Vor einiger Zeit entwickelte ich die sogenannten Entwicklungsstufen eines TAG als Modell für die Entwicklung eines Spielers. Vermutlich durchlaufen die meisten Spieler eine Reihe von Entwicklungs- und Erkenntnisstufen, während sie sich von Anfängern zu guten tight-aggressiven Spielern verbessern.
Insgesamt 25 Stufen gibt es meines Erachtens und in diesem zweiten Teil will ich die Phasen 6 bis 10 behandeln:
6. Ich kann nach dem Flop mit guten Draws semibluffen und gehe dabei effektiv kein zusätzliches Risiko ein.
Spieler, die noch nicht in Phase 6 angekommen sind, bezeichne ich als Erbsenzähler. Sie gehen wenige Risiken ein und scheuen vor hohen Bets zurück, wenn sie nicht die Nuts oder fast die Nuts haben. In dieser Phase jedoch beginnen Spieler zu realisieren, dass sie viel gefährlicher werden, wenn sie bisweilen auch mit schwächeren Händen hohe Bets bringen.
Ideal dafür sind gute Draws. Nehmen wir etwa an, auf dem Flop sind 50 $ im Pot. Der Preflop-Raiser setzt auf dem Flop mit 10 8 7 40 $. Sie haben K Q und noch 200 $ übrig. Ein All-In-Raise ist ein ziemlich vernünftiger Spielzug, da Sie mit K Q fast immer eine Menge Outs haben, wenn Sie gecallt werden.
Aggressive Spieler nutzen Gelegenheiten wie diese, um Druck auf ihre Gegner auszuüben. Sie werden undurchsichtiger und gewinnen langfristig mehr Geld.
7. Continuation Bets sind viel kraftvoller, wenn Sie auf Turn bisweilen eine weitere Salve folgen lassen.
Eine Continuation Bet ist eine Bet auf dem Flop, die auf einen Preflop-Raise folgt. Viele unerfahrene Spieler bringen diese, wenn sie den Flop verpasst haben, geben nach einem Call aber fast automatisch die Hand auf.
In dieser Entwicklungsstufe jedoch erkennen Spieler, dass es nach einem gegnerischen Call auf dem Flop immer noch möglich ist, den Pot zu stehlen. Häufig verweist ein Call auf eine spekulative Hand wie einen Draw oder ein schwaches Paar. Häufig gewinnt in diesen Fällen eine weitere Salve auf dem Turn den Pot.
Zu wissen, wann man eine zweite Salve abgeben sollte, erfordert das Eingrenzen des gegnerischen Handspektrums und die Beurteilung, wie dieses mit dem Board harmoniert. Daher ist dies die erste Stufe, in der Spieler per Handanalyse bessere Entscheidungen treffen.
8. Vor dem Flop sollte ich mit mehr Händen Value Raises bringen.
Anfänger raisen vor dem Flop meist nur mit ihren stärksten Händen – hohe Paare und vielleicht noch AK und AQ. Dies gilt erst recht für Spieler, die sich als Erbsenzähler betätigen. Ein Spieler in Phase 8 erkennt, dass seine Gegner mit deutlich schwächeren Händen limpen als raisen. Limpt jemand mit 8x 7x oder Ax 3x , sind stärkere Hände wie Q J und 8x 8x gut für Raises geeignet.
9. Ich kann in allen Positionen einige Hände mehr spielen, da schlechte Hände durch gelegentliche Bluffs profitabel werden.
Erbsenzähler spielen tight, ein Stil, der gut zu ihrem sinnlosen Spiel nach dem Flop passt. Sind Sie nicht zu einigen Bluffs bereit, wird es schwer, mit spekulativen Händen Gewinn zu erzielen, da Sie mit diesen selten die Nuts treffen, nach denen Erbsenzähler schielen. Stattdessen brauchen Sie ein gutes Gefühl für Bluffs, damit Ihre spekulativen Hände profitabel werden. Selbst wenn Sie nichts treffen, haben Sie immer noch die Chance, den Pot zu stehlen.
In den Stufen 6 und 7 ergänzen Spieler ihr Arsenal um zwei wichtige Bluffs: Semi-Bluffs mit Draws und zweite Salven auf dem Turn. Wer diese Bluffs effektiv einsetzt, kann vor dem Flop looser spielen, da er aus schwachen Händen mehr herausholt, wenn er den Flop kaum oder gar nicht trifft. Allerdings treiben manche Spieler diesen Gedanken zu weit und holen in jeder Hand den Holzhammer heraus. Darauf sollten Sie verzichten.
10. Ich muss mein Spiel vor dem Flop den Gegnern anpassen. Das heißt, gegen Spieler, die häufig 3-Bets bringen, nicht so oft zu folden und auf dem Button gegen loose Raiser öfter zu callen.
Diese Phase ist besonders für Internetspieler wichtig. Im Internet verlaufen No-Limit-Partien ultra-aggressiv und die Spieler versuchen, möglichst viele Blinds zu stehlen und möglichst viel Druck mit Preflop-Reraises auszuüben. Der Erbsenzähler reagiert auf diese Aggression, indem er die meisten Hände foldet und auf solide Hände wartet. Diese Strategie ist aber zu vorsichtig.
In Stufe 10 machen sich die Spieler Gedanken über die gegnerischen Spektren. Stiehlt jemand häufig vom Button, weiß ein Spieler in dieser Phase, mit welchen Händen er es zu tun hat. Dann kann er seine Blinds mit vielen Händen gegen dieses Spektrum verteidigen.
Dasselbe Prinzip gilt generell gegen Reraises vor dem Flop. Früher bedeutete ein Preflop-Reraise eine starke Hand, doch in den heutigen, ultraaggressiven Zeiten wird so häufig mit schwächeren Händen gereraist, wie ein Spieler damit durchkommt. Die Verteidigung dagegen ist extrem wichtig.
In dieser Phase können Spieler in den Partien mit sehr niedrigen Einsätzen bestehen. Sie sind nun ausreichend aggressiv, gewinnen einige zusätzliche Pots und lassen ihre Gegner im Unklaren. Sie sind vor dem Flop etwas looser, weil sie wissen, dass sie mit einer schwachen Hand dennoch den Pot gewinnen können. Schließlich habe sie sich auch auf aggressive Gegner eingestellt, die so viel wie möglich stehlen.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 18.11.2010.