Dinge wie “Info-Raise”, “Protection” und “Ich hatte Top-Pair, da konnte ich doch nicht folden” hört man regelmäßig an Pokertischen. Alle diese Ideen sind Blödsinn und dieser Artikel soll erklären, warum diese Ideen den Fischen vorbehalten bleiben sollten.
1. Raise für Informationen
Sehr häufig hört man in Live-Partien einen Spieler sagen, dass er auf dem Flop gesetzt oder geraist hat, um zu sehen, ob seine Hand gut ist. “Info-Bet” oder “Info-Raise” werden solche Züge genannt und sind bei vielen Hold'em Spielern etabliert.
Aber: Diese Info-Züge sind in 99 Prozent der Fälle dummes Zeug, denn diese Manöver sind viel zu teuer und man bekommt fast nie die ungeschminkte Information, die man erwartet.
Nehmen wir ein Beispiel: Ein Spieler hat A 10 in den Blinds und callt einen Raise. Der Flop gibt ihm Top-Pair: T♠ 7 2 . Er checkt zum Preflop-Raiser und dieser bringt eine Bet in der Höhe von zwei Dritteln des Pots. Die Logik des Info-Raises wäre es jetzt, einen Raise zu bringen, “um zu sehen, ob Top-Pair gut ist”.
Wenn der Gegner jetzt reraist, kann man einfach folden und hat womöglich eine Menge Geld gespart und wenn der Gegner foldet, dann hat man einen hübschen kleinen Pot gewonnen.
Aber dieser Spielzug ist fatal falsch aus verschiedenen Gründen:
1. Wenn der Gegner Top-Pair nicht schlagen kann, wird er in der Regel folden.
2. Wenn der Gegner eine bessere Hand hat, wird er fast nie folden. Sprich: Mit dem Zug isoliert man sich vor allem gegen besseren Hände.
3. Es gibt keinen Plan für den Fall, dass der Gegner den Raise callt: Wie geht es auf dem Turn weiter? Ist das Top-Pair dann noch gut, weil der Gegner einen schlechteren Kicker hat oder hat der Gegner ein Overpair und sich nicht getraut, auf dem Flop zu reraisen? In dem Fall hätte der Info-Raise gar keine Information gebracht.
Viel besser wäre es, die Bet des Preflop-Raises einfach zu callen. Man weiß dann zwar etwas weniger über seine Hand, aber sein Turn-Spiel wird weiteren Aufschluss über seine Range bringen.
2. Protection!
ProtectionEine weitere Fehlvorstellung ist die, dass beim No-Limit-Hold’em “Protection” ein generell wichtiges Konzept ist. Protection bedeutet, dass man seine eigene Hand gegen Draws schützt und stammt aus dem Limit-Hold’em.
Betrachten wir dies wieder an einem Beispiel:
In einer Hand folden alle Spieler zum Small Blind und dieser bringt einen Raise. Der Big Blind callt mit K 9 und der Flop kommt 9 8 3 . Der Small Blind bringt eine normale Continuation-Bet in Pot-Größe und – Taz’dingo! – der Big Blind raist.
Warum raist der Big Blind in dieser Situation?
Er hat Top-Pair mit einem guten Kicker, aber das Board sieht ziemlich gefährlich aus. Es erlaubt eine Menge Draws und Overcards und knapp die Hälfte des Decks macht auf dem Turn das Top-Pair vom Big Blind zunichte. Gegen all diese Draws will er sich schützen und raist deswegen.
Die Logik hinter dem Raise? Der Big Blind will nicht, dass der Gegner drawt und raist deswegen.
Aber diese Logik ist sehr anfällig und bringt größere Probleme mit sich als gelöst werden.
1. Wir haben generell nichts dagegen, wenn unser Gegner drawt. Wir wollen nur, dass er möglichst schlechte Odds auf seinen Draw bekommt.
2. Mit einer Bet in Pot-Größe hat sich der Small Blind schon selbst recht schlechte Odds gegeben, wenn er einen Draw hat.
3. Ein Raise isoliert uns – wie auch im Fall der Info-Raises – vor allem gegen den Teil der Range des Gegners, die uns schlägt.
