Vor einiger Zeit entwickelte ich die sogenannten Entwicklungsstufen eines TAG als Modell für die Entwicklung eines Spielers. Vermutlich durchlaufen die meisten Spieler eine Reihe von Entwicklungs- und Erkenntnisstufen, während sie sich von Anfängern zu guten tight-aggressiven Spielern verbessern.
1. Sie können Ihren Entwicklungsstand erkennen und gleichzeitig, welche Konzepte Sie sich noch aneignen müssen.
2. Sie lernen, wie Sie die Denkweise Ihrer Gegner durchschauen können, gegen welche Taktiken diese gut gerüstet und gegen welche diese anfällig sind.
Bei der Handanalyse und dem Versuch, mich in meine Gegner hineinzudenken, beziehe ich mich immer auf eine Grundkonzeption dieser Entwicklungsstufen. Ich bin überzeugt, dass diese mir dabei hilft, einen Schritt weiter als meine Gegner zu sein. In den nächsten Artikeln will ich näher auf die 25 Stufen eingehen und in diesem Artikel mit den ersten fünf beginnen.
1. Hrmm, diese K5s sehen recht gut aus
Anfänger neigen dazu, sich nur auf eins zu konzentrieren, nämlich gute Hände zu treffen. Sie wollen Straights, Flushes und Full Houses produzieren. Es scheint nur allzu natürlich, dass sie sich darauf konzentrieren, denn gute Hände gewinnen Pots.
Das führt dazu, dass Anfänger sich vor dem Flop vor allem auf gleichfarbige und verbundene Karten konzentrieren. Sie machen sich über die Auswahl ihrer Hände womöglich keine allzu tiefen Gedanken, aber nach einigen Minuten erkennt jeder, dass sie bestimmte Hände spielen und andere nicht. Vor diesem Hintergrund erscheint K5s vielleicht als gute Hand, während 94o vermutlich gefoldet wird. Mit einem Blatt wie 98o kann man eine Straight treffen, daher lohnt es sich, mit ihr zu spielen. Bei dieser Strategie werden Elemente wie Position und Chance-Risiko-Verhältnis ignoriert und wer sie anwendet, hat den völlig falschen Grundstein gelegt. Spieler auf dieser Stufe verschleudern Geld, bis sie besser werden.
2. Außer diesen 18 Händen werde ich unter keinen Umständen etwas spielen.
Den ersten Fortschrittt, den die meisten Spieler nach der Lektüre einiger Artikel oder vielleicht eines Buchs erzielen, ist tightes Spiel. K5s ist gar keine so starke Hand, weil man selten einen Flush trifft und der König bzw. die Fünf für sich genommen keinen sonderlichen Wert darstellen. Die werthaltigsten Händen sind die hohen Paare und Hände wie AK und AQ.
Hat man die Vorteile tighten Spiels begriffen, ist der natürliche Impuls, allzu rigide zu werden. Es gibt gute Hände wie QQ und schlechte Hände wie T8s. Spieler in dieser Phase lernen zu folden, zu folden und wieder zu folden, bis sie eine der besseren Hände bekommen.
Mit dieser Umstellung dauert es lange, um das Geld aus Stufe 1 wieder hereinzuholen, doch viele Spieler meinen, sie wären wesentlich besser, als es eigentlich der Fall ist. Nur mit tightem Spiel gewinnt man kein Geld, sondern es gehört viel mehr dazu.
3. Nach dem Flop muss ich folden, wenn ich nichts treffe. Und ich muss folden, wenn ich keine starke Hand habe und mein Gegner Druck ausübt.
Hat man gelernt, vor dem Flop tight zu spielen, ist es auch leicht zu begreifen, nach dem Flop dasselbe zu tun. Die Bezeichnung für diese Spielweise lautet Fit-or-Fold. Trifft man den Flop, spielt man weiter, und verfehlt man ihn, foldet man. AK ist eben ein Draw und wenn man auf dem Flop kein Ass oder keinen König trifft, ist die Hand praktisch wertlos.
Dies ist eine wesentliche Phase in der Entwicklung eines Spielers, aber wieder denken diese, sie wären besser, als sie sind. Niemand hat bisher einen Pot durch Folden gewonnen. Die Aufgabe hoffnungsloser Hände ist eine wichtige Fähigkeit, doch Spieler in dieser Entwicklungsstufe meinen häufig, eine Hand wäre wertlos, obwohl dies gar nicht zutrifft. Allgemeiner gesagt denken Spieler in dieser Entwicklungsstufe weiterhin nur über die Stärke ihrer eigenen Hand nach, aber nicht über die des Gegners. Dadurch werden dauerhafte Gewinne schwer erreichbar.
4. Vielleicht kann ich in Position etwas looser werden. Ich kann mehr Hände spielen, weil ich weiß, wann ich diese nach dem Flop folden muss.
Spieler in dieser Entwicklungsstufe schaffen den wichtigen Sprung, dass man bisweilen auch einen Pot ohne fettes Monster gewinnen kann. Sie lernen vor allem, dass man mithilfe der Position den Gegner zum Folden bringen kann, sich billig Karten ansehen kann und auch sonst die Geschehnisse günstig beeinflussen kann. Aus diesen Gründen erkennen sie, dass man bisweilen eine Hand wie T8s spielen kann, wenn vor dem Flop nicht geraist wurde und man Position hat.
Allerdings rechtfertigen viele Spieler ihre loosere Vorgehensweise damit, dass sie wissen, dass sie ohne Treffer auf dem Flop folden müssen. Das wiederum ist ein Rückfall in die Fit-or-Fold-Strategie von Stufe 3. Ein Hauptgrund, warum Hände wie T8s auf dem Button profitabel sind, ist die Tatsache, dann man selbst ohne Treffer den Pot stehlen kann. Konzentriert man sich nur darauf, einen Treffer zu erzielen, zeigt es sich mit diesen Händen, dass man zu selten ein Monster bekommt, um großen Gewinn zu erzielen.
5. Ich muss mit guten Händen zu setzen, damit ich mehr Geld gewinne.
Vor dieser Stufe konzentrieren sich Spieler meist darauf, was sie unterlassen sollten. Man sollte keine schlechten Hände spielen. Man sollte nicht ohne Position spielen. Man sollte niemand mit der zweitbesten Hand ausbezahlen. Mit einer guten Hand setzen sie, versuchen aber nicht, das Maximum herauszuholen.
Regelmäßig bringen fortgeschrittene Anfänger mit Sets und Flushes Einsätze, die 20 Prozent des Pots oder weniger betragen. In Stufe 5 erkennen die Spieler, dass große Hände einen großen Pot verdienen. Man bekommt nicht allzu viele Sets und mit diesen sollte man versuchen, einen großen Pot zu gewinnen.
Spieler in dieser Phase kann man als solide Erbsenzähler bezeichnen. Sie spielen vor dem Flop tight und in Position etwas looser, und sie setzen nach dem Flop fast nur mit starken Händen größere Beträge. In Live-Partien mit niedrigen Einsätzen können Erbsenzähler passable Gewinne erzielen, doch für die stärkeren Partien müssen sie sich weiterentwickeln.
Im nächsten Artikel wende ich mich den Phasen zu, in denen Spieler aggressiver werden.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 10.11.2010.