Flop und Fold-Quote nach 3-Bet vor dem Flop, da es in diesen Gefilden vor dem Flop schon sehr aggressiv zur Sache geht.
Ebenfalls sehr wichtig sind die Postflop-Werte Continuation Bet auf dem Flop und Fold nach Continuation Bet auf dem Flop, da diese auch recht stark differieren und eine entsprechende Anpassung erfordern können.
Bei dem zum Teil sehr aggressiven Umfeld auf höheren Limits sollte man sein Spiel sehr stark auf die Spezifika der Gegner abstimmen, ansonsten kann es passieren, dass man einfach überrollt wird.
Besonders wichtig ist bei steigenden Limits das Verständnis der Spektren (engl. Ranges). Schwächere Spieler neigen dazu, einen Gegner auf eine bestimmte Hand zu setzen, während bessere immer wissen, dass dieser ein Sortiment an Händen, also ein Spektrum haben kann. Zum Verständnis gehört, dass man weiß, welche Hände etwa einen VPIP/PFR von 20 ausmachen. Dieser Wert entspricht zum Beispiel einen Spektrum, das aus allen Paaren, allen Broadway-Kombinationen, einigen Suited-Assen und diversen Suited Connectors besteht.
Doch Vorsicht, nicht alle Spieler vertrauen auf dieselben Hände bzw. die identische Spielweise damit. So gibt es durchaus Vertreter, die mit 7 6 aus UTG raisen, aber mit Assen nur limpen, wie auch Spieler, die mit niedrigen Paaren nur limpen, aber mit Kx Qx raisen.
Zunächst sollen zwei Beispiele die bislang gelieferten Informationen in ihrer praktischen Anwendung illustrieren und zum Abschluss gibt es dann noch eine kurze Einführung in die Analyse des eigenen Spiels.
Zwei Beispiele
Wie in den bisherigen Ausführungen schon anklang, ist die Vielfalt schier unbegrenzt. Insofern könnte man unzählige Beispiele anführen, wie Werte des PT3 in konkreten Situationen umzusetzen sind, doch dies würde den Rahmen sprengen.
Aus diesem Grund hier zwei Standard-Beispiele, die zeigen, wie man mithilfe der gegnerischen Werte zu einer langfristig profitablen Entscheidung kommt.
Beispiel 1a: Eine Fullring-Partie mit Blinds von 1 $/2 $. Unser Spieler hält in UTG Ax Kx und raist auf 6 $. Der Hijack callt und der Button reraist auf 22 $. Das HUD zeigt für ihn 24/18 und einen AF von 2,7 in 756 Händen an. Nach einem kurzen Blick in das HUD sieht unser Spieler, dass der Button eine 3-Bet-Quote vor dem Flop von 9 Prozent hat. Unser Spieler reraist auf 60 $ und beide Spieler folden.
Erklärung: Die hohe 3-Bet-Quote vor dem Flop des Button zeigt, dass unser Spieler mit seiner Hand gegen dessen Spektrum deutlich vorne liegt. Die Hand des Hijack ist vermutlich nicht sonderlich stark, da dieser nur callte. Mit dem Reraise demonstriert unser Spieler große Stärke und hat gute Chancen, den Pot direkt einzustreichen. Ein Call wäre nicht einmal halb so gut, da er die Hand ohne Position spielen müsste und den Hijack zu einem Call einladen würde.
Beispiel 1b: Eine Fullring-Partie mit Blinds von 1 $/2 $. Unser Spieler hält in UTG Ax Kx und raist auf 6 $. Der Hijack callt und der Button reraist auf 22 $. Das HUD zeigt für ihn 8/6 und einen AF von 3,1 in 627 Händen an. Nach einem kurzen Blick in das HUD sieht unser Spieler, dass der Button eine 3-Bet-Quote vor dem Flop von 2 Prozent hat. Unser Spieler foldet.
Erklärung: Es gibt zwar keine absolute Sicherheit, dass unser Spieler hinten liegt, aber das gegnerische Spektrum ist in diesem Fall zu stark, da es auf Asse, Könige, Damen, Buben und AK eingegrenzt werden kann. Dagegen schneidet unser Spieler schlecht ab, zudem hat er keine Position.
Beispiel 2a: Eine Fullring-Partie mit Blinds von 1 $/2 $. Unser Spieler sitzt auf dem Button und hält 9x 9x . Der Spieler in UTG raist auf 6 $ und alle anderen folden, nur unser Spieler callt. Auf dem Flop kommen Q 6 5 . Der Spieler in UTG setzt 10 $. Er hat 19/17 und einen AF von 2,9. Bei einem Blick ins HUD stellt unser Spieler fest, dass er in 86 Prozent der Fälle eine Continuation Bet bringt. Unser Spieler callt.
Erklärung: Das Board ist recht günstig für unseren Spieler und gegen das Spektrum von UTG liegt er gut im Rennen. Die CB von UTG sagt quasi nichts aus, da er diese praktisch immer bringt (wenn man davon ausgeht, dass er bisweilen mit mehreren Gegnern konfrontiert ist, kann man sogar annehmen, dass er im Heads-Up immer eine C-Bet bringt.) Ein Call ist damit fast selbstverständlich.
