Viele Pokerspieler halten sich für gewieft, aber einige sind viel weniger undurchschaubar als sie glauben. In einem anderen Artikel habe ich drei „Geschenke“ beschrieben, mit denen Ihre Gegner durch Spielzüge zumindest dann ihre Hand verraten, wenn Sie aufmerksam sind. In diesem Text habe ich nun drei weitere Geschenke parat, auf die Sie achten sollten.
Der Idioten-Raise
Dieser Spielzug kommt schon immer vor. Er ist mir bei Limit Hold’em begegnet und nun sehe ich auch bei No-Limit. Nur wenige Spieler agieren so, aber diejenigen, die es tun, tun es immer wieder. Ich nenne ihn den „Idioten-Raise.“
Und so geht er bei No-Limit vonstatten. Ein Spieler limpt oder callt einen normalen Raise. Dann raist ein weiterer Spieler hinter ihm. Vielleicht gibt es weitere Calls und dann entscheidet sich der ursprüngliche Caller zu einem Reraise. Dieser ist aber nicht hoch (was auf eine starke Hand hindeuten würde), sondern niedrig, vielleicht sogar ein Min-Raise. Gestern sah ich in einer Partie mit Blinds von 1 $/2 $, wie ein solcher „Idioten-Raiser zunächst 2 $ callte und nach einem Raise auf 12 $ selbst auf 22 $ erhöhte. Er hatte ein Paar Dreien.
Dann sah ich, wie er nach einem Raise auf 10 $ und einem Call auf 20 $ raiste. In diesem Fall hatte er Jx 9x .
Dann limpte er mit 2 $ und ich erhöhte mit einem Paar Damen auf 15 $. Ein tighter Spieler callte im Blind (vermutlich mit einem kleinen oder mittleren Paar oder AK). Der Idioten-Raiser erhöhte auf 30 $, worauf ich um weitere 60 $ reraiste. Der tighte Spieler jammerte ein wenig und foldete. Anschließend grinste der Idioten-Raiser und foldete ebenfalls.
Solange ich spiele, habe ich diese Idioten-Raises regelmäßig erlebt. Noch einmal, es gibt nur wenige Spieler, die so spielen, aber diejenigen, die es tun, tun es regelmäßig. Meist verwenden sie dafür Drawing Hands wie Connectors oder niedrige Paare. Seien Sie auf der Hut, diese Spieler sind sehr leicht auszunutzen.
Der nervöse Raise
Ein Spieler, der in einer Partie mit Blinds von 5 $/10 $ normal vor dem Flop auf 30 $ raist, erhöht in UTG auf 60 $. Bei einigen Spielern schreit dieser Zug förmlich nach einem Paar Buben. Vielleicht ein Paar Zehnen, AK oder Damen. Das war es dann aber und der Hauptverdacht heißt weiterhin ein Paar Buben.
Die Psychologie ist simpel. Der Raiser denkt, „Ich weiß, ein Paar Buben ist eine gute Hand, aber ich hasse sie. Anscheinend verliere ich damit immer. Es ist mir lieber, alle folden und ich kann mir die Blinds schnappen. Dieses Mal bringe ich einen höheren Raise, damit dies gelingt.“
Die Ironie liegt darin, dass dieser extra hohe Raise ohne Position zu schwierigen Situationen führt, die mit einem normalen Raise vermieden würden. Dies gilt besonders, wenn Sie schadenfroh nach ihm callen und genau wissen, was er hält. Aber abgesehen von der Ironie ist dieser nervöse Raise ein tödliches Geschenk.
Gerede
Spielen Sie live oder haben schon einmal im Fernsehen zugesehen, kennen Sie diese Worte. Sie bringen einen Einsatz und Ihr Gegner versinkt ins Grübeln. Dann fängt er an zu reden. „Du musst getroffen haben. Du hast getroffen, oder? Du hast einen Flush. Du hast diesen verdammten Flush getroffen.“ Blablabla…
Gerede kann zwei verschiedene Bedeutungen haben. Entweder denkt Ihr Gegner wirklich scharf darüber nach, ob er callt oder nicht. Oder er spielt Hollywood, hat die Nuts und will schwach wirken, damit er Ihr letztes Geld bekommen kann.