4. Wir machen uns anfällig gegen Reraises: Was tun, wenn der Small Blind eine 3-Bet bringt? In der 3-Bet-Range sind eine Menge Hände, die uns dominieren (Overpairs und Sets) und sicherlich ein paar aggressiv gespielte Draws. Auf einmal droht uns ein Spiel um Stacks mit einer dafür sehr mittelmäßigen Hand.
5. Hat der Gegner einen starken Draw (etwa einen Flush-Draw mit zwei Overcards), ist er ohnehin Favorit in der Hand. In dem Fall übernehmen wir ohne es zu wissen die Protection für unseren Gegner.
Viel besser ist hier ein Call auf dem Flop – der Big Blind hat eine ordentliche Hand und Position, aber prinzipiell sollte er nicht bereit sein, um Stacks zu spielen. Also sollte er den Pot auf einem geordneten Niveau halten und einfach auf dem Turn die Situation weiter evaluieren.
Absolute Handstärke
Auch wenn viele Konzepte und Strategien beim Poker immer wieder vermitteln, was die richtige Vorgehensweise in bestimmten Situationen ist und den Anschein erwecken, sie hätten allgemeine Gültigkeit (so auch genau hier, in diesem Artikel), können Situationen beim Poker im Vakuum nur selten vollständig und korrekt analysiert werden.
Diese etwas nebulöse Aussage soll am Beispiel der absoluten Handstärke erläutert werden.
Alles ist relativ – manchmal muss man ein Full House folden, manchmal hat man mit einem Underpair die virtuellen Nuts. Strategien und Konzepte können die allgemeine Spielsituation nur zu einem gewissen Teil berücksichtigen.
Ist Ass-Bube eine starke Hand?Nehmen wir als einfaches Beispiel folgende Aussage: “Vor dem Flop ist Ass-Bube eine starke Hand.”
Diese Aussage kann – je nach Situation – völlig korrekt sein oder absurd falsch. Wenn wir am Button sind und alle zu uns folden, ist Ass-Bube ein Monster. Wenn wir jedoch im Big Blind sitzen und vor und schon Raise und Reraise kamen, ist Ass-Bube das Gleiche wie Sieben-Zwei.
Man kann die Ass-Bube-Aussage auch weiter aufschlüsseln:
1. Vor dem Flop gibt es nur 6 Hände (Ass-König, Ass-Dame, Buben oder besser), die Ass-Bube schlagen. Das sind in Summe 42 Kombinationen von 1.225 möglichen (3,4 Prozent).
2. Sitzen wir am Button und alle haben zu uns gefoldet, beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass einer der verbliebenen Spieler eine bessere Hand hat, rund 6,7 Prozent.
3. Sitzen wir jedoch an einem 10-Spieler-Tisch an erster Position, beträgt diese Wahrscheinlichkeit rund 27 Prozent.
Sprich: In erster Postion ist Ass-Bube bestenfalls mittelmäßig, auf dem Button jedoch bombastisch. Eine allgemeine Aussage über die Stärke der Hand muss Postion und bisherige Aktionen berücksichtigen.
Ebensolches gilt für Aussagen zum Spiel nach dem Flop: Ein Top-Pair kann sehr stark sein, kann aber auch bestenfalls einen Bluff-Catcher darstellen. Beim Spiel darf man nicht dem Gedanken anheimfallen, mit einer Hand auf Gedeih und Verderb zum Äußersten zu gehen, nur weil sie auf dem Papier sehr stark aussieht.
Beim Poker muss man nach jeder Aktion der Gegner die Qualität seiner Hand neu evaluieren und am Ende ist die absolute Stärke der Hand völlig egal – zentral ist nur die Frage, wie sie im Vergleich zur Range der Gegner abschneidet.
Gegen eine Range, die nur aus Bluffs und Nuts besteht, ist ein mittleres Paar das Gleiche wie ein Set. Gegen eine Range die fast nur aus den Nuts besteht, ist Top-Pair, Top-Kicker das gleiche wie Bottom-Pair. Und gegen eine Range die vor allem aus Bluff-Catchern besteht (die typische Range einer Calling-Station) ist Middle-Pair eine Value-Hand, mit der gemolken werden kann.
Beim Poker ist vieles relativ und man muss immer seinen eigenen Kopf bemühen, um Konzepte und Kniffe den jeweiligen Situationen angepasst bestmöglich einzusetzen.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 08.03.2014.