Beispiel 2b: Eine Fullring-Partie mit Blinds von 1 $/2 $. Unser Spieler sitzt auf dem Button und hält 7x 7x . Der Spieler in UTG raist auf 6 $ und alle anderen folden, nur unser Spieler callt. Auf dem Flop kommen Q 6 5 . Der Spieler in UTG setzt 10 $. Er hat 12/11 und einen AF von 1,9 nach 1.467 Händen. Bei einem Blick ins HUD stellt unser Spieler fest, dass er in 59 Prozent der Fälle eine Continuation Bet bringt. Unser Spieler foldet.
Erklärung: Gegen diesen Kontrahenten ist ein Paar Siebenen in dieser Situation nicht mehr viel wert. Das gegnerische Spektrum ist per se schon sehr stark und die niedrige Continuation-Bet-Quote spricht dafür, dass er nur mit soliden Händen auf dem Flop erneut setzt. Gegen einige Hände liegt unser Spieler vielleicht noch vorne, doch gegen die überwiegende Zahl der Hände sieht es mau aus.
Zum Abschluss geht es um die Analyse des eigenen Spiels – ein Aspekt, der ebenfalls sehr wichtig ist. Denn nicht nur die Gegner stehen einem im Weg, sondern manchmal auch man selbst. Mit diesem sechsten Teil ist diese Einführung dann auch beendet, wer mehr Informationen wünscht, kann diese in den einschlägigen Foren bekommen.
Selbstanalyse
Ein weiterer, wesentlicher Nutzen der Hilfssoftware besteht darin, sein eigenes Spiel analysieren zu können. Man erfährt also nicht nur alles über seine Gegner, sondern auch über sich selbst. Letzteres bezieht sich zudem auf die Wahrnehmung anderer von einem selbst.
Jeder PokerTracker-Besitzer sollte die Gelegenheit nutzen und regelmäßig seine eigenen Statistiken einer Kontrolle unterziehen. Dafür bietet PT3 einige hilfreiche Features, die über VPIP, PFR etc. hinausgehen.
Beurteilung des eigenen Spiels: Stimmen die von PT3 ausgewiesenen Werte mit dem persönlichen Stil, Plan und strategischen Ansatz überein? Diese Frage lässt sich genauso beantworten wie die nach Schwächen im eigenen Spiel. Weichen die Werte zu stark von den oben angegebenen Standards ab, sollte man die Korrektur des eigenen Spiels stark in Betracht ziehen.
Außerdem kann man mit Hilfe des PT3 überprüfen, wie gut die eigenen All-In-Entscheidungen sind. In der Abteilung „Graphs“ gibt es die Möglichkeit, die tatsächlichen Ergebnisse bei All-Ins mit dem Erwartungswert abzugleichen. Hat man mehr gewonnen, als einem statistisch zusteht, muss man davon ausgehen, dass sich das ausgleicht und die Gewinne womöglich zurückgehen werden. Schlimm wäre es, wenn der eigene EV bei All-Ins negativ war, dann sollte man sein Spiel schleunigst einer strengen Prüfung unterziehen.
Ebenfalls kontrollieren kann man seine eigenen Ergebnisse in Bezug auf die Positionen am Tisch. Auch das kann interessante Ergebnisse zutage bringen, etwa wenn man in UTG mehr gewinnt als auf dem Button. Die Schlussfolgerung lautet dann natürlich, dass mit dem Spiel auf dem Button etwas nicht stimmt.
Auch hier gilt aber wie immer – je mehr Hände, desto mehr Aussagekraft.
Buchhaltung:Nicht zu unterschätzen ist auch die Funktion des PT3 als präzise Buchhaltung und somit unbestechliche Kontrollinstanz des tatsächlichen Erfolges. PT3 weist die Gesamtgewinne aus, aber auch die täglichen und monatlichen Ergebnisse. Selbstbetrug, bei dem tatsächlicher Misserfolg mit gelegentlichen Gewinnsessions kaschiert wird, ist schlicht unmöglich, da PT3 erbarmungslos rote oder grüne Zahlen ausweist.
Interessant sind natürlich auch die mathematischen Auswertungen, wie viele Big Blinds man pro 100 Hände gewinnt oder wie hoch der Stundenlohn ist.
Jeder regelmäßige Spieler sollte zumindest einmal pro Woche einen genaueren Blick auf das statistische Material werfen, das die Qualität des eigenen Spiels widerspiegelt. Auf diese Weise können Korrekturen angebracht werden, bevor Fehler, die sich ins Spiel eingeschlichen haben, allzu teuer werden.
Fazit
So weit unsere Einführung in die Welt des Internetpoker mit Hilfssoftware. Ab einem gewissen Limit ist die Anschaffung eines solchen Programms unumgänglich – die Gegner benutzen eines und der Preis beträgt nicht einmal einen Stack bei NL100.
Am Anfang dauert es ein wenig, bis man die neuen Informationen mit den „normalen“ (Karten und Einsätze) in Verbindung bringen kann, doch wie bei allem macht auch hier Übung den Meister.
Wer sich einmal daran gewöhnt hat, mit einer Hilfssoftware zu spielen, wird schwer darauf verzichten können. Spielt man Rush Poker (wo Notizen zu machen sehr beschwerlich ist), ist PT3 ein unumgängliches Instrument.
Wir hoffen, mit diesem Artikel eine erste Einführung gegeben zu haben. Etwaige Fragen bitten wir Euch, via Kommentarfunktion zu stellen.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 03.02.2011.