Das Geschenk bekommen Sie, wenn Ihr Gegner nach seinem Gerede agiert. Callt er auf dem River, war er tatsächlich am Grübeln. Raist er jedoch auf dem River, hat er geschauspielert und ein Monster auf der Hand. Spieler halten keine Rede und raisen dann mit einem Bluff. Gerede mit anschließender Aggression ist ein sicheres Signal für eine starke Hand.
Kürzlich spielte ich eine Hand, die mich an dieses Geschenk erinnerte. Es geschah in einer Partie mit Blinds von 2 $/5$ und mein Gegner hatte insgesamt 450 $. Ich hatte mehr Geld und callte im Big Blind in einem Pot mit vier Spielern einen Raise auf 10 $ mit 2 2 . Auf dem Flop kamen 7 5 5 und es wurde reihum gecheckt. Auf dem Turn kam die 2 und ich setzte 35 $. Zwei Spieler callten. Auf dem River kam die 9 und brachte einen möglichen Backdoor Flush sowie eine mögliche Straight aufs Board. Da ich ein wenig das Image eines Bluffers hatte (zumindest dachte ich das), setzte ich 200 $ und hoffte auf einen argwöhnischen Call. Der nächste Spieler begann zu reden. „Du hast den Backdoor Flush, oder? Ich weiß, ich hätte früher setzen sollen. Verdammter Flush.“ Blablabla.
Nach einer knappen Minute Gerede ging er mit etwas mehr als 400 $ All-In. Der andere Spieler foldete und ich callte. Er zeigte 7x 7x und hatte ein Full House gefloppt.
Gerede und ein anschließender Raise sind ein solch starker Hinweis auf ein Monster, dass es fast korrekt gewesen wäre, mein Full House zu folden! Ich bekomme fast 4 zu 1 für einen Call, aber sobald er erwähnte, dass er „Angst“ vor dem Backdoor Flush hat, und dann All-In geht, konnte er selbst nichts Schlechteres als den Nut Flush (eventuell noch den zweit- oder drittbesten Flush) haben. Und natürlich konnte er mehrere verschiedene Full Houses haben. Mit dem niedrigsten Full House bin ich klarer Außenseiter. Mit Pot Odds von 4 zu 1 mache ich mir keine großen Gedanken und wenn mein Call falsch war, war er sicher nicht allzu schlecht. Aber dieses Beispiel zeigt die Verlässlichkeit von Gerede. Wäre er einfach stillschweigend All-In gegangen, hätte ich gecallt und vermutet, dass ich die Hand gewinne. Da mein Gegner aber zuerst redete, ging ich bei meinem Call davon aus, die Hand zu verlieren.
Übrigens wird Gerede immer zuverlässiger, je später es in der Hand vorkommt. Druckst Ihr Gegner vor dem Flop herum und sagt dann bei seinem All-In „Ich glaube, ich gehe jetzt nach Hause“, bedeutet dies nicht zwangsläufig ein Paar Asse. Das ist durchaus möglich, aber manchmal ist sich Ihr Gegner wirklich unschlüssig, denkt sich „Was soll’s“ und geht All-In. Aber auf dem River geschieht dies nicht. Redet Ihr Gegner und geht anschließend All-In, will er Sie hereinlegen.
Abschließende Gedanken
Beim Pokern erlebe ich häufig solche Geschenke. Manchmal bestätigen diese mich nur in meinem Urteil, aber gelegentlich verändern sie meine Reaktion dramatisch. Vor allem auf dem River hat mir das Gerede eines Gegners dabei geholfen, Straights und Flushes zu folden, die ich sonst nie gefoldet hätte. Es macht Spaß, diese Geschenke anzunehmen und es lohnt sich, diese wahrzunehmen.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 26.08.2009.