Die mangelnde Bereitschaft, Neues auszuprobieren, verdammt viele Pokerspieler dazu, dürftige Ergebnisse zu erzielen. Es ist sehr einfach, einen Stil und ein entsprechendes Muster zu entwickeln und diesem blind zu folgen. Wie spielen Sie? Checken Sie auf dem Flop immer, wenn Sie ein Set treffen? Bringen Sie auf dem Flop mit Top Pair immer einen niedrigen Raise, um „zu sehen, wo Sie stehen?“ Neigen Sie in ähnlichen Situationen immer zur selben Vorgehensweise? Wenn Sie ehrlich sind, lautet die Antwort vermutlich, dass Sie häufig mit „Autopilot“ spielen.
Leider verbessern Sie sich nicht, wenn Sie nie etwas Neues ausprobieren. Sofern Sie mit dem Poker nicht mehrere Tausend Dollar pro Monat verdienen, spielen Sie vermutlich nicht perfekt und machen einiges verkehrt. Warum also nichts Neues ausprobieren, wenn Sie das nächste Mal spielen? Zwingen Sie sich dazu, etwas Unnormales zu versuchen. Vermutlich werden Sie überrascht sein, wie gut dies funktioniert. Ich empfehle Ihnen, die folgenden drei Spielzüge bei Ihrer nächsten Pokersession auszuprobieren.
All-In Semibluff
Spielen Sie Draws in der Regel passiv? Fragen Sie sich sofort, ob Sie die richtigen Pot Odds für einen Call bekommen, wenn Sie einen Flush- oder Straight Draw floppen? Gehen Sie beim nächsten Mal aufs Ganze. Gehen Sie All-In.
Im folgenden ein Beispiel. Sie spielen mit Blinds von 1 $/2 $ und alle Spieler haben 200 $ vor sich. Ein Spieler in früher Position raist auf 10 $ und ein Spieler callt. Sie callen mit K J und auch der Big Blind callt. Im Pot sind 40 $ und Sie haben noch 190 $.
Auf dem Flop kommen Q 8 6 und Sie haben einen Flush Draw, eine Overcard und einen Runner-Runner Straight Draw. Der Raiser setzt 30 $ und der nächste Spieler foldet. Gehen Sie mit weiteren 190 $ All-In!
Natürlich gibt es für diesen Spielzug keine Garantie. Womöglich hat Ihr Gegner Ax Qx (oder etwas Besseres) und callt. Sie gehen ein kalkuliertes Risiko ein, das aber gute Chancen bietet. In einem der Drittel der Fälle kommt Ihr Flush Draw an und manchmal reicht auch ein König zum Sieg.
Hierzu gibt es zwei Faustregeln. Probieren Sie diesen Spielzug nicht aus, wenn Ihr Raise mehr als das Doppelte der Potgröße betragen würde. In diesem Fall gingen vor dem Flop 40 $ sowie 30 $ Ihres Gegners auf dem Flop und 30 $ Ihres All-In für den Call in den Pot, wodurch dieser 100 $ betrug. Ihr Raise erfolgte somit auf 160 $, also auf weniger als das Doppelte des Pots mit 100 $.
Versuchen Sie diesen Spielzug auch nicht, wenn jemand extreme Stärke gezeigt hat. Lassen Sie es bleiben, wenn ein wirklich tighter Spieler raist, der ohne Asse vor dem Flop nie erhöht. Verzichten Sie auch dann auf diesen Spielzug, wenn auf dem Flop bereits eine Bet und ein Raise erfolgt sind. Probieren Sie ihn nur, wenn die Action „normal“ ist, da immer dann eine gute Chance besteht, dass die gegnerischen Hände nicht für einen Call ausreichen.
Value Bet auf dem River
Viele No-Limit-Spieler setzen einmal auf dem Flop und checken anschließend auf Turn und River, wenn Sie ein Paar floppen. Dies ist eine sichere Variante, mit der Sie aber auch viel verschenken. Sind Sie ein chronischer Durchchecker, sollten Sie beim nächsten Mal eine Value Bet auf dem River ausprobieren.
Nehmen wir etwa an, Sie haben im Big Blind A 10 und Sie befinden sich wieder in der Partie mit Blinds von 1 $/2 $ und 200 $-Stacks. Zwei Spieler limpen, der Small Blind foldet und Sie checken. Im Pot sind 7 $ und der Flop bringt Ihnen mit K 10 2 Middle Pair. Sie setzen 5 $, weil Sie hoffen, den Pot entweder direkt zu gewinnen oder von einer schlechteren Hand gecallt zu werden. Der erste Spieler foldet und der zweite callt. Auf dem Turn kommt die 8 . Sie und Ihr Gegner checken. Auf dem River kommt die 7 . Probieren Sie nun eine Value Bet und setzen Sie etwa 10 $.
Auf dem Flop callte Ihr Gegner Ihren niedrigen Einsatz mit Position. Das weist nicht unbedingt auf Stärke hin. Da Sie aber weder Position noch eine besonders starke Hand haben, checken Sie auf dem Turn. Mit seinem Check suggeriert Ihr Gegner eine schwache oder mittelmäßige Hand (vermutlich maximal ein schwacher König) oder einen Draw. Nach einer weiteren Blank auf dem River besteht eine recht gute Chance, dass Sie die beste Hand haben. Zudem kann Ihr Gegner aufgrund der von Ihnen gezeigten Schwäche vielleicht nicht widerstehen, mit einem niedrigen Paar weitere 10 $ zu callen.
Vielleicht erscheint Ihnen dies alles unbedeutend, schließlich geht es nur um 10 $. Aber ich erlebe es häufig genug, dass Spieler mit ordentlichen Paaren eine Hand durchchecken, bei der sie mit ein wenig Mut noch weitere 10 $, 20 $ oder sogar 50 $ hätten gewinnen können. Dieses Geld summiert sich. Es geht nicht um die 10 $ in dieser Hand, sondern darum, alle Situationen zu erkennen, in denen Sie einen kleinen Zusatzgewinn einstreichen können.
Der doppelte Bluff
Bluffs und Golfschläge haben etwas gemeinsam: Es ist entscheidend, sie durchzuziehen. Eine Bet über 25 $ kommt Ihnen vermutlich billig vor, wenn Sie sich einen Pot schnappen wollen. Doch manchmal reicht diese nicht aus und Sie müssen diese erste Bet mit einer zweiten untermauern. Sind Sie grundsätzlich ängstlich, wenn es darum geht, einen zweiten Bluff hinterher zu schieben, sollten Sie beim nächsten Mal die Vorsicht in den Wind schießen. Versuchen Sie es.
Hier ist ein Beispiel. Alle Spieler folden und Sie haben auf dem Button 10 8 . In einer Partie mit Blinds von 2 $/5 $ raisen Sie auf 15 $. Nur der Big Blind callt. Auf dem Flop kommen K 9 4 , womit Sie einen Flush Draw haben. Ihr Gegner checkt, Sie setzen 20 $ in den Pot mit 30 $ und Ihr Gegner callt. Auf dem Turn kommt das A und Ihr Gegner checkt erneut. Probieren Sie in diesem Pot mit 70 $ einen Bluff mit 50 $ oder 60 $!
Ihr Gegner konnte auf dem Flop mit einem breiten Handspektrum callen. Möglich sind gute Hände wie ein Set, Two Pair oder Top Pair, aber auch schwächere wie ein niedrigeres Paar, ein Flush Draw oder ein Gutshot. Das Ass in einer anderen Farbe schwächt die meisten der denkbaren Hände Ihres Gegners. Außerdem muss Ihr Gegner aufgrund Ihres Raise vor dem Flop befürchten, dass Sie ein Ass haben. Ihre zweite Salve bietet eine gute Chance, die Hand sofort zu gewinnen.
Verlassen Sie Ihre Komfortzone. Scharfsinniges Poker fühlt sich zunächst nicht „richtig“ an und es ist auch kein Zuckerschlecken. Vielleicht verursacht es sogar Magenschmerzen. Geben Sie sich einen Ruck. Probieren Sie diese drei Spielzüge in Ihrer nächsten Session aus. Funktionieren Sie nicht, versuchen Sie es beim nächsten Mal wieder. Praktizieren Sie diese Spielzüge häufig genug und nehmen sie in Ihr Repertoire auf, werden Sie vom Ergebnis positiv überrascht sein.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 03.09.2009.